Digitale Technologien eröffnen Unternehmen den Weg zur konstanten Überwachung ihrer Mitarbeitenden − z. B. durch GEO-Lokalisierung, elektronische Devices und interne Social-Media-Plattformen. Vergleiche zum Taylorismus, die der Forderung nach New Work und Agilität konträr gegenüberstehen, stoßen auf Führungsebene auf wenig Begeisterung.

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Scientific Management: So ist der Taylorismus entstanden

Ziel des US-amerikanischen Ingenieurs, Unternehmensberaters und Privatdozenten Frederick Winslow Taylor (1865-1915) war es, durch eine Modernisierung der industriellen Arbeitsweise dem Wirtschaftlichkeits- und Effizienzdruck seiner Zeit zu begegnen und qualitativ hochwertige Produkte zu bezahlbaren Preisen herzustellen. Dieses Prinzip ist auch unter dem Namen Scientific Management bekannt.

Leitungs-, Planungs- und Organisationsaufgaben grenzte er strikt von ausführenden Tätigkeiten ab. Er erfand das Prinzip der Arbeitsteilung und verband es mit einem leistungsorientierten Entlohnungssystem.

Als positive Effekte ergaben sich die Verkürzung der Arbeitszeit in Kombination mit einer höheren Entlohnung durch signifikante Produktivitätssteigerungen.

Frederick Winslow Taylor fasste seine Erkenntnisse in seinem Hauptwerk „Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung“ aus dem Jahre 1911 zusammen.

Welche Absicht steckt hinter dem Taylorismus?

Fundament des Taylorismus ist die Beobachtung und Dokumentation aller Arbeitsabläufe inklusive einer präzisen Zeitmessung per Stoppuhr, mit dem Ziel, Verbesserungs- und Effizienzsteigerungspotenziale aufzudecken.

Alle notwendigen Arbeitsschritte werden infolge der lückenlosen Überwachung neu geordnet, zu festen Einheiten zusammengefasst und einer strengen Taktung unterzogen. Der hohe Grad an Arbeitsteilung und eine strenge Trennung von Hand- und Kopfarbeit begründeten das enorme Wirtschaftswachstum des 20. Jahrhunderts.

Taylorismus in der praktischen Umsetzung

Ein anschauliches Beispiel für den Erfolg des Taylorismus ist die Fertigung des Ford T-Modells von Henry Ford (1863-1947), der die Ideen von Taylor konsequent umsetzte und die industrielle Massenfertigung etablierte. Durch die Rationalisierungseffekte ließen sich die Stückkosten erheblich senken und das Automobil hielt Einzug in die Mittelklasse.

Ford beobachtete, dass seine Arbeiter und Arbeiterinnen einen Großteil ihrer Arbeitszeit damit verbrachten, Werkzeug zu suchen oder zu schleifen. Er strukturierte den Herstellungsprozess von Grund auf neu, stellte seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Hilfsmittel zur Verfügung und erfand das Fließband als Weiterentwicklung der Ideen Taylors.

Jede einzelne Person wurde auf einen bestimmten Bereich spezialisiert. Leistungsort, Arbeitszeiten, Zielvorgaben und Akkordlohn waren von Unternehmensseite vorgegeben.

Kritik am Taylorismus: Damals wie heute

Frederick Winslow Taylor und Henry Ford hatten − trotz der wirtschaftlichen und wettbewerbstechnischen Notwendigkeit tiefgreifender Veränderungen im Produktionsprozess − mit negativen Stimmen zu kämpfen.

Fremdbestimmung, Dehumanisierung, einseitige Belastung, Monotonie durch immergleiche Tätigkeiten bis hin zu erniedrigenden Arbeitsbedingungen waren schwerwiegende Kritikpunkte.

Vor allem das Messen der Dauer aller Arbeitsschritte mit Stoppuhren stieß auf große Widerstände unter den Arbeitern und Arbeiterinnen. Gleichzeitig wurde dem Taylorismus vorgeworfen, menschliche Potenziale nur unzureichend auszuschöpfen und Innovationsgedanken zu unterbinden.

Vor- und Nachteile des Taylorismus

Während die Methoden des Taylorismus einerseits viele Vorteile, wie Produktivitätssteigerungen und wirtschaftlichen Aufschwung auslösten, sind andererseits die Nachteile nicht zu missachten.

Vorteile des Taylorismus

Der Taylorismus bietet aus Sicht des Unternehmens und der Belegschaft Vorteile:

  • durchdachte und auf Effizienz ausgerichtete Arbeitsprozesse
  • Wegfall unnötiger Rüstzeiten bei mehrstufigen Arbeitsvorgängen mit geringerer Arbeitsteilung
  • geringere Qualifikationsanforderungen an Arbeiterinnen und Arbeiter durch hohen Spezialisierungsgrad
  • kürzere Einarbeitungszeiten bei Krankheit und Personalwechsel
  • hohe persönliche Produktivität durch Übungseffekte und Verinnerlichung
  • hohe Gesamtproduktivität durch Arbeitsteilung und schnelle Bearbeitungszeiten

Nachteile des Taylorismus

Den Vorteilen stehen folgende Nachteile gegenüber:

  • stark begrenzter Verantwortungsbereich für Einzelpersonen
  • fehlender Überblick von Arbeitern und Arbeiterinnen über Gesamtzusammenhänge
  • nur monetäre Anreize als Motivationsfaktor
  • keine Möglichkeiten zur Weiterentwicklung für Mitarbeitende
  • einseitige körperliche Belastungen und daraus resultierende gesundheitliche Probleme
  • Monotonie als Kreativitäts-, Motivations- und Innovationskiller
  • Dehumanisierung durch Begrenzung der Ressource Mensch auf Produktionspotenzial
  • geringe Flexibilität in den Produktionsprozessen
  • Probleme in Übergangszeiten zu neuen Produkten, v. a. hinsichtlich der Qualität

Taylorismus heute: Agilität und Kreativität vs. Standardisierung und Strukturen

Der Taylorismus in einer von der Digitalisierung und Globalisierung geprägten Arbeitswelt nach wie vor ein umstrittenes Thema. Das hat viele Gründe. Kontrollmöglichkeiten − wie eine elektronische Zeiterfassung, GPS-Tracking der Firmenfahrzeuge oder die Überwachung des Surfverhaltens am Arbeitsplatz − werden trotz hoher Freiheitsgrade in der Arbeitszeitgestaltung mit der negativ bewerteten Überwachung der Arbeitenden im Taylorismus in Verbindung gebracht.

In agilen Unternehmen zählen Kreativität, Flexibilität und Innovationsbereitschaft zu den Hauptgründen hoch qualifizierter Köpfe, die als Allrounder − z. B. im Vertrieb − einen hervorragenden Überblick über das Unternehmensgeschehen haben und sich im Laufe ihres Berufslebens kontinuierlich neuen Herausforderungen stellen.

Nicht das Produkt, sondern die Kundschaft und ihre Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt des Denkens und Handelns. Hat Taylor mit seinen Forderungen in einer von New Work und Digitalisierung geprägten Welt noch Platz?

Neo-Tayloristische Ansätze finden sich innerhalb von agil agierenden Teams im Management- und Vertriebsbereich ebenso wie in modernen industriellen Produktionsprozessen, in denen Fließbandfertigung und Arbeitsteilung ungebrochen die größte Wirtschaftlichkeit garantieren.

Produkte ab Losgröße eins lassen sich nur durch eine intelligente Prozessautomatisierung fertigen und an anspruchsvolle Kunden verkaufen. Selbst das Outsourcing von Teilen der Wertschöpfung − insbesondere Aufgaben, die ein hohes Maß an Spezialwissen erfordern − lässt sich in die Sichtweise des Taylorismus und seine Forderung nach Spezialisierung einordnen.

Fazit: Ideen Taylors aufgreifen und sinnvoll umsetzen

Unternehmen, die die positiven Aspekte des Taylorismus − wie seine Bereitschaft, Prozesse von Grund auf neu zu designen und einzelne Bausteine zu einem hocheffizienten Gesamtgefüge zusammenzusetzen − aufgreifen, nutzen die agilen Seiten des Ansatzes zu ihrem Vorteil.

In Kombination mit modernen New Work-Forderungen, die ihren Fokus auf das Individuum Mensch setzen, lassen sich die komplexen Marktherausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen und die Produktivität auf Ebene des einzelnen und des Unternehmens steigern.

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Titelbild: patrickheagney / iStock / Getty Images Plus

Ursprünglich veröffentlicht am 14. November 2022, aktualisiert am Januar 20 2023

Themen:

Produktivität