„Langfristige Veränderungen erfordern umgehende Experimente.“ Diese Aussage stammt aus dem Buch „The Lean Startup“ (erschienen in deutscher Sprache im Jahr 2012), geschrieben vom bekannten Entrepreneur Eric Ries. Die Ratschläge von Ries und seine Lean-Startup-Methode gehören zu den Basics vieler Gründer.
Dabei sind die Ideen dahinter viel älter und stammen aus der Old Economy: Lean Startup und andere Methoden gehören zum Bereich des Lean Managements. Wir zeigen Ihnen auf, was es mit den spannenden Management-Denkweisen und -Modellen auf sich hat.
Was ist Lean Management?
Beim Lean Management geht es darum, dass Unternehmen ihre Prozesse derart „schlanker“ (auf Englisch „lean“) gestalten, dass sie mehr Effizienz bringen. Das bedeutet, dass mit weniger Aufwand die gleichen Ergebnisse oder gar Verbesserungen bei ihnen erzielt werden sollen. Um dieses Vorhaben zu meistern, müssen die involvierten Personen kontinuierlich an den Optimierungen arbeiten.
Das Konzept des Lean Managements: Verschwendung vermeiden
Effizienter werden: Das möchte jedes Unternehmen. Sicherlich gibt es auch in Ihrem einige Arbeitsgruppen und Projekte dazu. Mehr Output mit weniger Input, mehr Gewinn mit weniger Ausgaben – darum geht es in profitorientierten Organisationen. Wie gelingt das? Dafür hat das Lean Management eine große Antwort: Vermeiden Sie Verschwendung bei Ihren Prozessen.
In jedem Unternehmen gibt es Verschwendung – zum Beispiel, wenn eine Abteilung zu lange auf das Feedback einer anderen Abteilung warten muss. Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in langen, unnötigen Meetings sitzen, anstatt ihrer eigentlichen Tätigkeit nachzugehen. Oder wenn Ihre Produktion viel mehr Waren produziert, als Ihre Kundschaft benötigt.
Ineffizienz kostet Ressourcen. Sie frisst Zeit, Geld und mindert die Qualität der Ergebnisse. Solche Arten von Verschwendung möchte man gemäß der japanischen Kaizen-Philosophie verringern. Kaizen bedeutet übersetzt so viel wie „Veränderung zum Besseren“. Die Denkweise spornt dazu an, jeden Tag etwas zu verändern und zu optimieren.
Vom Kaizen zum Lean Management
Was in Unternehmen heutzutage als Lean Management bezeichnet wird, geht auf die radikalen Veränderungen bei Toyota zurück: Der japanische Automobilbauer musste im 20. Jahrhundert mit zahlreichen Problemen kämpfen. Unter anderem waren Rohstoffe knapp und die Produktion ineffizient.
Über das Kaizen entstand das Toyota Production System (TPS). Dieser neue Ansatz hatte zum Ziel, Verschwendungen zu minimieren und zugleich die Qualität der Ergebnisse zu verbessern. Das TPS wurde über die Jahre auch als Lean Production bekannt, woraus dann weitere Lean-Methoden wie das genannte Lean Startup entstanden. Sie alle fasst man unter dem Begriff Lean Management zusammen.
Die Ziele des Lean Management
Das Lean Management setzt unter anderem folgende Prinzipien und Aspekte in den Fokus:
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Kundenorientierung: Ihr Unternehmen muss sich konsequent auf die Wünsche, Ziele und Herausforderungen seiner Kunden konzentrieren. Erkennen Sie den wahren Wert Ihrer Produkte oder Dienstleistungen: Warum werden sie gekauft und genutzt? Wofür geben Ihre Kunden Geld aus, was ist unnötig?
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Wertstrom: Analysieren Sie Ihre Prozesse vom Anfang bis zum Ende im Detail, indem Sie Zahlen und Daten erheben. Finden Sie heraus, an welchen Stellen es zu Verschwendungen - also Ineffizienz – kommt.
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Kennzahlensysteme: Wenn Sie zahlreiche Kennzahlen erheben, müssen Sie diese einordnen und in Bezug zueinander setzen können. Hierbei helfen Kennzahlensysteme, die beispielsweise im Controlling zum Einsatz kommen.
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Flussprinzip: Sorgen Sie beim Lean Management dafür, dass alle Prozesse im „Flow“ bleiben. Optimieren Sie dazu nicht nur einzelne Schritte bei der Arbeit oder Produktion, sondern behalten Sie einen Blick auf das große Ganze. In einer Maschinerie gehören eben alle Zahnräder zusammen.
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Pull statt Push: Unternehmen versuchen oft, eine maximale Auslastung zu erreichen (Push-Prinzip). Im Lean Management wechseln Sie die Sichtweise: Ihre Prozesse müssen sich am Kundenwunsch orientieren, nicht umgekehrt.
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Kontinuität: Stillstand ist ein Rückschritt: Gemäß dem Kaizen geht es auch im Lean Management darum, fortwährend Verbesserungen zu erzielen. Der Lern- und Optimierungsprozess ist ein Kreislauf, er kennt kein Ende.
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Empowerment: Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu ständigen Verbesserungen an deren Arbeit und Fähigkeiten. Geben Sie ihnen dazu die benötigten Tools, wie beispielsweise Fortbildungen oder Freiräume.
Lean Management als neue Firmenkultur
Um Veränderungen anzustoßen, um besser zu werden, bedarf es einer besonderen Denkweise. Das Mindset des Lean Managements beinhaltet, stets offen für Neues zu sein. Experimente und die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind hierbei wichtig. Das heißt: Sie dürfen auch Fehler machen. Doch daraus sollten Sie schnellstmöglich lernen, um sie nicht zu wiederholen.
Damit das gelingt, muss Ihr Unternehmen eventuell seine Firmenkultur verändern. Zu der Einführung einer „Scheiterkultur“ gehört auch die Konzentration darauf, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über das Empowerment besser zu machen. Nur gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können gute Produkte entwickeln. Und gute Produkte stellen die Kunden zufrieden.
In welchen Bereichen kommt Lean Management zum Einsatz?
Durch die Globalisierung und Digitalisierung stehen die meisten Unternehmen unter Druck. Sie müssen sich beispielsweise in gesättigten Märkten gegen zahlreiche Mitbewerber durchsetzen. Der „Kampf um die Kunden“ wird härter und schneller. Um hierbei weiterhin gewinnbringend arbeiten zu können, ist eine Effizienzsteigerung bei allen Prozessen im Unternehmen fast unerlässlich.
Deshalb hat sich der Lean-Management-Gedanke in vielfältigen Branchen und Bereichen ausgebreitet. Hier sieben Beispiele:
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Die Lean Production kommt nicht nur in der Automobilindustrie zum Einsatz, sondern auch in vielen Produktionsbetrieben.
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Bei der Lean Construction geht es unter anderem darum, Verschwendung bei Bauprojekten zu vermeiden.
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Lean Development ist beispielsweise in der Softwareentwicklung auf dem Vormarsch, um digitale Produkte entlang der rasch wechselnden Kundenwünsche entwickeln zu können.
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Lean Selling, auch Lean Distribution genannt, kommt im Vertrieb zum Einsatz, um zum Beispiel Produkte mit geringer Marge verkaufen zu können.
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Auch im Marketing gibt es eine Lean-Bewegung, was sich unter anderem im Lean Content Marketing zeigt. Hierbei geht es darum, schnell Inhalte zu produzieren.
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Die Lean Administration hat zum Ziel, die teils sehr komplexen Prozesse bei der Verwaltung in Behörden oder Unternehmen zu verschlanken.
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Beim Lean Leadership versuchen Führungskräfte, sich und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu neuen Höchstleistungen zu bringen, wie beispielsweise durch die OKR-Methode.
Bekannte Lean Management Methoden
Lean Management, das klingt ein bisschen wie die ultimative Lösung – ist sie aber nicht – denn es gibt nicht das Lean Management. Wie beschrieben, entstanden einerseits über die Jahrzehnte verschiedene Strömungen, andererseits wurden verschiedene Tool-Sets entwickelt, die wiederum in eigenen Methoden mündeten. Die bekanntesten Ansätze des Lean Managements finden Sie im Folgenden:
5S-Methode
Zeitverschwendung kann viele Gründe haben und an verschiedenen Orten entstehen. Ein zentraler Ort ist der Arbeitsplatz. Also führte Toyota im Rahmen des TPS auch die 5S-Methode ein: Jedes „S“ steht im Japanischen für eine Maßnahme, um die Arbeitsplätze besser zu organisieren. Dazu gehören unter anderem das Sortieren, die Sauberkeit und die Standardisierung.
Hansei
Ebenfalls aus Japan stammt die Hansei-Kultur. Das Wort bedeutet übersetzt „Selbstreflexion“. Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und Manager sollten gleichermaßen über ihre Handlungen nachdenken, Fehler erkennen, dazu stehen und daraus für die Zukunft lernen. Das hat zur Folge, dass bei einer Unternehmenskultur nach Hansei alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine zweite Chance erhalten, wenn sie beispielsweise Fehltritte zugeben.
Kanban
Noch eine Lean-Management-Erfindung von Toyota: Kanban („Signaltafel“). Hierbei handelt es sich um eine sogenannte Produktionsprozesssteuerung, mit der die Produktion mittels Tafeln oder Schildern in einen Fluss gebracht werden soll. Auch in der Softwareentwicklung kommt Kanban zum Einsatz. Hier picken sich beispielsweise Programmierer eigenständig Aufgaben heraus, arbeiten diese ab und markieren sie an einer (virtuellen) Tafel mit einem Zeichen als erledigt.
PDCA
Der PDCA-Zyklus gehört zu den Essenzen des Lean Managements. Hinter den vier Buchstaben steht das ständige Wiederholen folgender Schritte:
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Plan (Planen)
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Do (Ausführen)
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Check (Überprüfen)
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Act (Anpassen)
Dieser Kreislauf ist auch als Deming-Kreis bekannt. Er kommt in Methoden wie Design Thinking, Scrum oder Lean Startup zum Einsatz.
Beim PDCA-Zyklus geht es darum, durch das ständige Aufstellen von Hypothesen, deren Umsetzung und der Analyse der Ergebnisse ein Produkt kontinuierlich zu optimieren. Bei dieser Vorgehensweise lassen sich Fehler schnell identifizieren und lösen.
Poka Yoke
„Unglückliche Fehler vermeiden“ – dafür steht der japanische Begriff Poka Yoke, eine weitere Lean-Management-Methode. Der Hintergrund dazu: Jeder Mensch macht Fehler, welche sich auf das fertige Produkt auswirken können. Um diese zu vermeiden, kommen verschiedene Maßnahmen zum Einsatz. Das können simple Hinweisschilder oder Beschriftungen bei Produkten oder technische Lösungen wie Schutzvorrichtungen sein.
Scrum
Scrum ist die derzeit beliebteste Anwendung des Lean Developments. Auch hier kommen Tafeln und Diagramme zum Einsatz, um eine Übersicht über die Aufgaben zu erhalten. Bei der agilen Entwicklungsmethode geht es darum, in kurzen Zeiträumen – den Sprints – neue Fassungen (Iterationen) einer Software zu entwickeln. Dazwischen gibt es Kundentests, deren Ergebnisse das Team auswertet, damit mit den Erkenntnissen Verbesserungen beim Produkt gelingen.
TPM
Das Akronym TPM steht für Total Productive Manufacturing oder Total Productive Maintenance, was ebenfalls seinen Ursprung in der japanischen Automobilproduktion hatte. Das Konzept stammt aber ursprünglich aus den USA, wo es als Preventive Maintenance bekannt wurde.
Bei TPM und ähnlich bezeichneten Verfahren versucht man, keinerlei Ausfälle in der Produktion zu haben. Damit dies gelingt, müssen die Instandhaltung (auf Englisch: Maintenance) sowie die Funktionsleistung von Maschinen und Anlagen auf ein hohes Niveau gebracht werden. Die zuständigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben sie derart zu warten und zu verbessern, dass sie zu 100 % laufen. Ausfälle bei der Produktion durch Defekte oder Unfälle sind unter allen Umständen zu vermeiden.
VSM
Das Value Stream Mapping (VSM) kennt man im Deutschen als Wertstromanalyse. Bei dieser Lean-Management-Methode erfassen und analysieren Sie Ihre gesamte Wertschöpfungskette, um die wertschöpfenden und nicht wertschöpfenden Prozesse klar zu identifizieren. Diese visualisieren Sie beispielsweise über eine Prozesskarte, um die Abläufe einfacher erfassen zu können. Damit können Sie bei Ihren Prozessen Optimierungspotenziale besser erkennen und Punkte der Verschwendung eliminieren.
Werden Sie und Ihr Unternehmen stetig besser
Eric Ries schreibt in seinem Buch über Startups: „Ihr eigentlicher Daseinszweck besteht darin, zu lernen, wie man ein tragfähiges Geschäftsmodell aufbaut. Diese Lernprozesse können anhand fortlaufender Experimente validiert werden, mit deren Hilfe Entrepreneure jedes Element ihrer unternehmerischen Vision überprüfen können.“
Diese Aussage trifft nicht nur auf Neugründungen zu, sondern auf jede Art von Unternehmen. Denn Unternehmen müssen kontinuierlich daran arbeiten, ihren Kunden das beste Produkt zu liefern. Und sie müssen effizient arbeiten, um konkurrenzfähig zu bleiben. Ein Weg dahin ist die Anwendung von Lean Management.
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