Ist der Weg zu wirtschaftlichem Erfolg eine gerade Straße oder führen am Ende viele Wege zum Ziel? Genau diese Frage haben sich die Gründer der Musterbrecher®-Initiative gestellt und starteten die Suche nach Unternehmen und Organisationen mit den außergewöhnlichsten Strukturen. Trotz der Annahme, dass in wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen oft nur bestimmte Management-Strukturen zum Ziel führen, gibt es auch diejenigen, die alte Muster infrage stellen. Und damit haben sie ebenso viel Erfolg.
Was genau macht diese Musterbrecher so besonders und wie implementieren sie ihre teils radikalen Ideen?
Was sind Musterbrecher?
Musterbrecher sind wirtschaftliche Unternehmen oder andere Organisationen, die einen sehr ungewöhnlichen hierarchischen Aufbau, neuartige Verwaltungsstrukturen oder andere besondere Alleinstellungsmerkmale aufweisen. Sie gehen bewusst einen anderen Weg als den, der vom Großteil der anderen Unternehmen eingeschlagen wird und „brechen Muster“.
Das Musterbrecher®-Gründungsmitglied Stefan Kaduk sagt dazu:
„Manche Organisationen sind so anders, dass es sie im Grunde gar nicht geben dürfte, denn sie widersprechen so ziemlich allem, was in den Management-Lehrbüchern steht.“
Diese besondere Form der Unternehmensführung zeichnet sich oft dadurch aus, dass „musterbrechende Führung“ den Mitarbeitern ein hohes Maß an Vertrauen und Entscheidungskompetenz zuspricht. Wichtige Entscheidungen können diese bei Musterbrechern auch ohne die Zustimmung der oberen Führung treffen.
Welche Idee steckt hinter dem Projekt?
Stefan Kaduk, Dirk Osmetz, Hans A. Wüthrich und Dominik Hammer sind promovierte Wirtschaftswissenschaftler und auf der Suche nach Organisationen mit außergewöhnlichen Strukturen. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, solche Musterbrecher beziehungsweise Querdenker zu finden und zu analysieren.
Dafür schauten sie sich im gesamten deutschsprachigen Raum um und suchten jahrelang gezielt nach ungewöhnlichen Unternehmen, die alten Mustern den Rücken kehren.
Im Jahr 2003 gründeten sie die Musterbrecher®-Initiative. 2013 erschien das Buch „Musterbrecher: Die Kunst, das Spiel zu drehen“, im Jahr 2016 der zugehörige Film. Eine Zusammenfassung des Films über Musterbrecher gibt es kostenlos auf YouTube zu sehen.
Der Film von Kaduk, Osmetz, Wüthrich und Hammer zeigt viele Beispiele unterschiedlicher Musterbrecher. Zu diesem Zweck stellen sich die jeweiligen Vertreter der Führung unterschiedlicher Unternehmen vor und erörtern, was genau ihre Firma zu einem Sonderfall macht.
Der Film eignet sich besonders dazu, Inspirationen für Umstrukturierungen im eigenen Unternehmen zu sammeln. Das Buch bietet zusätzlich zu den Filmbeispielen weitere Sektionen, in denen die Autoren die Musterbrecher genauer analysieren und gemeinsame Merkmale aufzeigen.
Was machen Musterbrecher anders?
Es gibt viele Beispiele von erfolgreichen Musterbrechern, mit unterschiedlichen Hintergründen: Wir haben zwei erfolgreiche Beispiele, jeweils aus Wirtschaft und Bildung.
Vollmer & Scheffczyk GmbH
So etablierte zum Beispiel der Maschinenbauer Vollmer & Scheffczyk GmbH aus Hannover, dass jeder Mitarbeiter sein Gehalt selbst (!) festlegen darf. Die einzige Voraussetzung ist, dass im Vorfeld ein Beratungsgespräch mit drei weiteren Kollegen stattfinden muss. Diese spielen letztendlich für die Festlegung des Gehalts aber keine Rolle.
Das Gespräch führt dennoch zu einer sozialen Kontrolle von astronomischen Gehaltsforderungen, die viele Manager in einer solchen Situation zweifelsohne befürchten würden. Zudem erfahren die Mitarbeiter dadurch ein hohes Maß an Selbstbestimmung.
Evangelische Schule Berlin-Zentrum
Musterbrecher sind aber nicht nur wirtschaftliche Unternehmen. In der Evangelischen Schule Berlin-Zentrum hat sich eine Praktik durchgesetzt, die diese Schule ebenfalls zu einem echten Musterbrecher macht:
In den ersten drei Schulwochen der achten, neunten und zehnten Klasse suchen sich die Schüler persönliche Herausforderungen aus.
Das kann eine Wanderung durch Korsika sein oder eine Fahrt mit dem Fahrrad von Berlin nach Amsterdam. Die Schüler müssen dies aber komplett eigenständig organisieren und haben nur wenig Geld dafür zur Verfügung. Nach ihrer Rückkehr schwärmen die Kinder oft von ihren Erfahrungen und zeigen ein besseres Selbstbild.
Haben Musterbrecher mehr Erfolg?
Musterbrecher und Querdenker sind nicht notwendigerweise finanziell erfolgreicher als klassische Unternehmen. Die Existenz vieler Musterbrecher zeigt aber, dass es Alternativen zum traditionellen Modell gibt, die auch funktionieren.
1) Mehr Zufriedenheit aller Beteiligten
In der Regel implementieren Musterbrecher Systeme, die in der einen oder anderen Weise zu einer höheren Zufriedenheit unter Mitarbeitern und/oder Chefs führt, ohne dabei an wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit einzubüßen.
In diesem Sinne sind Musterbrecher also doch deutlich erfolgreicher als ihre Konkurrenz.
2) Durchdachte Strategien führen zum Erfolg
Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass Musterbrecher nicht krampfhaft versuchen, bestehende Strukturen zu verändern, um ihre eigene Einzigartigkeit zu beweisen. Viele der Änderungen, die Musterbrecher bzw. die obere Führung der Unternehmen vorgenommen haben, waren gut überlegt und erforderten eine lange vorherige Planung.
Neben der „Arbeit am System“ verwenden Musterbrecher viel Energie auf die „Arbeit im System“. Da neue Systeme in ihrer ersten Version oft noch großen Optimierungsbedarf aufweisen, ist es in der Regel nötig, zahlreiche Anpassungen vorzunehmen.
3) Begriff „Musterbrecher“ nicht universal einsetzbar
Ein problematischer Aspekt ist, dass der Begriff „Musterbrecher“ sehr allgemein gehalten ist. Die Philosophien zweier Musterbrecher können sich stark voneinander unterscheiden, aber zwischen beiden findet allein durch den Begriff „Musterbrecher“ keine weitere Differenzierung statt. Dies erschwert einen Erkenntnisgewinn.
Die Autoren stellen fest, dass die Arbeit an besonderen Beziehungen zwischen den Menschen das entscheidende Kriterium für einen Musterbrecher sei.
Musterbrecher als Inspiration nutzen
Musterbrecher zeichnen sich in erster Linie vor allem durch ein besonderes Merkmal aus: Experimentierfreudigkeit.
Sie akzeptieren, dass es in komplexen Umgebungen keinen perfekten Weg gibt, um eine bestimmte Sache zu tun. Durch das Experiment ermöglichen sie aber trotzdem schrittweise (oder auch sprunghafte) Verbesserungen im eigenen Unternehmen und sorgen für eine frische Atmosphäre innerhalb der Belegschaft. Gleichzeitig wirken Musterbrecher inspirierend und zeigen uns einen anderen Weg.
Es muss jedoch nicht jedes Unternehmen unbedingt ein Musterbrecher sein, denn viele Menschen können sich mit diesem Schritt zunächst überfordert fühlen. Es gilt eher, kleine Experimente zu starten und dabei Dinge zu entdecken, die man selbst vorher für nicht möglich gehalten hätte.
Headerbild: JOSHUA COLEMAN / Unsplash