Mehr eigene Verantwortung, mehr Innovationskraft, mehr unternehmerisches Denken: Das wünschen sich viele Firmen von ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Bei der Umsetzung hapert es gern einmal. Das muss nicht sein. Über Intrapreneurship können Festangestellte zu Unternehmern beziehungsweise Unternehmerinnen im Unternehmen werden. Das steckt dahinter.
Was bedeutet Intrapreneurship?
Als Intrapreneure bezeichnet man fest angestellte Mitarbeitende, die aber in einer Organisation fast wie eigenständige Unternehmer beziehungsweise Unternehmerinnen agieren können. Diese besondere Art des Unternehmertums nennt sich Intrapreneurship.
Woher kommt der Begriff Intrapreneurship?
Intrapreneurship ist ein Kofferwort, das sich aus dem englischen Begriff „Intra-Corporate“ (übersetzt „unternehmensintern“) und „Entrepreneurship“ („Unternehmertum“) zusammensetzt. Die deutsche Bezeichnung lautet „Binnenunternehmertum“.
Gifford Pinchot III gilt als Erfinder des Begriffs. Ihn beschrieb der Entrepreneur und Autor zum ersten Mal 1978 in seinem Paper „Intra-Corporate Entrepreneurship“. In seinem Buch „Intrapreneuring: Why You Don’t Have to Leave the Corporation to Become an Entrepreneur“ (erschienen 1985) erklärt er Intrapreneurship ausführlicher.
Entrepreneur vs. Intrapreneur: Was sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede?
Entrepreneur ist das französische Wort für Unternehmer/-in. Doch in der Start-up-Szene steht eine Person, die als Entrepreneur bezeichnet wird, für mehr als „nur“ einen Gründer beziehungsweise eine Gründerin oder einen Unternehmenslenker.
Vielmehr bezeichnet der Begriff visionäre Personen, die echte Innovationen erschaffen möchten. Diese Innovationen lösen unter Umständen eine Disruption aus, wodurch im extremen Fall ganze Branchen und Industriezweige ins Wanken geraten.
Ein Intrapreneur muss nicht zwangsläufig ein Entrepreneur im Sinne der Start-up-Szene sein. Er oder sie ist eine Person, die innerhalb ihres Unternehmens Innovationen anstößt und dabei sehr viele Freiheiten erhält. Der Intra-Entrepreneur agiert so wie ein Unternehmen im Unternehmen.
Seine Mission wurde ihm nicht aufgezwungen (zum Beispiel von der Teamleitung oder der Geschäftsführung), sondern der Intrapreneur agiert intrinsisch – aus eigenem Antrieb heraus: Mit Intrapreneurship will man etwas bewegen und verändern, Innovationen anstoßen und umsetzen.
Ein Intrapreneur handelt zwar wie eine gründende Person oder ein Kleinunternehmer beziehungsweise eine Kleinunternehmerin. Er oder sie besitzt allerdings im Gegensatz zu einem Entrepreneur einen großen Vorteil: eine sichere Festanstellung mit einem geregelten Einkommen.
Intrapreneurship vs. Corporate Entrepreneurship: Wie sehen die Abgrenzungen aus?
Die Förderung von Innovationen ist nichts Besonderes bei Unternehmen und größeren Organisationen. Oft geschieht das in eigenen Innovationsabteilungen (Corporate Venturing). Genauso üblich ist die Gründung neuer, eigenständiger Geschäftseinheiten. Intrapreneurship stellt eine Sonderform dar: Hierbei handelt es sich – sinnbildlich gesprochen – um Mini-Start-ups, die die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen selbst initiieren und betreiben.
Wie die Begriffe Corporate Entrepreneurship, Corporate Venturing und Intrapreneurship voneinander unterschieden werden können, zeigt dieses Schaubild:
Was ist mit Social Intrapreneurship gemeint?
Social Intrapreneurship stellt eine Sonderform des Binnenunternehmertums dar. Hierbei steht die Entwicklung neuer, sozialer Innovationen im Fokus. Das können Produkte beziehungsweise Dienstleistungen im Bereich der Ökologie oder der Unternehmenskultur sein, wodurch sich beispielsweise die Corporate Sustainability verbessert.
Was zeichnet Intrapreneure aus?
Nicht jeder Mitarbeitende ist zum Intrapreneur geeignet. Und es bringt auch nichts, wenn Unternehmen ihre Angestellten zu mehr Innovationskraft ermuntern müssen. Ein Intrapreneur agiert, wie schon beschrieben, von sich selbst aus. Er oder sie besitzt eine innere Motivation, etwas bewegen zu wollen, geht mutig und risikobereit voran und denkt während seiner Arbeit stets an das große Ziel.
Wie ein echter Entrepreneur sieht ein Intrapreneur keine Hindernisse und Hürden, sondern überall Chancen und spannende Herausforderungen. Das praktische Lösen von Problemen, (gern auch einmal mit ungewöhnlichen Ideen) macht ihn oder sie aus.
Intrapreneure sind meist wie Start-up-Gründer keine Einzelkämpfer oder Einzelkämpferinnen, sondern Teamplayer. Sie scharen mit ihrer Begeisterung gleichgesinnte Menschen um sich, um gemeinsam an etwas Neuem zu arbeiten.
Intrapreneurship: Die Vorteile
Das Handeln in eigener Verantwortung und die Freiheit, im Rahmen einer Festanstellung wie ein Unternehmer oder eine Unternehmerin agieren zu können, macht Intrapreneure glücklich. Hierdurch entsteht eine starke Bindung zur Firma und eine hohe Leistungsbereitschaft.
Die Organisation, die das Potenzial nutzt und Intrapreneurship zulässt, profitiert so von zufriedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die gern neue Ideen anstoßen und umsetzen. Derart kommt ein Innovationsprozess ins Rollen, der das Innovationsmanagement positiv unterstützt. Die Folge: Neue Produkte und Geschäftsmodelle entstehen intern und nicht durch (meist teure) externe Unterstützung, Kooperationen oder Zukäufe.
Scheitert ein Intrapreneurship-Projekt, hat das in der Regel geringe Konsequenzen: Die Kosten dafür waren überschaubar, die fest angestellten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bleiben weiterhin im Unternehmen. Die soziale Sicherheit ist für beide Seiten – Intrapreneure und Unternehmen – ein wichtiger Aspekt beim Intrapreneurship.
Die Ziele von Intrapreneurship
Nutzt ein Unternehmen die Vorteile des Binnenunternehmertums, kann es davon mehrfach profitieren, zum Beispiel:
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Es sorgt für mehr Zufriedenheit.
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Es nutzt die vorhandene Innovationskraft.
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Es bindet innovativ denkende und motivierte Mitarbeitende.
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Es fördert unternehmerisches Denken und Handeln.
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Es lässt Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erkennen, dass Scheitern dazugehört, wenn man innovativ sein will.
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Es können verkrustete Strukturen und Arbeitsprozesse durch mehr Flexibilität aufgebrochen werden.
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Es verändert positiv die Unternehmenskultur.
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Es entstehen durch interne Ressourcen neue Produkte und/oder Dienstleistungen.
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Die Umsätze und Gewinne steigern sich.
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Es lassen sich Ausgaben für externe Berater, Dienstleister und Zukäufe reduzieren.
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Es profitieren das Image und die Marke des Unternehmens.
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Es lockt Bewerber und Bewerberinnen an, die auch wie Intrapreneure arbeiten möchten.
Intrapreneurship: Beispiele
Intern Talente zu fördern und sie zu Intrapreneuren zu machen, diese Idee ist nicht neu. Apple entwickelte zum Beispiel derart 1984 den Macintosh-Computer. „Zurück in die Garage, aber in einem großen Unternehmen“, so beschrieb Steve Jobs das Projekt.
Auch Google fördert die sogenannte „Entrepreneurial Innovation“. Dazu gibt es das „20-%-time“-Programm. Bei diesem bekommen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein Fünftel ihrer bezahlten Arbeitszeit „frei“, um an eigenen Projekten und Ideen zu arbeiten.
Nicht nur in den USA ist Intrapreneurship angesagt, auch bei deutschen Firmen kommt das Konzept an. So bietet die Deutsche Bahn mit „DB Intrapreneurs“ seinen Angestellten die Möglichkeit, zum Unternehmer oder zur Unternehmerin innerhalb des Konzerns zu werden. Laut eigenen Angaben machten bislang über 850 Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit.
Ein weiteres bekanntes, aber am Ende trauriges Intrapreneurship-Beispiel ist das von Kodak: Der Angestellte Steven Sasson entwickelte dort „nebenbei“ die erste Digital-Fotokamera. Seine Führungskräfte sahen darin aber keinen revolutionären Meilenstein, um den Konzern voranzubringen, sondern eine Bedrohung. Das Konzept verschwand somit in der Schublade. Der Rest ist Geschichte: Andere Firmen trieben die Revolution der digitalen Fotografie voran, Kodak rutschte in die Pleite.
Intrapreneurship fördern: So geht das
Führungskräfte können ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen nicht aufzwingen, innovativ zu sein oder gar zum internen Entrepreneur zu werden. Das gesamte Unternehmen (oder zumindest ein großer Bereich) muss mit seinen Strukturen und Betriebsabläufen dafür ausgelegt sein.
Somit müssen zuerst die Grundlagen geschaffen werden. Dazu gehören unter anderem:
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Besonders die oberen Management-Ebenen sollten „open-minded“ sein. Sie müssen ein offenes Ohr für die Ideen ihrer Angestellten haben.
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Sätze wie „Das geht nicht, weil…“ oder „Das haben wir schon immer so gemacht“ sind ein No-Go. Stattdessen benötigt es eine Aufgeschlossenheit für innovative oder vielleicht kurios erscheinende Konzepte.
Damit Intrapreneurship in einer Organisation möglich wird, sind gewisse Rahmenbedingungen nötig. Diese gelten als die wichtigsten:
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Freiraum: Engagierte Intrapreneure müssen losgelöst von engen Terminplänen, starren Prozessen und internen Bestimmungen agieren können. Nur mit Freiraum lassen sich kreative Gedanken und Innovationsprozesse realisieren.
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Zeit: Neben der eigentlichen Vollzeitarbeit ein innovatives Konzept entwickeln? Das geht nicht lange gut. Engagierte Angestellte sollten deshalb von ihren Vorgesetzten bezahlte „Freizeit“ genehmigt bekommen, um ihre Ideen richtig verfolgen zu können.
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Interne Ressourcen: Unterstützung von Kollegen und Kolleginnen oder Zugriff auf bestimmte Maschinen: Für echtes Intrapreneurship muss es möglich sein, verschiedene Quellen im Unternehmen „anzapfen“ zu können – und das auch einmal über den schnellen, unkomplizierten Dienstweg.
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Scheiterkultur: Innovationen basieren auf Annahmen und Experimenten. Es ist normal, dass die meisten Experimente scheitern. Das Scheitern darf in einem Unternehmen im Rahmen des Innovationsprozesses kein Malus sein. Ganz im Gegenteil: „Fail hard, fail fast“ – so heißt es gern im Start-up-Jargon.
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Know-how: Wer Neuland betreten will, benötigt neben Freiraum und der Möglichkeit, Experimente wagen zu können, auch jede Menge Fachwissen. Das können sich die Intrapreneure aneignen oder sie „kaufen“ es sich hinzu, zum Beispiel durch externe Experten oder Expertinnen.
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Fortbildungen: Organisationen sollten ihre Intrapreneure aktiv dabei unterstützen, sich das benötigte Fachwissen anzueignen. Dazu gehören beispielsweise die Bezahlung von Fortbildungen und der Besuch von Fachmessen während der Arbeitszeit.
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Budget: Apropos Bezahlung: Selbst die einfachsten Experimente und Prototypen benötigen eine finanzielle Unterstützung in Form eines speziellen Budgets – das gilt folglich auch für die „Unternehmer beziehungsweise Unternehmerinnen im Unternehmen“.
Zusammengefasst bedeutet das: Wenn eine Führungskraft den internen Unternehmergeist wecken will, muss sie ein durchdachtes Intrapreneurship-Programm aufsetzen. Das benötigt unter anderem Ressourcen wie Zeit, Geld und Personal.
Die 16 Gebote der Intrapreneure
Nicht nur Unternehmen müssen sich auf das Thema Intrapreneurship einlassen, sondern ebenso die Mitarbeitenden. Giffort Pinchot III verfasste dazu 1988 „The Intrapreneur's Ten Commandments“, was übersetzt „Die zehn Gebote der Intrapreneure“ heißt. Diese lauten sinngemäß übersetzt beispielsweise:
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„Umgehe alle Anordnungen, die deinen Traum stoppen können.“ (2. Gebot)
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„Finde Menschen, die dich unterstützen.“ (4. Gebot)
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„Arbeite so lange wie möglich im Untergrund. Ein zu frühes Enthüllen könnte das Immunsystem des Unternehmens wecken.“ (6. Gebot)
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„Bedenke, es ist einfacher, um Verzeihung zu bitten als um eine Freigabe.“ (8. Gebot)
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„Ehre deine Unterstützer.“ (10. Gebot)
Giffort Pinchot III erweiterte 2011 auf seiner Webseite seine „Commandments“ um sechs weitere. Die ersten drei lauten sinngemäß übersetzt:
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„Frage um Rat, bevor du nach Ressourcen fragst.“
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„Zeig dich dankbar.“
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„Baue ein Team auf. Intrapreneurship ist keine Solo-Tätigkeit.“
Bessere und zufriedenere Angestellte dank Binnenunternehmertum
In vielen Unternehmen schlummern versteckte Potenziale und Talente. Talente, die einen Anstoß, etwas Freiraum und Unterstützung benötigen, um Großes zu bewirken. Vom Intrapreneurship haben alle etwas: Die Unternehmensführung bekommt zufriedene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die aus eigenem Antrieb heraus Innovationen und andere gute Dinge anstoßen. Und die Entrepreneure können ihren Ideen und ihrer Kreativität nachgehen – und das mit der Sicherheit einer Festanstellung. Eine echte Win-win-Situation.
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