Woran erkennt man einen guten Webtext? Ganz einfach daran, dass man beim Lesen über den Inhalt nachdenkt, nicht über die äußere Form. Das Stichwort lautet UX Writing: Nutzerfreundliches Texten gehört zu einem der wichtigsten Faktoren für Websites und Apps. Wie Sie Texte schreiben, die eine gute Nutzererfahrung bieten, und warum es mit dem reinen Text nicht getan ist, lesen Sie in diesem Beitrag.

→ Erfahren Sie, welche Optimierungen Sie an Ihrer Website unbedingt vornehmen  sollten [Kostenloses Tool]UX Writing kurz erklärt: Was macht nutzerfreundliche Texte aus?

UX steht für User Experience und UX Writing für die Kunst, Texte so zu gestalten, dass sie wie von selbst für eine positive Nutzererfahrung sorgen. „Wie von selbst“ – das ist der Knackpunkt. Denn UX Writing bedeutet eben gerade, dass nur der Inhalt eines Textes einen Eindruck hinterlassen darf. Sobald jemand beim Lesen über die äußere Form oder den Sprachstil stolpert, hat der Text in Sachen Nutzerfreundlichkeit ein Problem.

Im Grunde ist jedes Wort auf einer Website (oder in einer App) UX Writing. Alle UX-Texte, und sind sie noch so kurz, verfolgen das gleiche Ziel: Menschen intuitiv dorthin zu bringen, wo sie hinwollen.

UX Copy ist also nicht gleichzusetzen mit klassischen Marketingtexten. Diese sind darauf ausgerichtet, ein Produkt oder eine Dienstleistung zu bewerben. UX-Texte hingegen begleiten uns vom ersten bis zum letzten Klick auf einer Website. Ihr Zweck ist es nicht primär zu überzeugen, sondern zu helfen – gewissermaßen als Wegweiser.

Hier kommt die sog. Microcopy ins Spiel: Textschnipsel, welche die Navigation durch die Seite oder Anwendung natürlich erscheinen lassen (sofern richtig eingesetzt). Ein Beispiel:

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Bild: Wizion.de

Theoretisch könnte diese Microcopy auch lauten: „Klicke hier zum Weiterlesen“ oder „mehr“. Das wäre allerdings nicht sinnvoll, denn mit „Weiterlesen“ ist bereits alles gesagt.

UX Writing will gelernt sein: Denn sich mit vielen Worten auszudrücken, ist zwar leicht – doch die stehen oft nicht zur Verfügung. Besonders knifflig wird es, wenn für die Copy gerade einmal ein paar Worte oder wenige Zeilen verfügbar sind. Damit Sie für längere und kürzere Texte gleichermaßen gerüstet sind, geben wir Ihnen hier 5 Tipps für UX Writing!

1. Text und grafische Gestaltung gehören zusammen

„Die Form folgt der Funktion“ lässt sich als Leitsatz nicht nur in der Architektur anwenden, sondern genauso beim UX-Texten. Zuerst kommt stets die Frage, was der Text bezwecken soll – und erst danach die grafische Aufbereitung.

Sofern möglich, sollte die Textarbeit also immer der erste Arbeitsschritt sein. Allzu feste Layout-Vorgaben lassen wenig Spielraum für den Text, und das kann in Sachen Nutzerfreundlichkeit zum Nachteil werden.

Das soll nicht heißen, dass mit dem „perfekten Text“ schon alles erledigt ist. Im Gegenteil, optische Auflockerung ist gefragt, u. a. durch

  • genügend Weißraum

  • Infografiken

  • Tabellen

  • Aufzählungen

  • Tools

Achten Sie bei der Gestaltung ganz besonders auf die Blickführung, denn auch dabei sind Text und Design keine separaten Einheiten. Sehen wir uns an, was passiert, wenn die beiden Komponenten nicht aufeinander abgestimmt sind:

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Bild: Screenshot Fahrplaninformation auf oebb.at

Wer eine Ermäßigung für diese Fahrt angeben möchte, kann das unter „Wer fährt?“ tun. Das erschließt sich aber nicht sofort – theoretisch könnte bei diesem Feld einfach nur die Personenzahl gemeint sein. Offensichtlicher wäre eine Formulierung wie „Personenzahl und Ermäßigung“, doch dafür reicht der Platz wohl nicht.

Wenn wir nun dieses Feld anklicken, sehen wir Folgendes:GA_hubspot-3 (1)

Bild: Screenshot Fahrplaninformation auf oebb.at

Nun können wir zwar eine Ermäßigung angeben und die Formulierungen an sich sind relativ unmissverständlich. Die Blickführung jedoch ist sprunghaft. Nach rechts, nach unten, dann wieder ganz nach oben: Aufgrund der farblichen Gestaltung kann leicht das Feld „Übernehmen“ übersehen werden – intuitive Benutzung sieht anders aus.

Fazit: Der simpelste Text kann kompliziert werden, wenn es an der visuellen Aufbereitung hapert und andersherum. Text, Anordnung, Farbkonzept, Unterbrechungen – all das spielt in UX Writing mit hinein.

2. Verständlichkeit muss Priorität haben

Sobald beim Lesen eine „Ja, aber“-Frage aufkommt, hat der UX-Text ein Verständlichkeitsproblem. Diese Faustregel sollten Sie im Hinterkopf behalten, ebenso wie die Tatsache, dass die wenigsten Menschen einen Webtext vollständig lesen. Wie eine Studie der Nielsen Norman Group ergab, werden Inhalte meist gescannt, wobei der Blick einem bestimmten Muster folgt.

Denken Sie an einen Roman: Diese Textgattung ist oft „nur“ in Kapitel unterteilt, eben weil es um die Leseerfahrung als Genuss geht. Bei Webtexten herrscht das genaue Gegenteil: Hier dürfen Sie sich nicht auf ungeteilte Aufmerksamkeit und sorgfältiges Wort-für-Wort-Lesen verlassen – die Leser/innen haben vermutlich wenig Zeit und noch weniger Geduld.

Sie müssen also dafür sorgen, dass der Text leicht zu scannen ist. Dabei spielt (siehe oben) einerseits die optische Gestaltung eine Rolle und andererseits die verwendete Sprache. Leichter zugänglich wird ein Text durch …

  • Aktiv statt Passiv

  • direkte Anrede statt unpersönlichen Formulierungen mit „man“ etc.

  • weniger Fachjargon

  • kurze Sätze (10–13 Wörter)

  • kurze Absätze

  • korrekt angepasste Keywords in SEO-Texten, d. h. „Doppelbett aus Zirbe“ statt „Doppelbett Zirbe“ oder „Karriere-Website“ statt „Karriere Website“

  • Kürzen von doppelten Aussagen

  • weniger Wortwiederholungen

  • Ziffern statt Zahlwörtern („5 Tipps“ statt „Fünf Tipps“)

  • Fetten von wichtigen Begriffen oder Passagen

Selbstverständlich hängt es ganz von der Zielgruppe ab, welcher Stil angebracht ist. Komplexe Formulierungen sind nicht automatisch ein No-Go. Dennoch: In vielen Fällen sind sprachliche Umwege gar nicht nötig oder gar kontraproduktiv.

Wie würden Sie beispielsweise diesen Absatz einschätzen?

GA_hubspot

Bild: Wollmichsau.de

Die Formulierung ist fehlerfrei – jedoch umständlich zu lesen. Der „Übeltäter“ ist in diesem Fall der Nominalstil. Im Verbalstil umformuliert, könnte der erste Satz lauten:

Die Kernidee des ‚Multipostings‘ liegt darin, Eure Arbeit zu vereinfachen: Trotz geringerem Aufwand werden die Stellenausschreibungen mehrfach veröffentlicht.“

Derartige Formulierungsfragen sind natürlich immer auch eine Stilfrage. Es soll hier nicht darum gehen, die eine Variante über die andere zu stellen. Wichtig ist allein das Fazit: Überlegen Sie grundsätzlich, ob und inwiefern Sie Texte (noch) verständlicher machen können.

3. Der Tonfall muss zur Zielgruppe passen

Wie gerade angeklungen, entscheidet die Zielgruppe maßgeblich darüber, wann ein Text nutzerfreundlich ist. Die Kunst beim UX-Texten ist es, exakt den Tonfall und die Ausdrucksweise zu finden, die das Publikum erwartet.

Das muss gar nicht zwingend kompliziert sein. Bei der Ticketbuchung der Deutschen Bahn findet sich zum Beispiel folgende Formulierung:

GA_hubspot-Jun-29-2020-12-54-05-27-PM (1)

Bild: Screenshot von Bahn.de

„Ist mein Zug pünktlich?“ ist eine Frage, die sich wohl so ziemlich alle Bahnreisenden schon gestellt haben – und in dieser Form automatisch ansprechender als „Pünktlichkeit“.

Grundsätzlich lohnt es sich in solchen Fällen, mit A-B-Testing mehrere Varianten auszuprobieren. So sehen Sie schwarz auf weiß, welche Formulierung besser ankommt.

4. Microcopy darf nicht zu kurz kommen

Je weniger Text, desto schwieriger ist es, den perfekten Ausdruck zu finden. Vielleicht haben Sie diese Erfahrung selbst schon gemacht, etwa bei:

Fehlermeldungen sind eins von vielen Beispielen dafür, dass UX-Texten nicht so einfach ist, wie man glauben mag. Sie kennen bestimmt das klassische „Es ist ein unerwarteter Fehler aufgetreten“. Diese Information allein hilft aber niemandem weiter, sondern wirft nur weitere Fragen auf: Was muss ich jetzt tun? Kann ich überhaupt etwas tun? Und…welcher Fehler wäre denn erwartet gewesen?

Um es kurz zu machen: UX-optimierte Microcopy hilft Nutzer/innen, etwas Bestimmtes auf der Website zu tun, ohne dabei Fragen stellen zu müssen. Gut gelöst ist das bei Netflix:

GA_hubspot-Jun-29-2020-12-54-05-49-PM (1)

Bild: Netflix.de

In nicht einmal 50 Wörtern finden Interessierte alle relevanten Informationen:

  • keine Bindung

  • keine Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl von Medien

  • ein kostenloser Probemonat

  • nur ein Handlungsschritt ist nötig (E-Mail-Adresse angeben)

Sie sehen schon: Es kommt bei UX Writing nicht allein darauf an, was in längeren Fließtexten steht. Ebenso wichtig sind alle Texte, die auf den ersten Blick nur das „Mittel zum Zweck“ sind.

5. UX Copy ist ein Dialog

Nutzerzentrierte Texte ermöglichen es, sich intuitiv durch eine Website (oder App) zu bewegen. Beim Texten ist es allerdings nicht immer leicht, den Handlungsablauf richtig einzuschätzen. An welcher Stelle gerät die Nutzererfahrung ins Stocken? Wo bleibt vielleicht etwas unklar?

Halten Sie sich im Zweifelsfall an das Frage-Antwort-Prinzip. Denn im Grunde ist ein UX-Text wie ein Dialog: Jemand tritt mit bestimmten Fragen, Bedenken, Wünschen etc. an Ihre Inhalte heran und erwartet Antworten. Wenn Sie diese Antworten liefern und Zweifel ins Gegenteil umkehren können, haben Sie alles richtig gemacht.

Um beim vorherigen Beispiel zu bleiben: Wie setzt Netflix dieses Dialogprinzip um?

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Bild: Screenshot "Häufig gestellte Fragen" auf Netflix.de

Die Anordnung dieser Fragen folgt der Denkweise von interessierten Besucher/innen: Was bietet Netflix konkret an? (Übersetzt: Ist das was für mich?) Was kostet das? Wie komme ich aus meinem Abo wieder heraus, wenn es mir nicht gefällt?

Nutzerfragen sind übrigens über die Google-Suchergebnisse (SERPs) relativ leicht zu finden. Im Idealfall gibt es dort eine „Nutzer fragen auch“-Box, aus der Sie relevante Fragestellungen direkt übernehmen können, so wie hier:

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Bild: Google-Suchergebnisse für „content marketing“ (22.06.2020)

Was war das beste Verkaufsgespräch, das Sie selbst je erlebt haben und warum? Stellen Sie sich beim UX-Texten immer wieder einmal diese Frage. Das hilft oft schon, (zurück) auf den richtigen Weg zu finden und zu erkennen, an welcher Station Sie die Nutzer/innen gerade abholen müssen.

Fazit: UX Writing ist Feinarbeit

Auf der einen Seite ist UX Writing eine simple Angelegenheit. Genau die richtigen Inhalte an genau der richtigen Stelle liefern – das bisschen Texten kann doch nicht so schwer sein, oder?

Damit sind wir schon auf der anderen Seite, nämlich der Praxis. Wer sich schon einmal am UX-Texten versucht hat, weiß: Wirklich simpel ist nichts daran.

Denn es geht nicht nur darum, einen einigermaßen informativen Text zu schreiben – das ist nur die Basis. Nutzerfreundlichkeit verlangt nach 

  • Harmonie von textlichen und grafischen Inhalten

  • fehlerfreier Sprache

  • unmissverständlichem Vokabular

  • einwandfreiem Lesefluss dank unkomplizierten Satzstellungen, korrekter Interpunktion etc.

  • logischem Aufbau

  • sinnvoller Prioritätensetzung – was ist für Nutzer/innen wichtig, was möchte man nur selbst gerne anbringen?

Wer all diese Faktoren optimal umsetzen will, braucht ein Auge fürs Detail. Vergessen Sie nicht: Was für Sie als Verfasser/in ganz logisch erscheinen mag, ist für Außenstehende womöglich schwer nachvollziehbar. Wenn möglich, sollte deshalb immer eine zweite Person den Text korrigieren und ggf. auf Unklarheiten hinweisen.

Beim UX Writing geht es darum, die Bedürfnisse echter Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und ihnen Inhalte möglichst leicht zugänglich zu machen. Unterschätzen Sie diese Aufgabe nicht, denn wie so oft steckt hinter dem vermeintlich simplen Ergebnis doch einiges an Arbeit. Arbeit, die sich auszahlt – denn eine gute Nutzererfahrung hat nun wirklich noch nie geschadet!

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Titelbild: Unseen Studio / Unsplash

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Ursprünglich veröffentlicht am 14. Juli 2020, aktualisiert am März 31 2023

Themen:

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