Vollkommener Markt: Bedingungen, Merkmale und Beispiel

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Stephan Sandhaus
Stephan Sandhaus

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Stellen Sie sich einen Wochenmarkt vor, bei dem Sie bei jedem Verkaufsstand dieselben Produkte zum annähernd gleichen Preis bekommen. Wie entscheiden Sie sich für einen Anbieter? Und wer reguliert den Preis? Diese Fragen beschäftigen die Wirtschaftstheorien seit jeher. Eine Erklärung bietet das Modell des vollkommenen Marktes, bei dem komplette Markttransparenz herrscht und die Preisgestaltung ausschließlich über Angebot und Nachfrage reguliert werden.

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Wann genau von einem vollkommenen Markt gesprochen wird, welche Merkmale er besitzt und ob er tatsächlich existiert, klären wir hier. 

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Da der vollkommene Markt in der Realität nicht existiert, bildet der unvollkommene Markt sein praktisches Gegenstück.

Was muss für einen vollkommenen Markt gegeben sein?

Das Modell des vollkommenen Marktes dient der Beschreibung gesamtwirtschaftlicher Überlegungen und der Untersuchung von unvollkommenen Märkten. Die Kriterien, die für einen vollkommenen Markt vorherrschen müssen, zeigen, warum er in der Realität keine Existenz findet: Es muss vollkommene Markttransparenz herrschen ohne sachliche, zeitliche, räumliche und persönliche Unterschiede. Nur dann kann jedes Gut mit einheitlichem Preis angeboten werden. 

Homo oeconomicus: Der rationale Agent am Markt

Im vollkommenen Markt handeln Menschen ausschließlich nach dem Prinzip des Homo oeconomicus, weshalb sich ein ideales Gleichgewicht im Markt einstellt. Persönliche Motivation oder Gründe beeinflussen das Marktgeschehen hingegen nicht.

Möchte ein Konsument oder eine Konsumentin beispielsweise einen neuen Laptop kaufen, so darf das Aussehen des Gerätes laut Modell des Homo oeconomicus, auch rationaler Agent genannt, keine Rolle spielen. Denn in diesem Fall wäre der Kauf persönlich motiviert und nicht rational. Laut dieser Theorie sind Menschen ausschließlich wirtschaftliche angetrieben, ästhetische oder gesellschaftliche Aspekte fallen nicht ins Gewicht. 

Vollkommener Markt: Diese 5 Merkmale müssen alle erfüllt sein 

Gleichheit für alle: Unter diesem Motto existiert das Modell des vollkommenen Marktes. Für Käufer und Käuferinnen bedeutet das, dass sie überall dieselben Produkte kaufen können – jedoch dürfen sie sich nicht von persönlichem Geschmack oder Empfehlungen leiten lassen. Unternehmen haben auf dem vollkommenen Markt kaum Eintrittsbarrieren; sie dürfen ihre Produkte jedoch auch nicht durch Qualitätssiegel oder besondere Funktionen hervorheben. 

Der vollkommene Markt zeichnet sich durch fünf verschiedene Merkmale aus. Weshalb sie wichtig sind und welchen Einfluss sie auf das Marktgeschehen haben, wird nachfolgend erläutert.

1. Es existieren viele Nachfrager und Anbieter

Steht in der Wirtschaft viel Nachfrage viel Angebot gegenüber, so wird vom Polypol gesprochen. Das Gegenteil wäre ein Monopol, bei dem es nur ein Anbieter für viele Nachfragende gibt.

Das Besondere beim vollkommenen Markt ist, dass keinerlei persönliche, zeitliche, räumliche oder sachliche Präferenzen vorliegen – weder auf Angebots- noch auf Nachfrageseite

2. Alle Marktteilnehmer handeln ausschließlich rational

Ein idealer Markt kann nur dann existieren, wenn alle Marktteilnehmer nutzenmaximierend – also nach dem Prinzip des Homo oeconomicus – agieren. Wie bereits im ersten Punkt beschrieben, gibt es keinerlei weitere Präferenzen.

Alleiniges Merkmal, das über den Kauf entscheidet, ist der Preis. Wird beispielsweise ein Brot für zwei Euro und eines für einen Euro angeboten, entscheidet sich der rationale Marktteilnehmer für das günstigere Angebot. 

3. Es herrscht völlige Markttransparenz 

Die Voraussetzung dafür, dass alle Marktteilnehmer und Marktteilnehmerinnen rational handeln können, ist eine vollständige Markttransparenz. Das bedeutet, dass jede Person Einsicht in vorherrschende Preise hat. Versteckte Kosten oder Preise entsprechen nicht den Rahmenbedingungen des vollkommenen Marktes. 

4. Es herrscht Homogenität aller Güter

In einem vollkommenen Markt werden darüber hinaus nur gleiche Produkte beziehungsweise Güter angeboten. Güter werden als homogen bezeichnet, wenn sie leicht austauschbar sind.

Verpackung, Optik oder andere Faktoren, die Produkte von anderen abgrenzen, werden im idealen Markt ausgeschlossen. Als reales Beispiel für homogene Güter werden häufig Aktien, Rohöl und Banknoten angeführt. 

5. Alle Marktteilnehmer können schnell reagieren

Treten Änderungen auf dem Markt auf, so können in einem idealen Markt alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen schnellstmöglich darauf reagieren. Das setzt auch voraus, dass es keinerlei räumliche oder zeitliche Einschränkungen gibt. Aktienkurse beschreiben in der realen Welt eines der wenigen Beispiele, bei dem diese Prämisse erfüllt werden kann.

Doch selbst Börsenkäufe werden mit zunehmender Wichtigkeit einer stabilen Internetverbindung von geografischen Voraussetzungen begleitet. Ein weiteres Beispiel ist der Wochenmarkt, bei dem jede Person über Angebote informiert wird, da Marktschreier und Marktschreierinnen diese laut verkünden. 

Preisbildung: Vollkommener Markt dient als Grundlage 

Für die Erklärung der Preisbildung ist der vollkommene Markt ein wichtiges Grundgerüst. Ideale Marktverhältnisse herrschen aus Sicht der Wirtschaftstheorie nämlich dort, wo das Angebot genauso groß ist wie die Nachfrage. Das bedeutet auch, dass Verkäufer, die einen Preis anbieten, der über dem markttypischen Angebot liegt, keine Abnehmer finden werden. 

Die Preisbildung findet statt, sobald sich Angebots- und Nachfragekurve überschneiden. In diesem Fall tritt der Gleichgewichtspreis ein. Um die Nachfragekurve zu erreichen, müssen Unternehmen wiederum genau die Menge produzieren, die gefragt ist. Abhängig ist dies jedoch auch von den Grenzkosten. Die Grenzkosten bezeichnen den Preis für eine Mengeneinheit. Eine höhere Menge ist logischerweise teurer in der Produktion als eine niedrige. 

Unternehmen bieten ihre Produkte folglich zum Grenzpreis an, um die maximale Menge ihres Produktes verkaufen zu können. Mit diesem Preis lässt sich jedoch kein Gewinn erwirtschaften, weshalb alle Marktteilnehmer ausschließlich nutzenmaximierend agieren. 

Die Käuferschaft in einem vollkommenen Markt ist ebenfalls allein darauf getrimmt, Produkte zu angemessenen Preisen zu kaufen. Nur so kann der Nutzen maximiert werden. Für das Verständnis der Preisbildung ist die Theorie des vollkommenen Marktes deshalb ganz entscheidend. 

Was ist der Unterschied zwischen vollkommenen und unvollkommenen Markt?

Dass ein idealer Markt in der Realität nicht anzutreffen ist, zeigen bereits die definierten Merkmale. Der vollkommene Markt dient daher rein als theoretisches Modell. Sobald eines der Merkmale nicht zutrifft oder erfüllt werden kann, wird vom unvollkommenen Markt gesprochen.

Auf einem unvollkommenen Markt existieren persönliche Präferenzen, werden nicht ausschließlich gleichartige Güter gehandelt, haben Zeit und Raum einen wesentlichen Einfluss aufs Marktgeschehen, herrscht keine vollständige Markttransparenz, treten Angebot und Nachfrage in unterschiedlichen Marktarten auf (Monopol, Oligopol, Monopson oder Polypol).

Der unvollkommene Markt: Theorie trifft auf Praxis

Sowohl auf Seite der Verkäuferinnen und Verkäufer als auch aus Sicht der Kundschaft ergeben sich durch den unvollkommenen Markt einige Vorteile. So haben Unternehmen beispielsweise die Möglichkeit, das Design, den Preis und die Eigenschaften ihres Produktes selbst zu bestimmen.

Für Kundinnen und Kunden bedeutet dies, dass sie sich ein Produkt aussuchen können, das ihren persönlichen Vorstellungen entspricht. Durch Marketing und Werbemaßnahmen kreieren Unternehmen ein Produkt, das sich ganz bewusst aus der Masse hervorhebt, nämlich, um eine hohe Begehrlichkeit bei der Käuferschaft zu erzeugen. 

Ein einfaches Beispiel zweier Softwarehersteller verdeutlicht, warum in der Realität nur unvollkommene Märkte herrschen: 

Unternehmen A bietet eine CRM-Software an, die speziell für das Vertriebsteam entworfen wurde. Dank der Automatisierung von Deal-Phasen haben Mitarbeitende stets einen Überblick über ihre Geschäftsabschlüsse. Mit dem Produkt hat das Unternehmen eine Nische besetzt, die bisher auf dem Markt der CRM-Software nicht beachtet wurde. 

Unternehmen B bietet ebenfalls eine CRM-Plattform an, die die Synergie zwischen Marketing, Vertrieb und Kundenservice hebeln soll. Die Software besitzt keine Funktionen, die speziell auf ein Team zugeschnitten sind, sondern jedem Angestellten die gleichen Voraussetzungen für den Kundenkontakt bietet. 

Obwohl es sich bei beiden Produkten um ähnliche Güter handelt, sind sie keinesfalls homogen. Während sich ein Team mit starkem Sales-Fokus eher für die erste Software entscheiden wird, greift ein Team, das eine Schnittstelle unter den Abteilungen schaffen will, zur zweiten Lösung. Somit agiert auch die Kundschaft keinesfalls nutzenmaximierend, sondern entscheidet sich für die Lösung, die besser zu ihren spezifischen Anforderungen passt. 

Vollkommene Konkurrenz im idealen Markt am Beispiel erklärt

In einem vollkommenen Markt herrscht ein vollständiger Wettbewerb, auch vollkommene Konkurrenz genannt. Was bedeutet das? Ebenso wie der ideale Markt dient auch das Modell der vollkommenen Konkurrenz als theoretisches Modell, um die Wechselwirkungen zwischen Angebot und Nachfrage zu untersuchen. Die Kriterien des vollkommenen Marktes sind daher die Grundvoraussetzung. 

Hinzu kommt, dass für jeden Marktteilnehmer nicht nur vollständige Markttransparenz herrscht, sondern, dass die Person auch zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort ungehindert dem Marktgeschehen beitreten kann. Da der Markt aus vielen verschiedenen Anbietern und Nachfragenden besteht, ergibt sich der Preis allein aus der Wechselwirkung. Das Gegenteil der vollkommenen Konkurrenz, das Polypol, ist das Monopol, bei dem es nur ein Angebot für viele Nachfragende gibt. 

Für Unternehmen bedeutet vollkommene Konkurrenz, dass sie mit ihren Produkten leicht in den Markt eintreten können. Das Problem ergibt sich jedoch beim Absatz: Wenn nämlich alle Produkte gleich sind, ist der einzige, veränderbare Faktor, der Preis. Senken Unternehmen ihren Preis, um neben der Konkurrenz Bestand zu haben, verringern sie jedoch ihren Gewinn. 

Denken Sie beispielsweise an Schokolade: Zwei Unternehmen bieten Schokoladen-Tafeln an, die vollkommen gleich aussehen und auch in der Zusammensetzung identisch sind. Der Homo oeconomicus entscheidet sich in diesem Fall für die günstigere Schokolade. Empfiehlt ihm eine Freundin jedoch die teurere Schokolade, weil diese besonders gut schmeckt, agiert er nicht mehr rational. Der Markt wäre folglich nicht mehr vollkommen. 

Existiert ein vollkommener Markt? Beispiel Börsenmarkt

Der Börsenmarkt wird immer wieder als Beispiel angeführt, wenn es um die Beschreibung des vollkommenen Marktes geht. Warum er jedoch nur als Annäherung und nicht als vollständige Erfüllung gesehen werden kann, wird nachfolgend genauer erläutert. 

Anlegerinnen und Anleger agieren persönlich motiviert

Zweifelsohne existieren an der Börse eine Vielzahl von Angeboten und auch die Kundschaft ist breit aufgestellt. Die Informationen der Börse sind ohne zeitliche oder räumliche Ausnahme verfügbar und ermöglichen den Teilnehmenden daher ideale Voraussetzungen. 

Anlegerinnen und Anleger kaufen Wertpapiere vor allem basierend auf ihrer Anlagestrategie. Vollkommen ausgeschlossen werden können persönliche Präferenzen dabei jedoch nicht. So boomen beispielsweise grüne Aktienpapiere.

Die Anleger und Anlegerinnen reagieren damit auf die Klimakrise und kaufen Aktien auch basierend auf persönlichen Interessen ein. Auch Börsenspekulanten können sich deshalb nicht davon freisprechen, nach persönlichen Motiven zu agieren. 

Ein Beispiel dafür zeigt auch die Explosion der Gamestop-Aktie, die von den Tradern künstlich in die Höhe getrieben wurde. Das Anlegen war jedoch keinesfalls nur rational begründet: Stattdessen versuchten junge Anleger und Anlegerinnen Shortsellern das Leben an der Börse schwer zu machen. Auf der Plattform Reddit wurde dazu aufgerufen, Papiere von Gamestop zu kaufen, da die Firma immer wieder drohte, kurz vor der Insolvenz zu stehen, und bekannt wurde, dass Shortseller die Aktie absichtlich manipulierten. Daher ist auch der Börsenmarkt nicht wirklich transparent.

Broker schmälern Homogenität der Güter

In so gut wie keinem Markt kann von einer Homogenität der Güter gesprochen werden. Als Ausnahme werden zwar immer wieder Aktien beziehungsweise der Börsenmarkt angeführt, allerdings wird der Ansatz nur in Teilen erfüllt. Die Produkte an der Börse sind ähnlich, jedoch in keinem Fall gleich. So unterscheiden sich Wertpapiere in Preis, Wachstum und Rendite. 

Hinzu kommt, dass die meisten Börsenteilnehmer über einen Broker mit dem Markt interagieren. Diese unterscheiden sich in den Kosten teilweise erheblich, was ebenfalls die Homogenität der Güter herabstuft. 

Die Apple- oder Amazon-Aktie mit Nel ASA-Wertpapieren zu vergleichen, käme bei Börsianern ebenfalls einem haareraufenden Vergleich nahe. Selbst die Markttransparenz kann durch die Gebühren der Broker angezweifelt werden. 

Unerfüllte Bedingungen: Vollkommener Markt bleibt unrealistisch

Die meisten realen Märkte erfüllen die Bedingungen des vollkommenen Marktes nur bedingt. Daher bleibt er ein theoretisches Modell, das in der Wirtschaftswissenschaft eingesetzt wird, um die Beziehungen zwischen Nachfrage, Angebot und Preisbildung zu beschreiben. Sobald ein Merkmal nicht erfüllt wird, wird vom unvollkommen Markt gesprochen. 

Besonders nah an die Utopie kommt jedoch der Börsenmarkt. Neben vielen Marktteilnehmern und -teilnehmerinnen herrscht eine gewisse Markttransparenz und die Güter sind annähernd gleich.

Dennoch kaufen selbst Börsianer Wertpapiere aufgrund von Empfehlungen, persönlichen Vorlieben und Schnäppchen-Angeboten. Zudem zeigt zuletzt das Beispiel der Gamestop-Aktie, dass auch an der Börse viele Winkelzüge und intransparente Geschäfte ablaufen, von denen normale Trader nur bedingt erfahren.

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Titelbild: megaflopp / iStock / Getty Images Plus

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