Buzzfeed wird nach wie vor häufig ob seiner journalistisch fragwürdigen Qualität belächelt. Was dabei aber gerne übersehen wird: Das Medienportal verzeichnet mit seinem auf seichte Unterhaltung ausgelegten Konzept bahnbrechenden Erfolg. Da es sich dabei nicht um bloßen Zufall handelt, sollten gewissenhafte Marketer sich die Frage stellen, welche Lehren sich daraus für die eigene Content-Strategie ziehen lassen.
Angefangen hat die Geschichte von Buzzfeed ähnlich unkonventionell und kurios, wie es die Plattform selbst ist. Gründer Jonah Peretti war 2001 von der Arbeit an seiner Masterarbeit gelangweilt und fragte sich, welche Designs Nikes gerade veröffentlichter Generator für die persönliche Gestaltung von Schuhen wohl zulassen würde. Das System erlaubte den Aufdruck „Sweatshop“ (dt. etwa: Ausbeuterbetrieb), kurze Zeit später lehnte Nike den Auftrag aber per E-Mail ab. Peretti wehrte sich und es entstand ein reger E-Mail-Wechsel, der, einmal online veröffentlicht, so viel Aufmerksamkeit generierte, dass sich Peretti in einer Talkshow mit der PR-Chefin von Nike wiederfand.
Fasziniert davon, dass ein unbedeutender Student mit so wenig Aufwand so viel Reichweite generieren konnte, gründete Peretti daraufhin 2005 Buzzfeed. Aus der fixen Idee ist inzwischen eines der bekanntesten Internet-Medienportale erwachsen, das 2016 einen theoretischen Marktwert von 1,5 Milliarden US-Dollar, 200 Millionen monatliche Besucher und fünf Milliarden Video-Aufrufe vorweisen konnte.
Die sehr plakativen, bunten und nicht stringenten Inhalte seiner Website beschreibt Peretti eigenwillig also „Vokuhila, nur umgekehrt“: Während bei der Achtziger-Jahre-Frisur das Motto „business in the front, party in the back“ gilt, stehe bei Buzzfeed das Chaos im Vordergrund. Nur wer gezielt danach suche, finde auch die entsprechende Seriosität, die im Hintergrund verborgen sei. Was wie ein ziemlich exzentrischer Vergleich klingt, birgt wichtige Erkenntnisse für Online-Marketer im Allgemeinen und erfolgreiches Content-Marketing im Speziellen.
Der umfassendste und allgemeinste Punkt ist gleichzeitig der wichtigste: Hinter dem bunten, chaotisch anmutenden Auftritt von Buzzfeed versteckt sich eine ganz klare Strategie. Wie die im Einzelnen aussieht, wird im Folgenden noch erläutert.
Grundsätzlich ist aber festzuhalten, dass hier nichts unbedacht veröffentlicht wird. Medienformat, Plattform, bezahlte oder organische Promotion – all das ist genau festgelegt.
Auch ein durchdachtes SEO-Konzept ist essenziell. Einbindung von Keywords, Sharing-Optionen für soziale Netzwerke und eine Menge Links: All das beherzigt Buzzfeed in seinen Artikeln.
Letztlich gehört zu diesem Punkt auch die Messbarkeit von Interaktionen mit den veröffentlichten Inhalten. Buzzfeed nutzt beispielsweise Tools wie Pound oder The Hive, um genau nachvollziehen zu können, wie oft ein Beitrag gelikt, geteilt oder mit Tags versehen wurde.
Wer Content erfolgreich optimieren möchte, muss vor allem wissen, wann und zu welchem Zweck er konsumiert wird. Bei Buzzfeed ist das ziemlich eindeutig. Hier werden vor allem die sogenannten Bored at Work- und Bored in Line-Zielgruppen angesprochen. Diese Nutzer suchen nicht gezielt noch konkreten Informationen, sondern versuchen lediglich, über einen kurzen Zeitraum unauffällig Zeit totzuschlagen – typischerweise eben im Büro oder in einer Warteschlange.
Das hat weitreichende Konsequenzen für die Content-Ausrichtung. Wer seine Langeweile innerhalb kürzester Zeit effektiv bekämpfen will, möchte einfach verständlichen, leicht bekömmlichen und vor allem emotionalen Content sehen. Ob Rührung, Humor oder Dramatik – Hauptsache, es spricht die Gefühlsebene an.
Die Welt des Internet hat ihre eigenen Regeln, an die sich jeder halten sollte, der hier Erfolg haben möchte. Passend zu Punkt Zwei sollte der Großteil der Artikel nicht zu lang ausfallen, damit sie problemlos in kurzer Zeit gelesen werden können. Der durchschnittliche Buzzfeed-Beitrag ist beispielsweise gerade einmal 155 Wörter lang. Aus SEO-Perspektive sollten allerdings in regelmäßigen Abständen auch längere Texte veröffentlicht werden, die um die 2.000 Wörter umfassen.
Gerade die Prinzipien der jeweils genutzten Social-Media-Plattform sollten ausgenutzt werden, um möglichst viele Interaktionen zu generieren. Hierzu gehört zum Beispiel das Verwenden von prominenten Hashtags. Gleichzeitig sollten die Inhalte so emotional ansprechend sein, dass Konsumenten ein Bedürfnis verspüren, sie zu teilen.
Da die Nutzung per Smartphone einen immer höheren Stellenwert einnimmt, müssen die entsprechenden Websites außerdem für die mobile Darstellung optimiert sein.
Dieser Ansatz setzt darauf, unterschiedlichen Content auf verschiedenen Plattformen zu streuen und dabei
So kann der Content perfekt auf die Gegebenheiten des jeweiligen Netzwerks zugeschnitten werden (siehe Punkt Drei), während gleichzeitig möglichst viele Menschen erreicht werden.
Eine Studie hat ergeben, dass Buzzfeed-Artikel im Schnitt auf dem Leseniveau von Viertklässlern geschrieben werden. Zum Vergleich: Der Content des amerikanischen News-Senders CNN ist auf das Niveau von Siebtklässlern zugeschnitten.
Das bedeutet keinesfalls, dass Content stupide sein sollte. Stattdessen geht es auch hier um die Möglichkeit, Inhalte möglichst schnell und leicht konsumieren zu können sowie möglichst wenige Menschen auszuschließen. Allgemein ist anzuraten…
In Sachen Veröffentlichungsfrequenz macht Buzzfeed so schnell niemand etwas vor. Teils werden von dem Medienportal mehrere Beiträge pro Stunde veröffentlicht. Gehen wir von vier Beiträgen pro Stunde aus, von denen zwei floppen, sind auf diese Weise immer noch zwei Beiträge pro 60 Minuten erfolgreich. So schafft Masse Aufmerksamkeit und Interaktionen.
Das ist selbstverständlich ein Extrembeispiel. Aber auch für andere Unternehmen ist eine stabile Frequenz der Social-Media-Beiträge oder der Blogartikel entscheidend. Denn nur eine gewisse Regelmäßigkeit sorgt dafür, dass sie im Gedächtnis bleiben und wirklich einen konstanten Mehrwert liefern.
In Zeiten von Adblockern bekommt kaum ein Nutzer mehr Anzeigenwerbung zu sehen. Entsprechend unattraktiv ist diese Form der Werbung für potenzielle Anzeigenkunden geworden. Deshalb setzt Buzzfeed stattdessen auf sogenannten „Branded Content“. Artikel wie „11 Things You Didn't Know About PlayStation“ weisen als Autoren das Sony Entertainment Network aus, sind also gesponsert.
Inhaltlich wie optisch sind diese Artikel dabei so gut wie nicht von unbezahlten Beiträgen zu unterscheiden. Aus journalistischer Perspektive ist das fragwürdig, insbesondere da nicht explizit darauf hingewiesen wird, dass der Beitrag gesponsert ist. Wird die Trennung von neutral-journalistischem und Branded Content aber angemessen und transparent vollzogen, bietet sich hier eine optimale Möglichkeit, Werbekunden ohne lästige Anzeigen einzubinden.
Wie bereits erwählt macht eine emotionale Bindung Inhalte besonders attraktiv und lädt Nutzer zum Interagieren ein. Dabei hat sich insbesondere eine emotionale Regung als erfolgreich erwiesen: Nostalgie, das wehmütige Zurücksehnen nach alten, vermeintlich besseren Zeiten, zieht sich wie ein roter Faden durch den Großteil der Inhalte von Buzzfeed. Zahlreiche Beiträge zum Thema „Only 90s kids remember“ erinnern an Süßigkeiten, Fernsehsendungen oder Kleidung, welche die Kindheit der Generation Y ausgemacht haben.
Und das ist ziemlich clever, denn das schmerzlich-schöne Gefühl reduziert Stress und schafft ein Gefühl von Vertrautheit wie Verbundenheit – entsprechende Artikel sind also prädestiniert, mit einem „Weißt du noch damals??“-Kommentar in den Newsfeeds der Sandkastenfreunde zu landen.
„Eine Mutter bringt ihr Kind zur Schule. Was dann passiert, treibt dir die Tränen in die Augen!“ – für Überschriften dieser Art ist Buzzfeed berühmt wie berüchtigt und erntet auch reichlich Spott. Was dabei aber ignoriert wird: Sie funktionieren. Auch, wenn Clickbaiting inzwischen zu einem Unwort geworden ist, machen entsprechende Überschriften neugierig und ziehen Leser auf die eigene Website.
Grundsätzlich sind Unternehmen zwar gut beraten, das Ganze etwas subtiler anzugehen. Aber dafür sorgen, dass Nutzer nicht nur am Teaser in ihrem Newsfeed vorbei-scrollen, sondern ihn auch interessiert anklicken, sollten Marketer definitiv.
Buzzfeed beschäftigt 200 Redakteure, die Content kreieren. So viele müssen es für den eigenen Blog sicherlich nicht sein, mehrere Autoren einzusetzen, ergibt aber in jedem Fall Sinn.
Denn auf diese Weise werden verschiedene Schreibstile und Meinungen abgebildet. So entsteht eine Vielfalt, die wiederum dazu führt, dass unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden.