Organisationen befinden sich in einem Spannungsfeld aus sich ständig verändernden Marktbedingungen, den Anforderungen der digitalen Transformation sowie den gestiegenen Ansprüchen von Mitarbeitenden und der Kundschaft. Der harte Wettbewerb zwingt Unternehmen dazu, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Organisationsentwicklung fördert die Implementierung und Ausweitung agiler Strukturen und verbessert die Reaktionsgeschwindigkeit. Unternehmen, die auf dem aktuellen Stand verharren, laufen Gefahr, den Anschluss an die Konkurrenz zu verlieren und innerhalb kurzer Zeit von der Bildfläche zu verschwinden.
Was ist Organisationsentwicklung?
Organisationsentwicklung umfasst sämtliche Prozesse der Veränderung und Weiterentwicklung eines Unternehmens. Sie erfolgen geplant und systematisch und sind auf einen mittel- bis langfristigen Zeithorizont ausgelegt. Zentrale Themen der Organisationsentwicklung sind Strategieentwicklung, Kulturveränderungen und Change-Management.
Um den Erfolg der Veränderungsprozesse zu gewährleisten, ist es wichtig, alle Führungskräfte sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in ihrer Eigenschaft als zentrale Leistungsträger einer Organisation bestmöglich einzubeziehen. Eine externe Perspektive auf das Unternehmen durch spezialisierte Berater und Beraterinnen kann zu schnelleren und besseren Ergebnissen führen.
Was gehört alles zur Organisationsentwicklung?
Die Organisationsentwicklung umfasst sämtliche Hierarchieebenen und Bereiche eines Unternehmens. Durch die Anwendung von speziellen Methoden werden Veränderungen angestrebt hinsichtlich
- der mittel- und langfristigen Visionen und Strategien,
- der Entwicklung von über- und untergeordneten Zielsetzungen,
- der Unternehmenskultur und -philosophie,
- der Führungsstrukturen und Führungsmethoden,
- dem Selbstverständnis jedes Mitarbeiters bzw. jeder Mitarbeiterin,
- der Teamentwicklung,
- der Organisationsstrukturen durch gezielte Ablaufoptimierungen,
- der einzelnen Arbeitsprozesse,
- der technischen Schnittstellen,
- der Verständigungsprozesse zwischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen,
- der Ressourcenallokation und Arbeitsmittelverteilung,
- der Qualität der Produkte und Dienstleistungen.
Systemische und agile Organisationsentwicklung
Das Konzept der Organisationsentwicklung betrachtet das System als Ganzes vor einem wissenschaftlich-theoretischem Hintergrund. Jedes System ist mehr als die Summe seiner Teile. Im Fokus stehen die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Systemelementen, z. B. Prozesse, Strukturen, Führungsmethoden, Verhalten der Mitarbeitenden usw. Sie bilden aktuelle Gegebenheiten, Zustände und Muster in Form impliziter Regeln aus.
Tauscht ein Unternehmen einzelne Akteure aus, gibt es nur geringfügige bis keine Veränderungen, da Entscheidungen nach den gleichen, oft unausgesprochenen und sogar unbewussten Prämissen gefällt werden. Einmal als nutzbringend anerkannt, dienen sie beliebig oft als Entscheidungsbasis.
Die agile Organisationsentwicklung beschreibt keinen ganzheitlichen, geschlossenen Prozess, sondern die schrittweise, kontinuierliche Weiterentwicklung eines Unternehmens. Im Sinne einer lernenden Organisation stoßen die Organisationsmitglieder auf Basis von Hypothesen und Notwendigkeiten beständig Veränderungen in einzelnen Bereichen an, unterziehen unterschiedliche Handlungsoptionen einem Praxistest und bewerten sie anschließend hinsichtlich ihres Nutzens.
Bei einer positiven Beurteilung führen Unternehmen die Veränderungsprozesse fort. Schritt für Schritt etabliert sich eine agile Denkweise, die die Unternehmensstrukturen aus dem Inneren einer Organisation heraus nachhaltig verändert.
Was sind die Ziele einer Organisationsentwicklung?
Zu den Zielen der Organisationsentwicklung zählen Effizienzsteigerungen, eine Erhöhung der Flexibilität, eine bessere Marktpositionierung sowie die Erwirtschaftung höherer Umsätze. Bei dem Prozess der Organisationsentwicklung geht es darum, den Blick auf die unsichtbaren Systemelemente zu lenken und diese gezielt für erfolgreiche Veränderungsprozesse zu nutzen.
Existieren bereits starke Netzwerke und informelle Entscheidungsprozesse, gilt es, auf diesen Stärken aufzubauen und die Organisation von innen heraus weiterzuentwickeln. Zu den weiteren Zielen gehören:
- die Qualitätssteigerung der Arbeitsergebnisse: Verbesserte Prozesse in den Bereichen Produktentwicklung und Leistungserbringung, u. a. durch eine konsequente Leistungssteuerung, erhöhen mittel- und langfristig die Service- und Produktqualität.
- die Erhöhung der Kosteneffizienz: Weniger Fehlinvestitionen, die optimale Ausnutzung vorhandener Ressourcen und optimale Personalstrukturen erhöhen die Kosteneffizienz.
- die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit: Beschäftigte, die für die gleichen Ziele arbeiten, sind motivierter und leistungsfähiger. Ein verbesserter Output und gemeinsame Erfolge steigern die Zufriedenheit der Mitarbeitenden.
- die Steigerung der Kundenzufriedenheit: Bessere Produkt- und Dienstleistungsqualitäten sowie eine höhere Flexibilität in der Kundenbetreuung erhöhen die Zufriedenheit von Käufern bzw. Käuferinnen und verbessern das Markenimage.
- die Steigerung der Innovationskraft: Neue Ideen von motivierten Mitarbeitenden und zufriedenen Kunden bzw. Kundinnen sowie gezielte interne Entwicklungen schaffen einen reichen Nährboden für unternehmensinterne Innovationen.
- die Steigerung der Profitabilität: Mehr Kreativität sowie eine höhere Motivation und Produktivität, geringere Betriebskosten und eine Mitarbeiterfluktuation auf niedrigem Niveau erhöhen die Profitabilität einer Organisation.
Organisationsentwicklung − Methoden
Die Organisationsentwicklung umfasst unterschiedliche Methoden und Analysen. Die Erkenntnisse liefern Aufschlüsse über die aktuelle Unternehmenskultur, zeigen Handlungsbedarf auf und dienen als Basis für das weitere Vorgehen sowie für die Entwicklung von Ideen, wie beispielsweise für abteilungsübergreifende Lösungsansätze. Zentrale Methoden sind:
- Digital Readiness Check: Er untersucht, wie gut die einzelnen Akteure eines Unternehmens auf die Digitalisierung vorbereitet sind.
- SWOT-Analyse: Feststellung der vorhandenen Stärken (S, strengths), Schwächen (W, weaknesses), Potenziale (O, opportunities) und Bedrohungen (T, threats) der betrachteten Organisation.
- Demographie-Check: Im Fokus stehen die Altersstruktur innerhalb eines Unternehmens sowie Handlungsempfehlungen zur sinnvollen Altersverteilung.
- Context Map: Das Visualisierungsinstrument dient der Veranschaulichung von Zusammenhängen und Ideen in Form einer Baumstruktur. Ziel ist es, die Komplexität in der Organisationsentwicklung zu reduzieren.
- Change Matrix: Sie dient der Gegenüberstellung von Änderungsbedarf und Ist-Zustand hinsichtlich relevanter Faktoren, wie Unternehmenskultur und Prozessabläufen.
- Future-Search -Methode: Sie dient der Entwicklung von Ideen und Lösungsansätzen für zentrale Herausforderungen. Durch das Einbeziehen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit unterschiedlichen Profilen können Unternehmen Zukunftskonzepte mit hohem Consent-Potenzial entwickeln.
- World Café: An mehreren Tischen stattfindende Diskussionen dienen der Generierung von Ideen und Lösungen. Nach Ablauf festgelegter Zeitintervalle wechseln die Teilnehmenden die Tische und bringen von Neuem ihre unterschiedlichen Perspektiven ein.
- Zukunftskonferenz: Konferenzteilnehmer unterschiedlichster Interessengruppen entwickeln ein gemeinsames Zukunftsszenario für die Organisation.
- Open Space: Ziel der Methode ist es, innerhalb kurzer Zeit möglichst viele Konzepte und Ideen zu finden.
Veränderungsprozesse nachhaltig umsetzen − Organisationsentwicklung Phasen
Um Veränderungsprozesse in Unternehmen nachhaltig umzusetzen, ist es wichtig, unterschiedliche Phasen strukturiert und vollständig zu durchlaufen. Jede Phase hat eine individuelle Dauer und hängt wesentlich vom aktuellen Ist-Zustand ab.
Das 3-Phasen-Modell von Kurt Lewin
Das 1947 etablierte 3-Phasen-Modell von Kurt Lewin ist das gängigste Ablaufmodell der Organisationsentwicklung und besonders des Change-Managements. Es betrachtet soziale Veränderungsprozesse aller Art, indem es die Eigendynamik der Überzeugung in den Mittelpunkt stellt. Die drei Phasen umfassen:
1. Auftauen (Unfreezing): Eine geplante Veränderung wird durch eine Analyse des Status quo und die Definition von Zielen vorbereitet. Werden alle Beteiligten rechtzeitig informiert und beteiligt, können sie sich auf die Veränderungen einstellen.
2. Bewegung (Movement): Die Veränderung findet statt durch die Umsetzung, Steuerung und Überwachung der geplanten Maßnahmen statt.
3. Einfrieren (Refreezing): Die neuen, noch ungewohnten, Prozesse können die Mitarbeitenden durch kontinuierliches Üben verfestigen. Kontrollmaßnahmen stellen die Einhaltung der Veränderungen sicher.
Das 8-Stufen-Modell nach John P. Kotter
Kotters 8-Phasen Modell ist eine Weiterentwicklung von Levins 3-Phasen-Modell. Laut dem Change-Management beschreibt es eine von der Geschäftsleitung initiierte und von Führungskräften gesteuerte Veränderung nach einem klassischen Top-Down-Ansatz. Die acht Phasen sind:
- Dringlichkeit hervorrufen: Führungskräfte sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen die Notwendigkeit einer Veränderung verinnerlichen.
- Führungsteam aufbauen: Ein gutes Führungsteam besteht aus Führungskräften sowie Beschäftigten aller Abteilungen.
- Entwicklung einer Vision und von Strategien: Eine gemeinsame Vision und konkrete Strategien zeigen das Ziel der Veränderung sowie Wege zum Erreichen des Ziels auf.
- Die Vision der angestrebten Veränderungen kommunizieren: Eine klare Kommunikation des gemeinsamen Ziels hält die Motivation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hoch und etabliert die Vision in den Köpfen aller Beteiligten.
- Mitarbeitende befähigen und Hindernisse entfernen: Behindern starre Strukturen, überholte Prozesse und Gewohnheiten den Wandel, muss die Geschäftsleitung Hindernisse beseitigen und die notwendigen Freiräume schaffen.
- Kurzfristige Erfolge feiern: Messbare Erfolge und das Erreichen von Zwischenzielen zeigen, dass sich der Aufwand lohnt.
- Weitere Veränderungen initialisieren: Kontinuierliche Analysen und Optimierungen stoßen weitere Veränderungsschritte an, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.
- Verankerung der Veränderung in der Firmenkultur: Eine Veränderung in der Firmenkultur zu verankern, macht sie zur Normalität und sichert die positiven Effekte.
Das 5-Phasen-Modell nach Wilfried Krüger
Krügers 5-Phasen-Change-Management-Modell ist von großem Nutzen bei Veränderungsprojekten in Organisationen, die auf klassischen Projektmanagement unter der Aufsicht von Führungskräften ablaufen. Die fünf Phasen beinhalten:
- Initialisierung: Durch Feststellen des Veränderungsbedarfes und der sich daraus ergebenden positiven Effekte initialisiert ein Unternehmen die Veränderung und bestimmt Beteiligte.
- Konzipierung: Die Teamleitung erstellt ein gemeinsames Konzept unter Festlegung konkreter Ziele und der benötigten Ressourcen für die Teams.
- Mobilisierung: Eine offene Kommunikation und intensive Überzeugungsarbeit helfen dabei, alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von der Notwendigkeit der Veränderungen zu überzeugen.
- Umsetzung: Die Verantwortlichen erstellen die Konzepte und passen sie bei Bedarf an.
- Verfestigung: Durch den Aufbau von neuen Routinen verfestigen sich die Ergebnisse und alle Beteiligten gewöhnen sich an die neuen Abläufe. Das Einholen von Feedback fördert die Bereitschaft, neue Veränderungsprozesse anzugehen.
Das 7-Phasen-Modell nach Streich
Streichs 7-Phasen-Modell hilft Mitarbeitenden mit Veränderungen umzugehen. Die einzelnen Phasen einer Veränderung umfassen:
- Schock: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erkennen die negativen Auswirkungen des Ist-Zustandes.
- Ablehnung: Leugnen ist die naheliegendste Reaktion.
- Rationale Einsicht: Aus nüchterner Betrachtung ist die Veränderung sinnvoll.
- Emotionale Akzeptanz: Die Forderung nach Veränderung ist realistisch.
- Lernen: Durch Testen und Ausprobieren starten die Mitarbeitenden einen Versuch.
- Erkenntnis: Die Veränderung könnte sich in der Praxis bewähren.
- Integration: Die Veränderung hat sich durchgesetzt und von den Beschäftigten als selbstverständlich angesehen.
Organisationsentwicklung: Beispiele
Beispiele für den positiven Output und nachhaltige Veränderungsprozesse durch Organisationsentwicklungen sind:
- Neue Führungsstrukturen auf Basis flacher Hierarchien ermöglichen es Mitarbeitenden mehr Verantwortung zu übernehmen und eigenständig Entscheidungen zu fällen.
- Arbeitszeitmodelle mit flexibler Zeiteinteilung fördern eine ausgewogene Work-Life-Balance und erhöhen die Arbeitgeberattraktivität.
- Optimierte und schlanke Arbeitsprozesse ermöglichen es Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, mehr Zeit für ihre Kernkompetenzen aufzubringen.
- Abteilungsübergreifend zusammengestellte Teams arbeiten effizienter und erbringen bessere Arbeitsergebnisse.
- Agile Arbeitsmethoden erhöhen die Geschwindigkeit und Flexibilität, z. B. im Bereich Produktentwicklung.
- Das Unternehmen etabliert sich durch die Einführung hoher sozialer und Umweltstandards als Impact Brand mit hoher Attraktivität für zahlungskräftige Käufergruppen.
- Neue Vergütungsmodelle steigern die Motivation und Innovationsbereitschaft der Beschäftigten.
Organisationsentwicklung als Voraussetzung für lernende Unternehmen?
Unternehmen, die in einem unsicheren und komplexen Marktumfeld bestehen wollen, sind auf Arbeitnehmende angewiesen, die Verantwortung übernehmen, schnell Entscheidungen treffen und die Organisation aktiv mitgestalten. Haben Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aller Hierarchieebenen gemeinsame Zielsetzungen, lassen sich optimale Ergebnisse erzielen.
Die Organisationsentwicklung fördert eine gemeinsame Unternehmenskultur, die auf Partizipation und kontinuierlicher Weiterentwicklung beruht und Wandel begrüßt, ohne wichtige Routinen und etablierte Abläufe zu vernachlässigen.
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