Das folgende Szenario dürfte so ziemlich jeder Agentur nur allzu gut bekannt sein … Sie haben einem potenziellen Kunden Ihren Pitch vorgestellt und die Antwort war: „Danke, wir denken darüber nach und melden uns.“

Die meisten Agenturen pitchen deutlich öfter, als sie ein Geschäft abschließen. Nach einer Weile ist das ganz schön frustrierend und oft ist man nah dran, einfach aufzugeben. Viele Agenturen haben Probleme mit dem Cashflow und stürzen sich deswegen auf jeden potenziellen Kunden, in der Hoffnung, Arbeit zu bekommen – ganz egal was für eine, Hauptsache es kommt wieder Geld rein. Klar, wir müssen alle unsere Rechnungen bezahlen. Aber setzen wir damit unsere begrenzten Ressourcen (Zeit, Energie und Geld) an der richtigen Stelle ein?

Natürlich ist es wichtig, Arbeit zu bekommen. Aber es hat sich wieder und wieder gezeigt, dass es viel wichtiger ist, die richtige Art von Arbeit zu bekommen und zwar von den richtigen Kunden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die tolle Agentur, die Sie gegründet haben, allmählich zu einem Job und/oder Ort wird, den sie hassen.

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Es gibt einen besseren Ansatz. Die erfolgreichsten Agenturen haben einen disziplinierten Verkaufsprozess, den sie strikt befolgen. Falls Sie also die große Kunst des Vertriebs noch nicht gemeistert haben, oder vielleicht Sie gar nicht wissen, wo sie mit der Qualifizierung eines potenziellen Kunden anfangen sollen, dann ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, das zu ändern.

Was versteht man unter Qualifizierung?

Bei der Qualifizierung geht es darum, zu bestimmen, ob potenzielle Kunden, die sich mit einer Anfrage an Sie gewandt haben, es wert sind, die Zeit und den Aufwand zu investieren, die es braucht, um Kunden aus ihnen zu machen. Sie haben richtig gehört – dass sie es wert sind, dass Sie Ihre Zeit für sie einsetzen. Denn Ihre Zeit ist wertvoll. Zeit ist keine erneuerbare Ressource. Wenn Sie die Zeit einmal aufgewendet haben, bekommen Sie sie nicht mehr zurück. Deswegen ist es einfach nur sinnvoll, sie so weise wie möglich einzusetzen.

Nur weil sich jemand bei Ihnen gemeldet hat (ein Online-Formular ausgefüllt, Ihnen am Messestand seine Karte in die Hand gedrückt, Sie angerufen hat usw.), heißt das noch lange nicht, dass er oder sie ein Lead ist. Ein solcher Kontakt ist einfach ein bisschen neugierig. Es ist noch viel zu früh, um zu bestimmen, ob es sich hier um eine echte Geschäftschance handelt oder eben nicht. Sie müssen dem potenziellen Kunden noch nicht den Hof machen.

Warum ist die Qualifizierung so wichtig?

Sagen wir es mal so: Würden Sie den ersten Kerl (oder das erste Mädel), den (oder die) Sie kennenlernen, einfach heiraten – weil er (oder sie) so nett ist oder hübsch aussieht? Gibt es nicht Tausende Dinge, die Sie wissen wollen, bevor Sie sich verloben? Beim Dating geht es im Prinzip um die Qualifizierung eines potenziellen Partners. Früher haben die Eltern den Partner „qualifiziert“ oder einen Heiratsvermittler engagiert. Das moderne Pendant dazu wäre ein Berater für die Agentursuche. So jemand kommt aber nur zum Einsatz, wenn der Kunde genug Geld hat. Falls nicht, müssen beide Seiten andere Methoden einsetzen: Empfehlungen und Online-Recherche.

Wenn Sie Ihre Vertriebsanfragen gezielt qualifizieren, setzen Sie Ihre Zeit und Energie intelligent ein. Studien haben ergeben, dass qualifizierte Leads einen höheren ROI und eine höhere Abschlussrate erzielen. Eine Studie von Conference Board hat gezeigt, dass bereits 57 % des Vertriebsprozesses (bzw. der Kaufentscheidung) abgeschlossen sind, wenn bei Ihnen das Telefon klingelt. Potenzielle Kunden sind heute besser informiert denn je. Das ist einerseits gut, andererseits aber auch schlecht.

Es ist „gut“, weil Sie sich diesen Informationsprozess mit den richtigen Marketingstrategien zunutze machen können. Sie können den Prozess dafür nutzen, Ihre potenziellen Kunden (bis zu einem gewissen Grad) zu qualifizieren, während diese Sie kennenlernen und anfangen, Sie zu mögen und Ihnen zu vertrauen. Vielleicht beschließen sie in dem Prozess aber auch selbst, dass Ihre Agentur nicht zu ihnen passt. Es ist „schlecht“, weil Sie den Vertriebsprozess viel weniger unter Kontrolle haben, als dies früher der Fall war.

Erkennen Sie Ihre besten und schlechtesten Kundenarten

Wenn Sie genau wissen, welche Kundenarten mit der Zusammenarbeit mit Ihnen besonders zufrieden und erfolgreich sind, wird es Ihnen leichter fallen, Vertriebsanfragen zu qualifizieren. Machen Sie sich damit vertraut, welche Arten von Kunden Sie am besten betreuen können.

Wichtig sind dabei Aspekte wie Unternehmensgröße, angebotene Produkte oder Dienstleistungen, die Branchen und Märkte, auf denen sie agieren, die Unternehmenskultur, die zur Verfügung stehenden Ressourcen, das Wettbewerbsklima, die Unternehmensschwerpunkte und Werte, die Persönlichkeit Ihres direkten Ansprechpartners beim Kunden, die Herausforderungen, mit denen Sie sich besonders gut auskennen und die Sie besonders gerne lösen. Vielleicht gibt es auch noch andere Aspekte, die Ihnen wichtiger sind. Fassen Sie sie in Worte.

Gleichzeitig ist es genauso wichtig zu verstehen, welche Kundenarten gar nicht zu Ihnen passen. Das sind nämlich diejenigen, die Sie an andere Agenturen verweisen sollten.

Mit einem passenden CRM-System haben Sie Zugriff auf eine Datenbank von Unternehmen, die Sie anhand dutzender Kriterien filtern können, z. B. nach Standort, Umsatz und Unternehmensgröße.

Erstes Ziel: Sortieren Sie unpassende Geschäftschancen sofort aus

Angenommen Ihre Pipeline ist voll von Anfragen an den Vertrieb. Dann ist Ihr nächster Schritt, sie zu qualifizieren. Ihr Ziel ist es, diejenigen Unternehmen so schnell wie möglich auszusortieren, bei denen nicht wirklich eine realistische Chance auf einen Geschäftsabschluss besteht. Je schneller Ihnen das gelingt, desto schneller finden Sie diejenigen, die Sie am ehesten zu Kunden machen können.

Der größte Fehler, den Sie begehen können, besteht darin, Leads zu verfolgen, die sehr wahrscheinlich nie konvertieren werden.

Die erfolgreichsten Business Development Manager sortieren unpassende Geschäftschancen so schnell aus, wie sie nur können. Sie wissen, dass sie kein Geld verdienen, indem sie sich vormachen, dass sie potenzielle Kunden zu einem Geschäftsabschluss überreden könnten. Potenzielle Kunden haben ihren eigenen Charakter. Informieren Sie sich, analysieren und eliminieren Sie. Und dann geht es weiter.

Stellen Sie gute Fragen

Es gibt eine Menge verschiedener Vertriebsmethodiken, die Sie einsetzen können. Die bekannteste und eine der am häufigsten eingesetzten Methodiken ist B.A.N.T.: „Budget, Authority, Need und Timing“ (Budget, Autorität, Bedarf und Zeitrahmen). Diese Methode wurde von IBM entwickelt. Aber B.A.N.T. wurde in einer Zeit entwickelt, als Vertriebsmitarbeiter noch eine größere Kontrolle über die Informationen hatten, die potenzielle Kunden erhalten. Das reicht heute nicht mehr aus.

Heute hat der Käufer die Fäden in der Hand, weswegen auch neue Methodiken entwickelt wurden. Peter Caputa, der Vice President of Sales bei HubSpot, und sein Team haben eine Methode entwickelt, die sie GPCTBA/C&I nennen. Das steht für „Goals, Plans, Challenges, Timeline, Budget, Authority, [Negative] Consequences und [Positive] Implications“ – zu Deutsch: Ziele, Pläne, Herausforderungen, Zeitplan, Budget, Autorität, [negative und positive] Konsequenzen. Durch diese Methodik kann das Vertriebsteam von HubSpot im Entscheidungsprozess von potenziellen Kunden einen echten Mehrwert beitragen. 

Gute Fragen sind provokativ. Sie bewirken, dass potenzielle Kunden ihre Herausforderungen durchdenken und Ihnen Informationen zur Verfügung stellen, anhand derer Sie bestimmen können, ob sie gut zu Ihrem Unternehmen passen. Weiterhin können Sie ihre Probleme oder Herausforderungen diagnostizieren und beschließen, ob Sie eine Beziehung zueinander aufbauen können, von der beide Seiten profitieren.

Planen Sie Ihre Fragen

Passen Sie die Fragen dem aktuellen Stand Ihrer Beziehung an. Ihre Fragen sollten sich weder wie ein Verhör anfühlen, noch sollten sie jemanden abschrecken, der vielleicht noch nicht bereit ist, diese Themen mit Ihnen zu besprechen.

Bedenken Sie, dass es Ihr erstes Ziel ist, unpassende Geschäftschancen zu disqualifizieren. Stellen Sie Fragen, mit denen Sie diese aussortieren können. Hierbei kommen wieder ihre besten/schlechtesten Kundendaten zum Einsatz. Finden Sie die „schlechtesten“ und lösen Sie sich von ihnen.

25 provokative Fragen zu Qualifizierung

Wir haben einige nützliche Fragen für Sie zusammengestellt, die in verschiedenen Stadien der Qualifizierung eingesetzt werden können. Verwenden Sie diese als Ansatzpunkt, um Ihre eigene Liste zu erstellen. So gelingt es Ihnen, unpassende potenzielle Kunden von denen zu trennen, die Gold wert sind.

  1. Aus welchen Gründen suchen Sie nach einer neuen Agentur? Was hat Ihre Entscheidung ausgelöst, eine Agentur zu engagieren? Warum ist das so dringend oder wichtig?
  2. Welche Erfahrungen – gute oder schlechte – haben Sie bereits mit anderen Agenturen gemacht? Was soll sich dieses Mal ändern?
  3. Welche Ergebnisse erwarten Sie von unserer Zusammenarbeit?
  4. Was sind Ihre Unternehmensziele?
  5. Welche Aufgaben sind am wichtigsten, welche am dringendsten? Wenn diese Dinge unterschiedlich sind, fragen Sie: Was muss getan werden, um sich auf die wichtigsten Dinge konzentrieren zu können? Wie kann die dringendste Aufgabe weniger dringend werden? Worin liegt die größte Marketing-Herausforderung Ihres Unternehmens?
  6. Warum können Sie diese Herausforderung nicht überwinden oder meistern?
  7. Welche internen Ressourcen haben Sie, um diese Herausforderung anzugehen?
  8. Wie gut geht es Ihrer Konkurrenz?
  9. Was machen Ihre Wettbewerber, das Sie nicht machen, aber gerne tun würden?
  10. Worin wollen Sie am besten sein? Wofür soll Ihr Unternehmen oder Ihre Abteilung bekannt sein?
  11. Worauf soll Ihr Ruf aufbauen? Wofür sind Sie gewillt, Ihren Ruf aufs Spiel zu setzen?
  12. Was ist Ihr durchschnittlicher Gesamtertragswert eines Kunden (LTV, lifetime value)?
  13. Was kostet Sie Ihre Kundenakquise (CAC, cost of acquisition)?
  14. Was ist Ihr derzeitiger Marketing-ROI?
  15. Mit welcher Abteilung in Ihrem Unternehmen ist die Zusammenarbeit am schwierigsten?
  16. Wie sieht die Beziehung Ihrer Abteilung mit Ihrem Vertriebsteam aus?
  17. Wie könnten Sie Ihre Beziehung mit der (internen Abteilung aus Frage 15) verbessern?
  18. Welchen Prozess haben Sie für die Auswahl einer Agentur? Haben Sie diesen Prozess bereits eingesetzt? Was hat funktioniert, was nicht? Was beabsichtigen Sie zu tun, um ein anderes Ergebnis zu erreichen?
  19. Wer ist an der Entscheidung beteiligt? Wer unterzeichnet den Vertrag?
  20. Wenn Sie keine Agentur engagieren, wie werden Sie Ihre Herausforderung überwinden? Was werden Sie tun?
  21. Wie werden Sie erkennen, dass wir für Sie erfolgreich sind?
  22. Wenn sich Ihr Marketing nicht verbessert, welche Kosten kommen dann auf Ihr Unternehmen zu?
  23. Wenn wir für Sie die gesteckten Ziele erreichen, wie viel ist das Ihrem Unternehmen wert?
  24. Welche Probleme sehen Sie im Laufe der Zeit, die unsere Zusammenarbeit behindern oder einschränken könnten?
  25. Was bereitet Ihnen schlaflose Nächte? Oder was brauchen Sie, damit Sie nachts ruhig schlafen können?

Fazit

Ein potenzieller Kunde sagt Ihnen vielleicht, dass er an Ihren Leistungen interessiert ist. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass er es wert ist, von Ihnen ein Angebot, einen Pitch, einen Kostenvoranschlag oder einen Gesprächstermin zu bekommen, um ihm dabei zu helfen, eine Lösung für sein Problem zu finden.

Erstellen Sie ihren eigenen Vertriebsprozess. Entwickeln Sie Ihr ideales Kundenprofil. Bestimmen Sie die guten und schlechten Faktoren, anhand derer Sie messen können, wie eine erfolgreiche Beziehung mit Ihrer Agentur aussehen soll. Qualifizieren Sie Ihre Leads anhand dieser Faktoren und beseitigen Sie diejenigen, die nicht passen. Fokussieren Sie Ihre Energie und Zeit auf die Qualifikation der Übrigen.

Vielleicht klappt das nicht beim ersten, zweiten oder sogar beim dritten Mal. Sie müssen Ihren Prozess weiter verfeinern, bis Sie die Fragen finden, die am besten funktionieren. Mit Beharrlichkeit erreichen Sie ihr Ziel. Je schneller Sie es angehen, desto bessere Kunden werden Sie bekommen, desto mehr Spaß werden Sie haben und desto erfolgreicher wird Ihr Unternehmen.

Welche Fragen benutzen Sie, um Ihren potenziellen Kunden auf den Zahn zu fühlen? Berichten Sie uns davon in den Kommentaren.

E-Book lesen: Meetings mit potenziellen KundenDieser Artikel ist ursprünglich auf dem HubSpot.com-Blog erschienen und wurde aus dem Englischen übersetzt.

Ursprünglich veröffentlicht am 16. März 2017, aktualisiert am Januar 18 2023

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Agenturneugeschäft