Neben Content-Marketing gehört auch der Begriff Agile Marketing in Deutschland mittlerweile zum Alltag in Unternehmen. Allerdings können nur wenige wirklich etwas damit anfangen. Ist es ein neuer Hype, der bald wieder verpufft, oder ist es eine Entwicklung des Marketings, an der kein Unternehmen vorbeikommt?
Hier erfahren Sie, was Agiles Marketing bedeutet und welche Methoden es gibt, und holen sich für eigene Projekte anhand von Beispielen neue Inspiration.
Agilität bedeutet, sich schnell und flexibel auf äußere Einflüsse einstellen zu können. Das agile Projektmanagement steht schon länger für effiziente Prozesse und innovative Organisationen. Die Methoden Scrum und Kanban sind gerade bei Agenturen beliebte Methoden für das Projektmanagement. Sie erfordern moderne Strukturen und eine offene, flexible Unternehmenskultur.
Märkte und Zielgruppen verhalten sich dynamisch. Unternehmen, die agil auf Marktveränderungen oder neue Kundenbedürfnisse reagieren und ihre Marketingkampagnen gezielt anpassen, zählen zu den Gewinnern ihrer Branche. Um für die Zielgruppe wirklich relevanten Content zur richtigen Zeit und am richtigen Ort liefern zu können, sind starre Hierarchien und endlose Freigabeprozesse daher fehl am Platz.
Leider fällt es gerade in Deutschland vielen Unternehmen noch schwer, sich zu ändern und eingefahrene Strukturen über Bord zu werfen. Agilität im Unternehmen bedeutet, dass man bei Bedarf ändern und umstrukturieren kann.
Im Juli 2012 wurde das Agile Marketing Manifesto in englischer Sprache von einer Gruppe Marketer in San Francisco veröffentlicht. Es bildet heute das Fundament für agiles Marketing in Firmen und enthält sieben Werte, die sich für jeden Marketingprozess anwenden lassen:
Erreicht werden sie mit Grundsätzen, die in dem Agile Marketing Manifesto verankert sind. Diese lauten unter anderem:
Organisationen, die ihr Marketing agil aufziehen, profitieren von einer ganzen Reihe von Vorteilen. Zunächst wird die Kommunikation zwischen verschiedenen Abteilungen transparent und Aufgaben sind nachvollziehbar. Probleme und Schwierigkeiten im Projekt werden offen in täglichen Team-Meetings angesprochen.
Agiles Marketing macht es außerdem möglich, flexibel auf Marktveränderungen und Trends zu reagieren. Kurze Zyklen und damit verbundene Reaktionszeiten gestalten das ganze Unternehmen flexibler. Zielgruppenspezifische, regionale Marketingkampagnen lassen sich so einfacher umsetzen.
Organisationen erzielen über Agile Marketing mehr Reichweite und Marketingmaßnahmen lassen sich besser anhand von Kennzahlen und Interaktionen mit Kundinnen und Kunden bewerten. Marken intensivieren den Kundendialog und stellen an wichtigen Touchpoints relevante Informationen zur Verfügung, welche die Kaufentscheidung positiv beeinflussen.
Zusätzlich steigt die Performance der Mitarbeitenden, da alle wissen, auf welche Aufgaben sie sich konzentrieren sollen. Besonders vorteilhaft, auch langfristig gesehen: Jedes Learning fließt in den nächsten Schritt ein.
Viele Unternehmen versuchen sich am agilen Marketing, doch nur wenige feiern große Erfolge. Für eine derart kreative und schnelle Reaktion darf es nämlich kein Silodenken geben und das Unternehmen muss in agilen Projekt-Teams organisiert sein.
Agiles Marketing ist eine umfassende Transformation für Unternehmen, um sich in einer digitalen Welt und sich ständig ändernden Zeit den größtmöglichen Erfolg im Marketing zu sichern. Zielgruppenkenntnis durch Zuhören, Monitoring und professionelles Community Management in den Social Media bilden dabei die Grundlagen.
Die Corona-Pandemie war eine Ausnahmesituation, die Unternehmen dazu zwang, aktuelle Werbekampagnen einzufrieren und das Marketing in kurzer Zeit an die aktuelle Situation anzupassen. Besonders Firmen in Touristik, in der Reisebranche und Gastronomie waren betroffen, weil beispielsweise Reisen im In- und Ausland oder Essengehen im Restaurant für viele Monate nicht möglich waren.
Auch das Einkaufsverhalten hatte sich geändert und der Onlinehandel erlebte einen wahren Boom, gerade im Bereich der Lieferdienste. Dank agilem Marketing konnten Marken emotional auf die Lage und besonderen Bedürfnisse der Menschen in dieser Zeit eingehen, was die Kundschaft positiv empfand. Bekannte Unternehmen wie Burger King, Facebook und Edeka riefen in ihren Markenbotschaften zu Zusammenhalt und Social Distancing auf.
Während der COVID-19-Krise war es für viele Menschen wichtig, mit Freunden, Familie und Bekannten in Verbindung zu bleiben. Facebook veröffentlichte 2021 den einfühlsamen 90-Sekunden-Film „Never Lost“, der echte Geschichten und Nutzerinhalte aus der ganzen Welt zeigte. Die Kombination aus starken Bildern und emotionalen Zeilen des Songs „People's Faces“ der britischen Poesie-Ikone Kae Tempest sorgte für große Aufmerksamkeit, auch außerhalb des sozialen Netzwerks:
Quelle: Screenshot YouTube-Video von Facebook
Edeka demonstrierte in Zeiten von Abstand und ohne den Einsatz zahlreicher Schauspielerinnen und Schauspieler mit dem TV-Spot „Jeder eurer Schritte“, dass kreative Werbekampagnen trotz großer Einschränkungen machbar sind. Für ein sicheres Einkaufen in den Märkten standen in Film und Anzeige die Abstandsregeln, also „die täglichen Tanzschritte für den Abstand“, im Mittelpunkt:
Quelle: Screenshot YouTube-Video von Edeka
Quelle: Screenshot Plakat von Edeka
Während der Lockdowns in Frankreich waren alle Restaurants der Fastfoodkette Burger King geschlossen. Damit die Fans auf ihren Whopper-Genuss nicht verzichten mussten, veröffentlichte der französische Zweig des Unternehmens auf Twitter den Burger zum Nachbauen, „Le Whopper de la Quarantaine“ – virales Marketing mit einem Twist.
Quelle: Screenshot Tweet von Burger King France
Mit dem Ende vieler Corona-Maßnahmen im April 2022 fiel auch die Maskenpflicht weg. Nach jahrelangem Tragen von Mundbedeckungen wuchs die Nachfrage der Kundinnen und Kunden nach dekorativer Kosmetik. Diese schnelle Marktentwicklung machte sich die Marke Labello der Beiersdorf AG zunutze und startete zum optimalen Zeitpunkt mit der Bewerbung des farbigen 2-in-1-Lippenpflegestifts „Labello Caring Beauty“ auf Instagram, um Early Adopter frühestmöglich abzuholen:
Quelle: Screenshot Instagram-Post von Labello Deutschland
Oreos Reaktion in Echtzeit mit dem „Dunk in the Dark“ während des Superbowl 2013 gilt als Paradebeispiel für Agile Marketing. Innerhalb von nur acht Minuten hatte die Keksmarke mit einem geistreichen, witzigen Tweet auf den Stromausfall während des Events reagiert, der eine enorme Reichweite in den Social Media erzeugte. Für eine derart schnelle und kreative Reaktion darf aber kein Silodenken existieren, stattdessen sollte das Unternehmen in agilen Projektteams organisiert sein.
Damit allein ist es aber auch nicht getan: Agiles Marketing ist eine umfangreiche Veränderung für Unternehmen, um sich in einer digitalen Welt und volatilen, sich wandelnden Zeit den größtmöglichen Erfolg im Marketing zu sichern. Zielgruppenkenntnis durch Zuhören, Monitoring und professionelles Community Management in den sozialen Medien bilden dabei die Grundlagen.
Quelle: Screenshot Tweet von Oreo
Agiles Marketing hat sicherlich eine neue Ära des Marketings eingeläutet. Die Menschen sind werbemüde und halten sich im Internet in erster Linie aus zwei Gründen auf: Sie möchten sich mit ihrem Netzwerk austauschen und Informationen oder Unterhaltung suchen. Und genau aus diesem Grund funktioniert Agile Marketing, da die richtige Zielgruppe zum richtigen Zeitpunkt erreicht werden kann.
Klassische Methoden wie Bannerwerbung verpuffen und nerven die Nutzerinnen und Nutzer zunehmend. Warum sollte man sie also als Marketingmaßnahmen wählen, wenn man Kundschaft eigentlich anziehen und zufrieden machen will?
Die agile Herangehensweise kann flexibel auf verschiedene Projekte im Unternehmen angewendet werden, ob Ad-Kampagne oder Content-Erstellung. Der große Unterschied zum klassischen Projektmanagement: Es gibt keine Projektleitung, die Aufgaben an andere delegiert.
Bewährte Methoden zum agilen Arbeiten sind Scrum, Kanban und Scrumban.
Das Scrum-Framework wurde Anfang der 90er Jahre von Jeff Sutherland und Ken Schwaber entwickelt. Die Technik besteht aus festen Rollen, Ereignissen, Artefakten und Regeln. Für autonome Teams mit langfristigen Projekten, wie etwa im Marketing eines Unternehmens, eignet sich die Methode sehr gut.
Wichtig ist, dass jede Rolle von einer Person zu 100 Prozent ausgefüllt wird. Scrum ist zwar leicht zu verstehen, aber das Implementieren in Organisationen ist aufwendig. Voraussetzung für zufriedenstellende Ergebnisse ist, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbstverantwortlich in ihren Rollen arbeiten und gleichzeitig die vereinbarten Regeln einhalten.
Kanban visualisiert die Projektarbeit und den Workflow auf einem Projektboard. Dadurch lassen sich Probleme im Workflow auf den ersten Blick erkennen. Die Kanban-Methode hat sich für abteilungsübergreifende Projekte in Unternehmen bewährt, gerade im Bereich Kommunikation und Marketing.
Die Einführung in Firmen gelingt leicht, da es zu Beginn keine großen Wechsel bei Rollen, Verantwortlichkeiten oder Teamstrukturen gibt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bearbeiten eine Aufgabe nach der anderen und können sich so gut auf ein Thema konzentrieren.
Die Hybridform aus beiden agilen Methoden nennt sich Scrumban. Sie verbindet beispielsweise tägliche Team-Updates oder die Scrum-Rollenverteilung mit einer visuellen Projektplanung am Board nach Kanban. Durch die verbesserte Visualisierung arbeiten die Teams effizienter zusammen, reagieren noch flexibler auf Veränderungen im Workflow und liefern so bestmögliche Ergebnisse im Projekt.
Starre Strukturen und langwierige Prozesse stehen vielen Teams bei ihrer täglichen Arbeit im Weg und sind im digitalen Marketing nicht mehr zielführend. Eine transparente, offene Unternehmenskultur, eine gemeinsame Vision und die vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe machen Agile Marketing in Unternehmen erst möglich.
Klare Strukturen, der Einsatz bewährter Methoden und ein festes Wertenetz geben Orientierung. Durch das interdisziplinäre Arbeiten wird klassisches Silodenken abgebaut und die Produktivität der Teams nachhaltig gesteigert.
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