Die Entwicklung eines neuen Produkts ist ein komplexer Prozess – es sind zahlreiche Personen daran beteiligt und es müssen weitreichende Entscheidungen getroffen werden. Nichts ist also schlimmer, als zig Stunden und Mühen in ein neues Produkt zu investieren, das später keiner kaufen oder nutzen will. Um dem vorzubeugen, hilft ein Product Vision Board, das die Produktvision für alle anschaulich darstellt.
Wann ein Product Vision Board zum Einsatz kommt und wie es entwickelt wird, erfahren Sie hier.
Was ist ein Product Vision Board?
Ein Product Vision Board beschreibt die übergeordnete Vision, nach der sich Sinn und Zweck des Produkts richten. Dazu zählen die Zielgruppe, die Bedürfnisse der möglichen Käuferschaft, die wichtigsten Produkteigenschaften sowie die Geschäftsziele des Unternehmens. Ein Vision Board soll den Innovations- und Produktentwicklungsprozess vorantreiben.
Warum wird ein Product Vision Board genutzt?
Im Innovationsprozess bietet das Product Vision Board allen Beteiligten mit der Auflistung simpler Antworten die erste Prüfung, ob das angedachte Produkt sinnvoll ist. Die Fragen lauten: Wer kauft das Produkt? Warum wird es gekauft und benutzt? Welches sind seine wichtigsten Eigenschaften? Warum sollte das Unternehmen darin Geld investieren?
Grundlage des Boards: Die Produktvision
Im Zusammenhang mit dem Begriff Product Vision Board fällt der Name des in München geborenen Wahllondoners Roman Pichler. Zwar gibt es ähnliche Modelle zur Darstellung der Produktvision wie das Lean Canvas von Ries und Maurya oder das Business Model Canvas von Osterwalder. In der Praxis gilt jedoch das Product Vision Board nach Pichler, einem seit den 2000er-Jahren in diesem Bereich aktiven Experten für Scrum und agiles Produktmanagement, als Standard.
Im Zentrum des Boards steht die Frage: Was ist der Nutzen, Sinn und Zweck des zu entwickelnden Produkts? Das technisch beste oder im Design innovativste Produkt oder die effizienteste Dienstleistung nützen nichts, wenn es niemanden gibt, der sie braucht.
Um diesen Fehler zu vermeiden, sollte eine Produktvision entwickelt werden. Dieser Prozess hilft bei:
- dem Verständnis für das oder die Alleinstellungsmerkmal(e) des Produkts gegenüber denen der Konkurrenz und dafür, wie es beschaffen sein soll,
- der Frage, welche Bedürfnisse der potenziellen Kunden und Kundinnen befriedigt und welche Probleme gelöst werden,
- der Einordnung, welches Unternehmensziel mit dem Produkt verfolgt wird.
Um zu einer Produktvision zu kommen, sind drei Schritte notwendig.
Produktvision entwickeln: Drei simple Schritte
Auf dem Weg zur für alle einheitlichen Vision des neuen Produkts sind drei maßgebliche Dinge zu erledigen, in deren Zentrum auch das Product Vision Board steht:
- Verständnis für die Kundschaft entwickeln: Was sind die Herausforderungen, Probleme und Bedürfnisse der potenziellen Käuferinnen und Käufer? Dafür eignen sich Methoden wie Design Thinking oder Buyer Personas.
- Product Vision Board visualisieren: Die zentralen Fragen des Boards werden mit den gewonnenen Erkenntnissen beantwortet und visualisiert.
- Validierung des Product Vision Boards: Im letzten Schritt erfolgt die Prüfung, ob das Produkt das Problem der Kundschaft auch wirklich löst. Mögliche Methoden sind Kundentests oder problembezogene Interviews mit der Zielgruppe. Anschließend wird das Board entsprechend angepasst oder die Entwicklung des Produkts eingestellt.
Die Schritte zwei und drei können beliebig oft wiederholt werden, bis sich der Kernnutzen des Produkts herauskristallisiert und sich so eine Vision in Worte fassen lässt.
Product Vision Board: Das Template
In der Theorie klingt die Verwendung des Product Vision Board einfach – und auch in der Praxis gibt es nur wenige Hürden, das Modell von Roman Pichler zu verwenden. Die gängige und aktuelle Darstellung stammt von Pichler selbst:
Die fünf Parameter des Boards, das allen Produktbeteiligten entweder digital oder analog zugänglich sein sollte, sind:
- Vision: Welchen Sinn und Zweck verfolgt das Produkt?
- Target Group (Zielgruppe): Wer kauft das Produkt?
- Needs (Bedürfnisse): Warum nutzen die Käuferinnen und Käufer das Produkt?
- Product (Produkteigenschaften): Mit welchen Features, Funktionen und Eigenschaften punktet das Produkt gegenüber seiner Konkurrenz?
- Business Goals (Unternehmensziele): Welche unternehmerischen Ansprüche und Ziele stecken hinter der Produktentwicklung?
Gibt es zu den jeweiligen Spalten mehrere Punkte, empfiehlt Pichler die Priorisierung. Die wichtigste Zielgruppe, das elementarste Bedürfnis, die beste Produkteigenschaft oder das relevanteste Unternehmensziel steht jeweils ganz oben.
Ist das Product Vision Board vollumfänglich ausgefüllt und die Produktvision gefunden, dient es als Grundlage für die Product Owner, um den Product Backlog mit User Stories zu füllen.
Product Vision Board: Beispiel zur Veranschaulichung
Das beste Beispiel stammt vom Schöpfer des Product Vision Boards selbst. Roman Pichlers Vision: „Organisationen helfen, UX-reiche Produkte zu entwickeln.“ Dafür definierte er vor dem Eintritt in die Innovationsphase folgende Inhalte auf dem Vision Board:
- Zielgruppe: Product Owners; Unternehmer bzw. Unternehmerinnen
- Bedürfnisse: Mit einem gemeinsamen Canvas arbeiten können
- Produkt: Web oder Tablet App; die Daten werden an einem zentralen Speicherort verwaltet; einfach in UX-Artefakte zu integrieren; bietet einen Leitfaden und Vorlagen
- Unternehmensziele: Einen neuen Ertragskanal erschließen; unsere Marke entwickeln
Neben dem Unternehmer gibt es aus der Wirtschaft zahlreiche andere Beispiele inhaltsstarker Produktvisionen. Der ein oder anderen Vision lag möglicherweise das Product Vision Board zugrunde:
- Elon Musk, SpaceX: „We're going to land people on Mars by 2025."
- Wikipedia, Online-Enzyklopädie: „Imagine a world in which every single person is given free access to the sum of all human knowledge.”
- Bill Gates, Ex-Microsoft: „A computer on every desk and in every home.”
Die drei berühmten Zitate und Visionen vermitteln jedem Beteiligten einen klaren Eindruck darüber, was das Ziel des zu entwickelnden Produkts ist. Im Falle von Bill Gates, der als Gründer und damaliger CEO von Microsoft 1975 diesen Satz prägte, ist die Vision – zumindest in weiten Teilen der Welt – Wirklichkeit geworden.
Fazit: Hilfreiches Tool, um eine Produktvision zu formulieren
Eine Produktvision im agilen Projektmanagement ermöglicht es allen Beteiligten im Produkt- und Innovationsprozess, ein einheitliches Verständnis für die Sinnhaftigkeit des Produkts und für das gemeinsame Ziel zu erhalten. Das gilt für intern Beteiligte wie für externe Stakeholder und Stakeholderinnen.
Das Product Vision Board hilft dabei mit seiner einfachen und für jeden verständlichen Struktur. Die Verwendung des Modells kann Entwicklerteams vor Fehleinschätzungen zur Wirksamkeit und Notwendigkeit von Produkten bewahren und schärft gleichzeitig den Fokus für die gemeinsame Innovationsarbeit.
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