Gefährdungsbeurteilungen ermöglichen Unternehmen vorausschauend Gefährdungen zu erkennen und rechtzeitig zu beheben, bevor sie zu einer ernsthaften Gefahr werden. Im Mittelpunkt stehen die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmenden.
Passiert ein Betriebsunfall mit Personenschaden oder tritt ein Störfall ein, der auch unbeteiligte Personengruppen betrifft, sind der finanzielle Schaden sowie der Imageschaden für Ihr Unternehmen groß. Folgende Punkte müssen Sie beachten, um eine rechtssichere Gefährdungsbeurteilung zu erstellen.
Was ist eine Gefährdungsbeurteilung?
Die Gefährdungsbeurteilung bildet die Basis des betrieblichen Handelns aus Sicht des Arbeitsschutzes. Sie ist die Grundlage für ein systematisches Sicherheits- und Gesundheitsmanagement in Organisationen. Im Fokus der Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz steht die Beurteilung der Arbeitsbedingungen inklusive aller relevanten Gefährdungsfaktoren.
Zu den Gefährdungsfaktoren zählen:
- mechanische Gefährdungen
- elektrische Gefährdungen
- thermische Gefährdungen
- Gefährdungen durch physikalische Einwirkungen
- Gefahrstoffe
- Gefährdungen durch biologische Arbeitsstoffe
- Gefährdungen durch Arbeitsumgebungsbedingungen
- psychische Faktoren
- die Arbeitszeitgestaltung
- Gefährdungen durch physische Belastung
Durchführung der Gefährdungsbeurteilung in 7 Schritten
Die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung umfasst in der betrieblichen Praxis sieben Schritte, die vollständig zu durchlaufen sind. Spezialsoftware erleichtert die Erfassung der Gefährdungsfaktoren, ihre individuelle Bewertung nach einer zuvor festgelegten Skala sowie die Kontrollen auf Durchführung und Wirksamkeit.
Erfassen Sie die Unternehmensstruktur
Im Rahmen einer Erstbegehung erfassen die Verantwortlichen Arbeitsbereiche und Tätigkeiten inklusive der wichtigsten Schutzmaßnahmen. In einem Protokoll dokumentieren und priorisieren sie die wichtigsten Gefährdungen. Ein daraus resultierender Ist-Soll-Vergleich bildet eine Roadmap für das weitere Vorgehen.
Identifizieren Sie potentielle Gefährdungen
Sämtliche Gefährdungen, die einer beschäftigten Person an einem Arbeitsplatz bzw. einer Maschine begegnen könnten, werden festgehalten. Extrem wichtig ist eine umfassende Erfassung der Umgebungsbedingungen.
Bewerten Sie die Gefährdungen
Sämtliche ermittelten Gefährdungen erhalten eine Bewertung hinsichtlich ihrer Intensität − beispielsweise nach einer A-B-C-Skala oder einer Ampel-Skala in den Farben Rot-Gelb-Grün. Zentrale Bewertungsfaktoren sind die Eintrittswahrscheinlichkeit sowie der Schweregrad einer möglichen Verletzung.
Vereinfachen Sie die Gefährdungsbeurteilungen
Für eine Vereinfachung und damit einhergehende Zeit- und Kostenersparnisse ist es möglich, gleichartige Tätigkeiten und Maschinen zusammenzufassen und innerhalb einer Gefährdungsbeurteilung zu bewerten. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die jeweiligen Umgebungsbedingungen und den Kontext zu berücksichtigen, da diese zu neuen Gefahren und davon ausgehenden Gefährdungen führen können.
Legen Sie konkrete Arbeitsschutzmaßnahmen fest
Die Festlegung konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen kann allein durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder in Kooperation mit den Beschäftigten, die eine Tätigkeit ausführen bzw. eine Maschine bedienen, erfolgen. Beispiele für konkrete Maßnahmen, um Gefährdungen zu vermeiden, sind das Anbringen einer Schutzabdeckung sowie Veränderungen in den Arbeitsabläufen und Lagerbedingungen.
Führen Sie die beschlossenen Maßnahmen durch
Die Durchführung der beschlossenen Schutzmaßnahmen laufen in der Praxis nach dem bewährten T-O-P-Prinzip ab. Zuerst auf technischer, anschließend auf organisatorischer und schließlich auf persönlicher Ebene, z. B. durch das Bereitstellen einer Schutzausrüstung für die betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Kontrollieren Sie die Durchführung und die Wirksamkeit der Maßnahmen
Im Falle eines Unfalls können Unternehmer und Unternehmerinnen aus rechtlicher Sicht haftbar gemacht werden. Arbeitgebende sind verantwortlich dafür, dass sämtliche beschlossenen Maßnahmen durchgeführt werden, d. h. sie stehen in der Verantwortung für die Kontrolle der Wirksamkeit.
Prüfen und aktualisieren Sie die Gefährdungsbeurteilung regelmäßig
Aus Gefährdungsbeurteilungen resultieren Betriebsanweisungen bzw. Arbeitsplatzordnungen, welche die Basis für Unterweisungen von Arbeitnehmenden bilden. Durch eine kontinuierliche Dokumentation und Fortführung der Gefährdungsbeurteilung befinden sich alle wichtigen Dokumente stets auf dem aktuellen Stand.
Wer muss eine Gefährdungsbeurteilung erstellen?
Die Verantwortung, eine fachgerechte und strukturierte Gefährdungsbeurteilung zu erstellen, liegt beim Arbeitgebenden bzw. einer von ihm beauftragten betriebsinternen oder externen Fachkraft für Arbeitssicherheit. Die Umsetzung der Arbeitsschutzmaßnahmen kann nur in enger Kooperation mit den Führungskräften Erfolg haben. Werden Maßnahmen z. B. aus Kostengründen blockiert, laufen Gefährdungsbeurteilungen ins Leere.
Warum Gefährdungsbeurteilung?
Gefährdungsbeurteilungen dienen der rechtlichen Absicherung von Betrieben. Das - infolge der 1992 veröffentlichten europäischen Rahmenrichtlinie für Arbeitsschutz im Jahr 1996 in Kraft getretene Arbeitsschutzgesetz (AbrSchG) verpflichtet Arbeitgebende zur Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen in schriftlicher Form.
Arbeitnehmende sind hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilungen und Betriebsanweisungen zu unterweisen. Jede Unterweisung ist zu dokumentieren und von den teilnehmenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu unterschreiben.
Gefährdungsbeurteilungen und ein damit einhergehendes Sicherheits- und Gesundheitsmanagement in Unternehmen erhöhen ganz allgemein die Zufriedenheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Kommt es zu einem Unfall, kann die arbeitgebende Person gegenüber den Ermittlungsbehörden (Polizei, Staatsanwaltschaft) nachweisen, dass sie ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen ist. D.h. der betroffenen Arbeitnehmerin bzw. dem betroffenen Arbeitnehmer waren die Gefährdungen bekannt.
Wann bzw. wie oft muss eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden?
Vor der Ausführung jeder Tätigkeit bzw. der Benutzung einer Maschine muss, laut ArbSchG, eine Gefährdungsbeurteilung erfolgen und dokumentiert werden. D.h. bei Eintreten folgender Fälle, muss eine Gefährdungsbeurteilung erfolgen:
- bevor Arbeitnehmende mit der Arbeit beginnen
- bei der Neubeschaffung von Arbeitsmitteln
- bei Veränderungen der räumlichen Umgebung
- bei bautechnischen Neuerungen
- nach Umbauten bzw. Erweiterungen der Maschinen
- bei Aktualisierung technischer Richtlinien
Was wird mit einer Gefährdungsbeurteilung nicht ermittelt?
Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung erfolgt eine umfassende Bewertung der Gefährdungen und nicht der tatsächlichen Gefahren. Im Mittelpunkt steht die Möglichkeit, dass ein Schaden oder eine gesundheitliche Beeinträchtigung eintritt − unabhängig von Eintrittswahrscheinlichkeiten und Schadensausmaß. Sichtbare Gefahren bilden lediglich die Basis für eine Beurteilung der Gefährdungen und legen die Rangfolge der Schutzmaßnahmen zur Behebung fest.
Schützen Sie Ihre Mitarbeitenden und sich selbst
Die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen ist ein kontinuierlicher Prozess. Es ist wichtig, dass Sie bei der Umsetzung von Maßnahmen zum Arbeitsschutz mit den größten Gefährdungen beginnen und sich schrittweise vorarbeiten. Im Falle eines Unfalls müssen Sie anhand schriftlicher Dokumentationen nachweisen, dass Sie alle rechtlichen Vorschriften erfüllt haben, um Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an ihrem Arbeitsplatz vor Gefährdungen zu schützen.
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