Das Modell des Marktgleichgewichts, das sich aus den Begriffen Angebot und Nachfrage ergibt, ist in seinen Grundaussagen allgemein anerkannt und beschreibt den Grundmechanismus der Preisbildung auf einem freien Markt. Es ist entscheidend für die Positionierung einer Marke und die Erschließung neuer Märkte und Geschäftsfelder. Welche Menge eines Produkts kann voraussichtlich zu welchem Preis abgesetzt werden?
In diesem Artikel erfahren Sie, wie Angebot und Nachfrage zusammenhängen und inwiefern der Markt sich über beide Größen reguliert.
Was bedeutet Angebot und Nachfrage?
Angebot und Nachfrage sind die beiden wichtigsten Größen im Modell des Marktgleichgewichts. Das Angebot wird dabei von Dienstleistungen und Gütern gebildet. Die Nachfrage repräsentiert die Bereitschaft der Kundinnen und Kunden, diese Waren zu kaufen. Wenn die Menge der angebotenen Waren gleich der Nachfragemenge ist, ist der Markt im Gleichgewicht.
Angebot und Nachfrage: Die Kurven genauer betrachtet
Die Begriffe Angebot und Nachfrage stehen spätestens seit den Theorien von Adam Smith und David Ricardo im Fokus der Wirtschaftswissenschaften. Laut Definition sind Angebot und Nachfrage Mengen von Gütern, das heißt Waren und Dienstleistungen. Wie groß diese Mengen sind, ist abhängig vom Marktpreis, zu dem diese Güter gekauft und verkauft werden.
Das Verhältnis der beiden Faktoren Angebot und Nachfrage lässt sich anschaulich in einer Funktion bzw. Kurve widerspiegeln. Aus der Abbildung dieser zwei Funktionen und auch daraus, wie sie sich unter bestimmten Einflüssen verändern, lassen sich wichtige Informationen ableiten.
Die Angebotskurve
Die Angebotskurve beschreibt, wie viele Einheiten eines bestimmten Guts auf dem Markt angeboten werden. Dabei wird nicht nur das Angebot eines einzelnen Marktteilnehmers betrachtet, sondern die potenziell angebotene Gesamtmenge aller Güter. Grundsätzlich gilt: Wenn der Preis steigt, dann steigt folglich auch die angebotene Menge an Waren.
Zur Veranschaulichung dient folgende Rechnung: In einem fiktiven Beispiel zeigt die folgende Tabelle den Zusammenhang anhand des Milchpreises pro Liter. Die Kurve ist für das Modell stark vereinfacht, behält aber ihre Aussagekraft.
Milchpreis pro Liter |
Angebotene Menge |
0,5 Euro |
kein Anbieter motiviert, Angebot bei Null |
0,75 Euro |
1 Mio. Liter |
1,00 Euro |
2 Mio. Liter |
1,25 Euro |
3 Mio. Liter |
1,5 Euro |
4 Mio. Liter |
Die Nachfragekurve
Die Nachfragekurve beschreibt, wie viele Einheiten eines bestimmten Guts auf dem Markt nachgefragt werden. Dabei wird ebenfalls nicht die Nachfrage einzelner Marktteilnehmer beschrieben, sondern die potenziell nachgefragte Gesamtmenge zu bestimmten Preisen. Hier gilt: Bei niedrigerem Preis ist das Gut für mehr Käufer attraktiv. Eine wichtige Einschränkung bei diesem Faktor ist die Grenzmenge, bei der eine Marktsättigung erreicht wird.
Wenn der Bedarf vollständig gedeckt ist, gibt es auch bei noch niedrigeren Preisen keine Steigerung der nachgefragten Menge mehr. Das folgende Beispiel veranschaulicht vereinfacht den Zusammenhang am fiktiven Beispiel des Milchpreises:
Milchpreis |
Nachfrage |
0,00 – 0,4 Euro |
4 Mio. Liter – Marktsättigung ist erreicht, der Bedarf ist vollständig gedeckt |
0,5 Euro |
4 Mio. Liter |
0,75 Euro |
3 Mio. Liter |
1,00 Euro |
2 Mio. Liter |
1,25 Euro |
1 Mio. Liter |
1,5 Euro |
Nachfrage bei Null, Käufer ersetzen Milch vollständig durch andere Lebensmittel |
Veränderungen und Abweichungen
Die Angebots- und Nachfrage-Kurven geben jeweils den Zustand des Marktes zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder. Beide Kurven können sich verändern, wenn die Marktbedingungen sich ändern.
Beispiele für Veränderung der Angebotskurve
In der Branche der strategischen Unternehmensberatung treten in den letzten Jahren neue Akteure mit neuen Beratungsformen auf. Sie bieten vergleichbare Leistungen zum gleichen oder niedrigeren Preis an. Folge: Die Kurve verschiebt sich nach oben. Bei gleichem Marktpreis ist jetzt eine größere Menge an Leistung auf dem Markt.
Das Gegenteil lässt sich im Handwerk beobachten. Durch den Mangel an ausgebildetem Nachwuchs haben viele Meister, die in Rente gehen, keine Nachfolger. So sinkt effektiv die Zahl der Anbieter. Einige Betriebe nehmen das zum Anlass, ihre Stundensätze zu erhöhen.
Beispiele für Veränderungen der Nachfragekurve
Ebenfalls eine aktuelle Entwicklung auf dem Beratungsmarkt ist das zunehmende Bewusstsein für Herausforderungen der Digitalisierung. Mehr Unternehmen erkennen den Wert guter Beratung für ihre Wettbewerbsfähigkeit.
In einem anderen Szenario kann die zyklische Entwicklung der Preise für Wohnimmobilien in den kommenden Jahren dazu führen, dass die Preise am Wohnungsmarkt, die sehr lange gestiegen sind, wieder fallen. Damit wird die Investition in Wohnbauprojekte weniger rentabel.
Die Dynamiken von Angebot und Nachfrage sind essenzielle Kriterien für die Untersuchung von Märkten. Auf einem Käufermarkt herrscht ein hohes Angebot. Sinkende Nachfrage kann ebenfalls zu einem Käufermarkt führen. Sinkendes Angebot und eine steigende Nachfrage sind Kennzeichen eines Verkäufermarkts.
Das Marktgleichgewicht als Modell
Das Modell erklärt nun, wie im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ein relativ stabiler Zustand entsteht. Dieser Zustand wird als Marktgleichgewicht bezeichnet. Er ist dann erreicht, wenn Angebot und Nachfrage im Einklang stehen.
Ist das Marktgleichgewicht erreicht, herrscht weder ein Überangebot noch eine ungedeckte Nachfrage. Die Theorie spricht von Markträumung, weil die volle Menge der angebotenen Waren gekauft wird.
Die Grundannahme dahinter ist, dass jeder Markt von sich aus einen ausgeglichenen Zustand anstrebt und diesen ohne äußeres Eingreifen erreicht.
Die konkurrierenden Triebkräfte sind
-
der Wunsch der Anbieter nach möglichst hohem Profit
-
der Wunsch der Käufer nach möglichst hohem Nutzen
Diese Funktion steht hinter der Aussage „der Markt reguliert sich selbst".
Gleichgewichtspreis und Preisfindung
Die Variable, mit der die Selbstregulierung stattfindet, ist der Marktpreis. Das Gleichgewicht des Marktes ist erreicht, wenn die gesamte Menge der angebotenen Güter beim herrschenden Marktpreis gekauft wird. So ist kein Anbieter bereit, Güter zu einem niedrigeren Preis anzubieten.
Gleichzeitig können die Käufer ihren Bedarf befriedigen und es gibt keine weiteren Käufer, die bereit sind, einen höheren Preis zu bezahlen. Der Gleichgewichtspreis ist also der Preis, bei dem die Menge des Angebots mit der Menge der Nachfrage exakt übereinstimmt: der Schnittpunkt der Kurven von Angebot und Nachfrage.
Vollkommener Markt vs. realer Markt
Auf der einen Seite gibt dieses Modell die Grundmechanismen und die wichtigsten Einflussgrößen der Preisfindung auf einem freien Markt gut wieder. Auf der anderen Seite stößt es bei der praktischen Anwendung an vielen Stellen an Grenzen. Deshalb unterscheidet die Wissenschaft zwischen dem realen und vollkommenen Markt. In der Realität sind die Bedingungen für ein vollkommenes Marktgleichgewicht nie ganz erfüllbar. Auch in diesen Abweichungen steckt Erkenntnispotential.
Das Gleichgewicht kann durch die Marktmacht einzelner Anbieter verzerrt werden. Das passiert, wenn ein großer Anbieter aus taktischen Gründen vom Gleichgewichtspreis abweicht, um Konkurrenten auszuschalten, die sich etwa einen niedrigeren Preis nicht leisten können. Dieses Verhalten findet sich insbesondere im Discountbereich und kann gravierende Folgen für ganze Branchen nach sich ziehen.
Die Anzahl der Marktteilnehmer und die Verteilung der Marktmacht ist deshalb ein wichtiger Aspekt. Das Modell des Marktgleichgewichts mit klassischen Angebots- und Nachfrage-Kurven gilt für einen Markt mit vielen konkurrierenden Anbietern und Käufern. Monopole und Oligopole, aber auch Märkte mit nur wenigen Käufern (Monopson und Oligopson), folgen anderen Regeln.
Gestörtes Gleichgewicht durch unvollkommene Information
Der wichtigste Faktor, der Realität und Theorie trennt, ist die Reaktionsgeschwindigkeit. Ein vollkommener Markt reagiert sehr schnell auf jede Veränderung des Gleichgewichts. Das ist möglich, weil angenommen wird, dass alle Teilnehmenden zu jeder Zeit über sämtliche wichtigen Informationen verfügen, die den Markt beeinflussen.
Das kann auch langfristig das Gleichgewicht des Marktes stören, wie das „Lemon-Beispiel“ im Gebrauchtwagenhandel zeigt. Weil unerfahrene Käufer Gebrauchtwagen nur schwer bewerten können, wählen sie häufiger Fahrzeuge zu niedrigeren Preisen mit schlechterer Qualität („Lemons“ – vergleichbar mit „Montagswagen“). Obwohl eine Nachfrage dafür vorliegt, werden hochwertige Fahrzeuge verdrängt, weil sie nicht mit den scheinbar besseren Angeboten konkurrieren können.
In der Praxis sind die Reaktionen zum Teil extrem langsam. Der Hauptgrund dafür ist die mangelnde Marktübersicht. Ein Käufer kann sich nicht für ein günstigeres Angebot entscheiden, wenn er nichts davon weiß. Diese Übersicht herzustellen, ist oft mit erheblichen Kosten verbunden, die den Preisvorteil sogar ganz zunichte machen können. Zum Beispiel, wenn ein Käufer für das günstigere Angebot drei Stunden fahren muss. Oder wenn ein Anbieter ein großes Marketingbudget einsetzt, um über die Vorteile seines Angebots zu informieren.
Was beeinflusst Angebot und Nachfrage?
Für die strategische Planung im Unternehmen ist es extrem wichtig, Entwicklungen von Angebot und Nachfrage möglichst früh zu erkennen. Dafür muss die Unternehmensführung möglichst genau wissen, wodurch die beiden Faktoren beeinflusst werden.
Die Einflussgrößen im Modell des Marktgleichgewichts sind folgende:
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bestehender Marktpreis
Auf Nachfrageseite:
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Anzahl der Käufer
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Verfügbare Geldmenge
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Bedürfnisstruktur
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Marktpreis möglicher Ersatzgüter
Auf Angebotsseite:
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Anzahl der Anbieter
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Produktionsbedingungen
Eine spannende Erweiterung der Faktoren auf Angebotsseite wäre, auch hier die Bedürfnisstruktur mit zu betrachten. Wenn zum Beispiel der Wunsch nach sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit mit kurzfristiger Gewinnmaximierung konkurriert.
Auf diese Größen haben sehr viele untergeordnete Faktoren Einfluss. Ein großer Teil davon ist spezifisch für bestimmte Märkte, Branchen und Produkte: von der Unterbrechung von Lieferketten durch Naturkatastrophen bei Computerhardware bis zum demografischen Wandel in der Pflegebranche. Nur in den seltensten Fällen sind solche Entwicklungen völlig unvorhersehbar.
Ein umsichtiges Management bringt die wichtigen Einflüsse möglichst vollständig in Erfahrung. Unvorhersehbare Ereignisse erkennt die Unternehmensführung als Möglichkeit und adressiert sie anhand der Wahrscheinlichkeit des Eintreffens und des Ausmaßes der Auswirkungen im Risikomanagement. So macht das Verständnis von Angebot, Nachfrage und den Mechanismen des Marktgleichgewichts ein Unternehmen fähig, auch bei disruptiven Veränderungen erfolgreich zu bleiben.
Fazit: Angebot und Nachfrage bieten Unternehmen wichtige Einblicke in die Zukunft
Das Marktgleichgewicht aus Angebot und Nachfrage beschreibt ein einflussreiches Modell aus den Wirtschaftswissenschaften. Es beschreibt, wie freie Märkte ohne äußeres Einwirken ausgeglichen und stabil bleiben. Die Volkswirtschaft untersucht damit die Bedingungen für gesellschaftliche Wohlfahrt und Störungen des Gleichgewichts. Führungskräfte in Unternehmen können damit die elementare Bedeutung umfassender und kontinuierlicher Marktforschung deutlich nachvollziehen.
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