Die erste Version eines Produkts muss nicht perfekt sein. Warum das so ist und was das Ganze mit dem Minimum Viable Product (MVP) zu tun hat, erfahren Sie in diesem Artikel.

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Der Ursprung von MVP: Wer hat das Minimum Viable Product erfunden?

Die Idee des Minimum Viable Products wurde in den 1990er-Jahren von Frank Robinson, einem im Silicon Valley bekannten Unternehmer und Investor, entwickelt. An Bedeutung gewann das Konzept jedoch erst einige Jahre später, als der Entrepreneur und Autor Eric Ries das MVP 2011 in seinem Buch "The Lean Startup" mit der Lean-Startup-Methode weiterentwickelte und es zu einem wichtigen Bestandteil der agilen Softwareentwicklung machte.

Das Konzept des MVP geht davon aus, dass Unternehmen und Start-ups ihre Produkte so schnell wie möglich auf den Markt bringen und möglichst früh Feedback von der Kundschaft erhalten sollten, um sie in einer ständigen Iterationsschleife zu verbessern.

MVP vs. Prototype: Kennen Sie den Unterschied?

Die Begriffe Minimum Viable Product und Prototype werden häufig synonym verwendet, dennoch gibt es Unterschiede zwischen beiden Produkttypen. Zwar ist ein Prototyp ebenfalls eine erste Version eines Produkts oder einer Geschäftsidee. Doch der eigentliche Zweck eines Prototyps ist, eine Idee zu illustrieren und ihre technische Realisierbarkeit oder den Formfaktor eines Produkts zu prüfen. Dafür reicht es aus, wenn der Prototyp dem Endprodukt äußerlich entspricht – er muss nicht zwangsläufig funktionsfähig sein.

Das Minimum Viable Product ist im Vergleich dazu funktionsfähig und kann somit unmittelbar von Nutzerinnen und Nutzern eingesetzt werden. Das MVP kann Ihnen auf diese Weise echten Daten hinsichtlich der Nutzung und sowohl quantitatives als auch qualitatives Feedback liefern. Bei einem Prototypen sammeln Sie hauptsächlich Letzteres.

MVP vs. MMP: Wie lassen sich diese beiden Begriffe auseinanderhalten?

Die Abkürzung MMP steht für „Minimum Marketable Product”. Darunter ist die einfachste marktfähige Version eines Produkts zu verstehen, die Sie bereits an Kundinnen und Kunden verkaufen können.

Sowohl das Minimum Viable Product als auch das MMP sind zunächst auf grundlegende Funktionen beschränkt, das Minimum Marketable Product eignet sich jedoch eher für größere Produkteinführungen, da es bereits konkrete Kundenbedürfnisse adressiert. In vielen Fällen basiert es auf einem MVP, das mehrere Feedbackschleifen durchlaufen hat.

Ziel und Nutzen: Wofür wird ein MPV benötigt?

Das Ziel bei der Entwicklung eines MVP besteht darin, eine Produktidee schnell und unkompliziert umzusetzen und bereits früh Feedback von Kundinnen und Kunden zu erhalten, um es zu optimieren und auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zuzuschneiden.

In der Regel benötigen Sie für die Produktentwicklung und -vermarktung viele Ressourcen. Wer ein Produkt auf den Markt bringt, das niemand benötigt, hat viel Kapital umsonst ausgegeben. Genau hier liegt der größte Nutzen, den Sie aus einem Minimum Viable Product ziehen können: Es ist vergleichsweise kostengünstig und hilft Ihnen dabei, die Risiken Ihrer Produktidee besser und früher einzuschätzen und zu bewältigen.

Das gilt es bei einem MVP zu beachten

Bevor Sie sich an die MVP-Entwicklung machen, sollten Sie eine Reihe von Dingen berücksichtigen. Diese haben wir für Sie im Folgenden zusammengefasst:

  • Die Basisvariante, also das MVP Ihres Produktes, ist eine Art Rohfassung. Die Besonderheit liegt darin, dass damit ein Produkt auf den Markt kommt, das funktionsfähig, aber noch nicht ausgefeilt ist. Ein MVP sollte kostengünstig und nutzbringend sein, um Anklang bei der Kundschaft zu finden.
  • Eine Zielgruppenanalyse erleichtert die Entwicklung des Minimum Viable Products. Durch sie können genau die Kundinnen und Kunden identifiziert werden, die am meisten von der Lösung, die Ihr Produkt bietet, profitieren. Ihr Feedback ist bei der weiteren Produktentwicklung ebenso wichtig wie bei der Beurteilung der Marktfähigkeit.
  • Oft wird befürchtet, dass das MVP dazu führt, dass Konkurrenten die dahinterstehende Geschäftsidee stehlen. Realistisch betrachtet ist dieses Risiko jedoch deutlich geringer, als mit einem aufwendig entwickelten Endprodukt an den Bedürfnissen der Kundschaft „vorbeizuarbeiten“.
  • Ein Businessplan ist das Mittel der Wahl, um die wichtigsten Eckpunkte Ihres Vorhabens komprimiert darzustellen. Für ein MVP sollte der Businessplan allerdings überschaubar sein, um keine unnötigen Ressourcen zu binden und trotzdem das Wichtigste darzustellen.

Die Vorteile und Nachteile von Minimum Viable Products

Wenn Sie ein MVP entwickeln möchten, gibt es zahlreiche Vorzüge, von denen Sie profitieren, aber auch einige Schwächen, die Sie in Kauf nehmen müssen.

Vorteile eines MVPs:

  • Sie können überprüfen, ob auf dem Markt eine Nachfrage für Ihr Produkt besteht.
  • Sie können schneller auf sich ändernde Marktanforderungen reagieren.
  • Sie minimieren das Entwicklungsrisiko Ihres Produkts und vermeiden so unnötige Kosten.
  • Mithilfe von frühzeitigem Feedback von Nutzenden können Sie Ihr Produkt schneller und leichter optimieren.
  • Dank des konkreten Kundenfeedbacks und der darauf basierenden Anpassungen verbessern Sie Ihre Chance am Markt.
  • Ihre Testkundschaft – auch Early Adopters genannt – können Sie als Markenbotschafter und Influencer einsetzen. Auf diese Weise steigern Sie von Anfang an die Kundenloyalität.

Nachteile eines MVPs:

  • Durch den schrittweisen Entwicklungsprozess ist es schwierig, einen konkreten Zeitplan oder eine Kostenschätzung festzulegen.
  • Die Entwicklung eines finalen Produkts geht über das MVP hinaus. Viele Gründende haben bereits eine konkrete Vorstellung davon, wie Ihr Produkt am Ende aussehen soll. Müssen aber Kompromisse eingehen und Geduld aufbringen, wenn sie ihre Idee zunächst mit einem MVP testen möchten.

MVP-Prozess: Wie gehen Sie bei der Entwicklung vor?

Ein häufig verwendeter und empfohlener Ansatz bei der Entwicklung des Minimum Viable Products setzt sich aus den drei Phasen „Bauen“, „Messen“ und „Lernen“ zusammen. Bei dieser MVP-Methode durchlaufen Sie die folgenden Schritte:

  1. Überprüfen und gewichten Sie die Probleme und Bedürfnisse Ihrer Zielgruppe.
  2. Bestimmen Sie den wichtigsten Nutzen Ihres Produkts für Ihre Kundschaft.
  3. Gestalten Sie eine erste Version des Produkts (Bauen).
  4. Präsentieren Sie das Angebot und den Nutzen einer ausgewählten Gruppe von Anwenderinnen und Anwendern.
  5. Lassen Sie diese Early Adopters das Produkt testen und bewerten (Messen).
  6. Analysieren Sie das Nutzerfeedback.
  7. Entscheiden Sie basierend auf den Ergebnissen, ob Sie das MVP weiterentwickeln oder verwerfen oder ob Sie bereits ein nahezu fertiges und marktfähiges Produkt in den Händen halten (Lernen).

Beispiele für Einsatzgebiete: Wo werden MVPs eingesetzt?

In der Industrie, besonders im Maschinenbau, setzt sich seit einigen Jahren das Verfahren des Rapid Prototypings durch: Innovative 3D-Druck-Technologien erlauben eine schnellere und kostengünstigere Herstellung von Modell-Bauteilen, die als Minimum Viable Products unkompliziert und günstig herstellbar sind. Kunstobjekte und Replikate, Skulpturen und Plastiken, die auf dem Kunstmarkt, für Museen oder Ausstellungen interessant sind, können ebenfalls im Rapid-Prototyping-Verfahren hergestellt werden.

Neben diesen Einsatzgebieten zeigen die folgenden Beispiele weitere Möglichkeiten, wo und wie MVPs eingesetzt werden können.

Dropbox und sein Minimum Viable Product

Dropbox ist ein weltbekannter Cloud-Speicher, der als Paradebeispiel für ein Minimum Viable Product gilt. 2007 erschien ein Erklärvideo des Start-ups, das die Anmeldungen für den Dienst von 5.000 auf 75.000 steigerte.

Die ersten 3 Jahre waren eine Betaphase, die 2010 in der stabilen Version 1.0 mündete. 2010 wurde Dropbox für eine breitere Nutzer-Community zugänglich und erhielt weitere Zusatzfunktionen. Im Jahr 2011 wurde "Dropbox für Teams" eingeführt, 2016 dann "Dropbox Paper".

Die Weiterentwicklung von dem Video als Minimum Viable Product hin zu einem finalen Produkt ist typisch für den MVP-Prozess. Heute ist Dropbox mit einem Wert von über 8 Milliarden US-Dollar ein Schwergewicht in seiner Branche.

Wie Zalando von Zappos lernte

Auch im E-Commerce-Sektor wird das Konzept des Minimum Viable Products erfolgreich eingesetzt, wie das Beispiel Zalando zeigt. Im Jahr 2008 startete Zalando als Online-Schuhhändler nach dem Vorbild des amerikanischen Zappos, dessen Gründer die Schuhe in den heimischen Schaufenstern fotografierte und dann online anbot.

Das Berliner Unternehmen Zalando wiederum entwickelte sich innerhalb kurzer Zeit vom Schuh-Versandhändler zum breit aufgestellten Mode-Versandhändler. Inzwischen bringt Zalando sogar eigene Kollektionen heraus und ist bereits seit 2009 auch international tätig.

Airbnb: Von der eigenen Wohnung zur offiziellen Plattform

Airbnb ist ein weiteres Beispiel für ein erfolgreiches Minimum Viable Product. Die Gründer Brian Chesky und Joe Gebbia hatten zwar eine Idee und einen Businessplan für ihr Start-up, aber kein Startkapital und nicht einmal genug Geld, um ihre Miete zu zahlen.

Als in ihrer Nähe ein Event stattfand, nutzten sie die Gelegenheit, um ihre eigene Wohnung zur Verfügung zu stellen, Zimmer zu vermieten und Feedback von den Mietenden zu sammeln. Erst nach diesem ersten Test erstellten sie die offizielle Plattform und nutzten das Kundenfeedback, um sie zu optimieren. Heute generiert das Unternehmen jährlich einen Umsatz von rund 3 Milliarden US-Dollar.

Das Fire Phone von Amazon

Das Smartphone von Amazon zeigt, dass ein MVP nicht immer günstig und nicht zwangsläufig erfolgreich sein muss. Amazon wollte sich auf dem globalen Smartphone-Markt behaupten und brachte im Sommer 2014 das Fire Phone auf den Markt. Es stellte sich jedoch heraus, dass es nicht mit den Branchenführern mithalten konnte. Daher wurde das Fire Phone nach nur 15 Monaten und einem Investitionsbetrag von 170 Millionen US-Dollar als Fehlentwicklung vom Markt genommen.

Fazit: Mit einem MVP haben Sie geringeren Aufwand für weitere Produktentwicklungen

Das Minimum Viable Product ist eine Produktversion, die mit minimalem Aufwand erstellt wird und trotzdem funktionsfähig ist – eine perfekte Produktentwicklungsmethode nicht nur für Start-ups, sondern auch in etablierten Unternehmen. Es dient in der Testphase dazu, die Produktmerkmale, die Benutzerfreundlichkeit, den Product-Market-Fit und die Marktfähigkeit zu prüfen und es anschließend zu einem perfekt auf die Bedürfnisse der Kundschaft zugeschnittenen Produkt zu entwickeln.

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Titelbild: marchmeena29 / iStock / Getty Images Plus

Ursprünglich veröffentlicht am 1. März 2023, aktualisiert am März 01 2023

Themen:

Produktmanagement