Back-to-Back-Meetings von früh bis spät: Was für den einen nach Produktivität klingt, bedeutet für den anderen vollkommene Erschöpfung. Wenn der Klick zur Zoom-Einladung nicht weit ist, kommt es häufig vor, dass sich Besprechung an Besprechung reiht.
Mitarbeitende bekommen kaum die Chance einmal richtig durchzuatmen – und das schlägt sich auf die Gesundheit nieder. Mittlerweile gibt es sogar einen Begriff für die Erschöpfung nach Videokonferenzen: Zoom Fatigue. Was es mit dem Begriff auf sich hat, was aktuelle Studien dazu sagen und wie Sie dem Phänomen entgegenwirken können, erfahren Sie hier.
Was ist Zoom Fatigue?
Die Wortschöpfung setzt sich aus dem Videokonferenz-Anbieter Zoom und dem französischen Wort „fatigue“ für Müdigkeit zusammen. Gemeint sind die Ermüdung und Erschöpfung, die sich bei vielen Menschen durch die gesteigerte Kommunikation per Video einstellt.
Zoom-Müdigkeit wird auch von anderen Videokonferenz-Tools ausgelöst
Obwohl das beliebte Kommunikationstool Zoom der Zoom Fatigue seinen Namen gibt, steht der Anbieter keinesfalls als alleiniger Verursacher da: Microsoft Teams, Skype, GoToMeeting, Google Hangouts und alle weiteren Lösungen funktionieren derzeit alle nach dem gleichen Prinzip. Ganz gleich also, welches Videokonferenz-System Sie benutzen, jedes trägt bei übermäßiger Nutzung zur Erschöpfung der Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer bei.
Zoom Fatigue: Studie belegt das Phänomen
Videokonferenzen sind in Zeiten von Remote Office eine dankbare Lösung für Meetings. Die Distanz kann mittels Digitalisierung überwunden werden – und zudem bieten die Videokonferenz-Tools Unternehmen eine kostengünstige Alternative zu Geschäftsreisen.
Doch Studien belegen nun, dass die Always-on-Mentalität, die durch Webkonferenzen verstärkt wird, negative Auswirkungen bis hin zu körperlichen Erkrankungen haben kann. Das Institut für Beschäftigung und Employability IBE wies nach, dass fast zwei Drittel der Menschen Zoom Fatigue verspüren.
Bemerkbar macht sich das Phänomen vor allem durch Konzentrationsschwierigkeiten, weniger Geduld und erhöhte Reizbarkeit. Doch auch körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Rückenschmerzen oder sogar Sehstörungen können die Folge sein.
Das Ermüdungssyndrom trifft vor allem Frauen
Eine andere Untersuchung der Stanford University zeigt zudem, dass mehr Frauen - nämlich eine von sieben - als Männer - einer von zwanzig - von Zoom Fatigue betroffen sind. Sich ständig im Dialogfenster selbst zu sehen, ist dabei die größte Herausforderung: Besonders Frauen können dadurch häufiger mit der Frage konfrontiert werden, wie sie auf die Außenwelt wirken und welche vermeintlichen Makel ihr Aussehen hat.
Durch die dadurch ausgelöste sogenannte Zoom-Dysmorphie, bei der Menschen Makel in ihrem Aussehen empfinden, die andere gar nicht wahrnehmen, führte sogar zu einer merklichen Zunahme von Schönheitsoperationen.
Wie entsteht Zoom Fatigue?
Ausgelöst wird Zoom Fatigue, auch Concentration Fatigue genannt, durch eine Reihe von Faktoren, die in der technischen Umsetzung von Webkonferenzen begründet liegen. Die Studie der Stanford University stellt die vier Kriterien vor, die maßgeblich zur Erschöpfung beitragen: intensiver Blickkontakt, selbstbezogene Aufmerksamkeit, eingeschränkte Mobilität und kognitive Belastung. Zusammen begünstigen sie die Entstehung der belastenden Zoom Fatigue maßgeblich.
Intensiver Blickkontakt
Die Kommunikation über Videokonferenzen ist besonders für unsere Augen eine hohe Belastung. Anders als in Face-to-Face-Gesprächen sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Videokonferenzen ständig den Gesichtern aller anderen Menschen ausgesetzt. Während in persönlichen Gesprächen der Augenkontakt umherwandert, ist das Blickfeld bei einem Zoom-Call immer auf alle gerichtet – einschließlich sich selbst.
Hinzu kommt, dass kein direkter Augenkontakt wie etwa in der persönlichen Kommunikation stattfindet. Möchten Sie Ihrem Gegenüber direkt in die Augen blicken, müssten Sie in die Kamera schauen, dann wiederum sehen Sie jedoch die Augen Ihres Gegenübers nicht.
Selbstbezogene Aufmerksamkeit
Unnatürlich ist an Skype-, Zoom- oder Teams-Meetings auch, dass sich Personen im Chatfenster stetig selbst betrachten. Vor allem bei Frauen löst die Selbstbeobachtung einen enormen Druck aus. Studien belegen, dass das ständige Betrachten im Spiegel negative Emotionen hervorrufen kann.
Eingeschränkte Mobilität
Bei persönlichen Meetings oder Telefonkonferenzen können sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer frei im Raum bewegen – Videokonferenzen hingegen schränken die Mobilität stark ein. Weil das Blickfeld auf den Kamerawinkel begrenzt ist, haben Teilnehmende keine Chance, sich großartig vom Bildschirm wegzubewegen. Jede kleine Veränderung wird außerdem von allen anderen Personen sofort wahrgenommen.
Kognitive Belastung
Über 55 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die stetig Video-Calls ausgesetzt sind, sehen laut der Stanford-Erhebung vor allem in der schlechten Tonqualität eine hohe Belastung. Die lineare Kommunikation wird durch eine schlechte Internetverbindung, verzögerte Tonspuren und verpixelte Bilder erschwert.
Auch Mimik und Gestik können schlechter gesendet und empfangen werden. Zudem sorgt die Umgebung bei jeder Person für Ablenkung. Da jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin anderen äußeren Umständen ausgesetzt ist, ist die kognitive Belastung besonders hoch.
Was tun gegen Zoom Fatigue?
Um Zoom Fatigue entgegenzuwirken, gibt es mehrere Ansätze: Video ausgeschaltet lassen und nur per Audio teilnehmen, aktive Pausen einlegen, Online-Meetings nach Möglichkeit reduzieren, Multitasking vermeiden und die direkte Umgebung so angenehm und bequem wie möglich gestalten.
Wie können Sie nun dafür sorgen, dass Ihre Mitarbeitenden von Zoom Fatigue nicht heimgesucht werden oder diese sogar ins Ermüdungssyndrome umschlägt? Nachfolgend stellen wir Ihnen fünf Tipps vor, mit denen Sie präventiv gegen das Ermüdungssyndrome vorgehen:
Tipp 1: „Audio only“
Stellen Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern frei, ob Sie ihr Video anschalten möchten oder nicht. So verringern Sie den Druck, unter stetiger Beobachtung zu stehen. Ein weiterer Tipp: Minimieren Sie das Fenster des Video-Calls, um die Gesichter der anderen mit größeren Abstand betrachten zu können.
Tipp 2: Aktive Pausen
Back-to-Back-Meetings sind kein Trend, den Unternehmen leben sollten. Stattdessen gilt es, aktive Pausen einzulegen und die Meetingzeiten zu verringern – so fördern Sie ganz nebenbei auch die Produktivität Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Tipp 3: Online-Meetings reduzieren
Wägen Sie immer ab, welche der anwesenden Personen tatsächlich etwas aus dem Meeting mitnimmt, und entscheiden Sie so, wer wirklich am Meeting teilnehmen sollte. Sie reduzieren so die Meeting-Last und sorgen gleichzeitig dafür, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur bei den Gesprächen anwesend sind, aus denen sie einen Mehrwert schöpfen. Unser Tipp: Stellen Sie Kolleginnen und Kollegen, wenn möglich, die Teilnahme frei und steigen Sie stattdessen auf kurze Telefonate um.
Tipp 4: Multitasking vermeiden
Während das Zoom-Meeting läuft, ist es ein Leichtes, andere Aufgaben nebenher zu erledigen. Das sorgt jedoch für eine höhere Belastung und mindert die Konzentrationsfähigkeit. Lassen Sie deshalb für die Zeit des Meetings alle anderen Aufgaben liegen, sodass Sie sich voll und ganz auf das Gespräch konzentrieren können.
Tipp 5: Bequemes Umfeld schaffen
Sorgen Sie für eine Atmosphäre, in der Sie gut sitzen und gegebenenfalls aufstehen können. Schaffen Sie einen Raum, in dem Sie wenig Ablenkung erfahren, sodass selbst längere Zoom-Meetings nicht zur Qual werden.
Unternehmen tragen Verantwortung für das Zoom Fatigue-Syndrome
Digitale Lösungen bringen neben vielen Vorteilen auch immer Nachteile mit sich, die sich im schlimmsten Fall auf die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auswirken können. Unternehmen sollten sich deshalb dazu verpflichtet sehen, die Erkenntnisse der Studien anzunehmen und einen Rahmen zu schaffen, in dem Meetings virtuell stattfinden können, ohne dabei ein Ermüdungssyndrom bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auszulösen.
Ermitteln Sie einen Ist-Zustand in Ihrer eigenen Firma und finden Sie heraus, ob Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von dem Zoom Fatigue-Syndrom bereits betroffen sind. Ergreifen Sie aktive Maßnahmen, um Ihre Angestellten zu entlasten.
Fazit: Vermeiden von Zoom Fatigue: Tipps umsetzen, um Mitarbeitende zu schützen
Zoom Fatigue ist in Unternehmen, die aufgrund von Remote Office ständig auf Webkonferenzen zurückgreifen, längst keine Seltenheit mehr. Das Ermüdungssyndrom ruft bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern negative Gefühle hervor und kann sich mitunter auf die körperliche Gesundheit auswirken.
Schützen Sie Ihre Belegschaft durch aktive Pausen und eine Reduktion von Online-Meetings. Nehmen Sie außerdem den Druck, immer die Kamera anschalten zu müssen – denn im Zweifelsfall ist ein Anruf sogar ausreichend.
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