Ein neues, junges und dynamisches Teammitglied kommt auf Sie zu und schlägt Ihnen ein Konzept vor, von dem er oder sie überzeugt ist und dafür brennt. Sie sehen es sich an und denken: „Hmmm, nein, das können wir so nicht machen” oder „Nein, das funktioniert so nicht bei uns” oder „Das wird niemals klappen”.
Wenn Sie neue Ideen mit derartigen Argumenten sofort abwiegeln, dann sollten Sie nochmals intensiv darüber nachdenken. Wie es scheint, leiden Sie unter Betriebsblindheit – und die ist unter Umständen gefährlich für Ihr Business.
Was bedeutet Betriebsblindheit?
Wenn Sie an betrieblichen Routinen festhalten, wenig bis keine Selbstkritik üben und ungern über den „Tellerrand” schauen, handelt es sich dabei um eine sogenannte Betriebsblindheit. Ihr Unternehmen, seine Abläufe und Ihre erlernte, routinierte Arbeit stehen im Fokus – Neuerungen oder Veränderungen werden von Ihnen kritisch betrachtet oder abgewiegelt.
Was macht eine Routine aus?
Eine Routine ist eine Handlung, zum Beispiel eine Aufgabe bei Ihrer Arbeit, deren Ablauf Sie tief verinnerlicht haben. Er ist so fest in Ihnen drin, dass Sie wenig darüber nachdenken müssen. Die Routine wird sinnbildlich abgespult und zu einer Gewohnheit.
Es ist für Sie zum Beispiel seit 20 Jahren Usus, jeden Tag um 11 Uhr neue Angebote per Fax zu versenden. Dieser Vorgang hat sich eingebrannt und Sie denken nicht darüber nach, diese Arbeitsweise zu verändern – sie hat sich schließlich jahrelang bewährt.
Warum ist Routine gefährlich?
Eine Routine muss nicht per se etwas Schlechtes sein. Wenn Sie sich über Jahre eine gute Arbeitsweise angeeignet haben und die benötigten Vorgänge quasi im Schlaf beherrschen, ist das eigentlich etwas Gutes. Das zeigt, dass Sie die Abläufe meistern und die Routine damit ein solides Fundament Ihrer Arbeit darstellt.
Doch Routinen sind etwas Starres. Sie halten dabei an Gewohnheiten fest, weil „man das schon immer so gemacht hat” oder „weil die Abläufe seit 20 Jahren so funktionieren”. Das bedeutet, Sie entwickelten durch die Routine Scheuklappen. Ein Fehler, denn derart verschließen Sie sich gegenüber Anpassungen und Veränderungen.
Eine Betriebsblindheit kann dazu führen, dass Sie sowie andere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen den Wandel der Zeit nicht mitbekommen. Dadurch entsteht die Gefahr, dass Ihr Unternehmen den Anschluss im globalen Wettbewerb verliert, weil es die Marktpotentiale nicht ausschöpft.
Zudem sorgen Routine und Betriebsblindheit für das ständige Wiederholen bekannter Abläufe. Die Aufgaben werden derart schnell monoton und damit langweilig. Das senkt die Arbeitsmotivation, was sich unter anderem negativ auf die Effizienz auswirkt.
Wie kann Betriebsblindheit abgewehrt werden?
Um negative Routinen und die Betriebsblindheit abzulegen, gibt es verschiedene Maßnahmen. Wenden Sie zum Beispiel diese Tipps an:
Selbstkritik
Fragen Sie sich regelmäßig, ob Ihre Arbeitsweise mit den damit verbundenen Arbeitsweisen wirklich gut und zeitgemäß sind. Manchen Branchen unterliegen schnellen und radikalen Veränderungen, an die Sie und andere Mitarbeitenden sich anpassen sollten.
Selbstkontrolle
Um der Betriebsblindheit entgegenzuwirken, kontrollieren Sie Ihre eigenen Abläufe und die Arbeit an sich in Ihrem Unternehmen. Überprüfen Sie auch, ob diese noch effizient sind.
Feedback
Befragen Sie Ihre Kollegen und Kolleginnen, ob sie gewisse Routinen und Prozesse noch für gut und zeitgemäß halten. Seien Sie offen für Kritik und Verbesserungsvorschläge, um Fehler zu finden und Betriebsblindheit auszuschließen.
Consulting
Beauftragen Sie externe Dienstleister, beispielsweise Berater oder Beraterinnen, um Ihr Unternehmen oder Ihre Abteilung zu „durchleuchten”. Lassen Sie diese mit ihrer externen Sichtweise die internen Abläufe untersuchen. Seien Sie auch hier offen für Feedback.
Tools
Gewohnheiten können Sie unterbrechen, indem Sie zum Beispiel manuelle Abläufe digitalisieren oder indem Sie digitale Tätigkeiten automatisieren. Ihnen werden so Routinen abgenommen und Sie bekommen die Chance, sich neuen Dingen zu öffnen.
Fortbildung
Lesen Sie Fachmagazine, besuchen Sie Messen und Kongresse, nehmen Sie an Webinaren und Weiterbildungen teil. Damit öffnen Sie Ihren Geist und bekommen frischen Input. Das sorgt für neue Denkansätze und reduziert die Betriebsblindheit.
Neuanstellungen
Machen Sie sich stark dafür, dass regelmäßig neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eingestellt werden, gerne auch branchen- und fachfremde Personen. Diese bringen frischen Wind in Ihr Unternehmen.
Vision
Nehmen Sie mindestens einmal pro Jahr Ihr Mission und Vision Statement zur Hand. Überdenken Sie die Aussagen und passen Sie sie eventuell an. Und verändern Sie eingefahrene Abläufe, um Mission und Vision zu erreichen.
Scheiterkultur
Routinen helfen, um Fehler zu verringern, weil beispielsweise Abläufe standardisiert werden. Doch Fehler und auch ein Scheitern sind gut, um (radikale) Veränderungen zu bringen. Öffnen Sie sich für Think Tanks und etablieren Sie eine Scheiter bzw. Fehlerkultur. Setzen Sie sich dafür ein, dass jeder Mitarbeitende experimentieren darf und dass erfolglose Versuche in Ordnung sind.
Beispiele für Betriebsblindheit
In der Automobilindustrie wurde über Jahrzehnte die Entwicklung und Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren bis ins letzte Detail optimiert und in Prozesse gezwängt. Darum herum entstand eine riesige Zulieferer-Industrie, die ebenso darin routiniert war, die Anforderungen zu erfüllen. Es herrschte Betriebsblindheit, weil die gesamte, gut geschmierte „Maschinerie” funktionierte.
Doch Start-ups wie Tesla, der Klimawandel, die Politik und auch der Wille der Konsumenten und Konsumentinnen veränderten in kurzer Zeit vieles radikal. Die Unternehmen und ihre Mitarbeitenden der „Old Economy” kämpfen nun damit, die alten Gewohnheiten zu durchbrechen. Sie stehen vor gewaltigen Herausforderungen, das fest gefahrene Mindset wie auch etablierte Abläufe zu durchbrechen.
Das gelingt unter anderem durch externe Beratung, durch die Einstellung neuer Mitarbeitenden mit neuen Skills sowie durch die Fortbildung der bestehenden Belegschaft. Damit einher geht zum Beispiel, dass die Konzepte von den „jungen Wilden” eben nicht mehr mit einem „Das geht nicht, weil… “ sofort abgetan wird. Denken Sie darüber nach, seien Sie offen – und dann führen Sie erst eine Wirtschaftlichkeitsanalyse durch.
Titelbild: Paula Daniëlse / iStock / Getty Images Plus