Um zu erfahren, welche Zielgruppe welches Ihrer Produkte wie, wann und in welcher Frequenz nutzt, hilft die Marktforschung. Dabei gibt es zahlreiche verschiedene Ansätze. Einer davon: die qualitative Forschung. Doch wie genau läuft diese Methode ab, wann eignet sich der Ansatz und worin liegen die Vor- und Nachteile?
Was ist qualitative Forschung?
Qualitative Forschung ist eine wissenschaftliche Methode, um überwiegend nicht-standardisierte Daten zu einem bestimmten Thema zu erheben und auszuwerten. Dafür wählen Forschende eine nicht repräsentative Stichprobe. Diese wird ausführlich mittels Interviews oder Gruppengesprächen befragt. Das Gegenstück zur qualitativen Forschung ist die quantitative Forschung.
Das Ziel: Qualitative Forschung erkundet Sachverhalte detailliert
Der übergeordnete Kontext der qualitativen Forschung ist die Marktforschung. Im Mittelpunkt stehen für Marketing-Verantwortliche stets relevante Fragen rund um angebotene Produkte, Services, Dienstleistungen oder auch das Unternehmen oder die Zielgruppe selbst.
Mithilfe offener Fragestellungen finden Forscherinnen und Forscher so beispielsweise heraus, welche Meinungen, Einstellungen und Motive die Befragten zum Sachverhalt haben. Die primäre Forschungsfrage gibt die detaillierten Ziele einer qualitativen Forschung vor. Im Marketing werden je nach Einsatzgebiet folgende allgemeinen Ziele verfolgt:
- Wissen über Zielgruppe und Buyer Personas generieren
- Probleme oder Hindernisse beim Kauf und Nutzen einer Leistung identifizieren
- Motive und Bedürfnisse von Kaufenden verstehen
- Wirkung eines Unternehmens, einer Kampagne oder einer Leistung abfragen
Grundsätzlich zielt die qualitative Forschung darauf ab, zwar wenige, dafür aber umso aussagekräftigere Einblicke in die Gedanken eines Konsumenten oder einer Konsumentin bezogen auf ein Unternehmen, eine Leistung oder einen Markt zu erhalten.
Ein Beispiel für qualitative Forschung aus der Praxis: Ein professioneller Sportclub weiß aus quantitativen Umfragen, dass die Sponsorenbindung nicht nur vom sportlichen Erfolg abhängig ist, sondern von anderen Faktoren bedingt wird.
Um herauszufinden, welche Faktoren das sind und welche Motive hinter der Entscheidung für ein Sponsoring stecken, werden ausgewählte Partner von der Marketing- und Vertriebsabteilung qualitativ interviewt. So können detaillierte Rückschlüsse auf die Erfolgsfaktoren nachhaltiger Sponsoren-und Kundenbindung gezogen werden.
Quantitative vs. qualitative Forschung
Das Pendant zur qualitativen Forschung ist die quantitative Forschung. Dabei rücken standardisierte und statistische Verfahren der Wissenschaft in den Vordergrund. Ausgehend von einer Forschungsfrage und einer oder mehrerer Hypothesen wird eine Vielzahl von Menschen befragt.
Quantitative Forschungsmethoden liefern dabei – wenn die Anzahl an Befragten möglichst groß und im Verhältnis zum Gesamtmarkt oder der Gesamtzielgruppe angemessen ist – repräsentative Ergebnisse. Im Vergleich zu qualitativen Methoden sind die Erkenntnisse weniger detailliert und müssen nicht zwingend interpretiert werden, da sie statistisch ausgewertet werden.
Warum wird qualitative Forschung angewandt?
Qualitative Forschung ergründet die Motive und Bedürfnisse der Befragten in der Tiefe. Damit ergeben sich detaillierte Erkenntnisse und Interpretationen, mit denen beispielsweise Produktdetails geschärft werden können.
Wann eignet sich qualitative Forschung?
Qualitative Forschung eignet sich immer dann, wenn Sie besonders praxis- und lebensnahe Antworten und Einblicke erhalten möchten. Sie basiert nicht auf Zahlen und strengen Auflagen, sondern gibt den Befragten Raum, sich zu einem Thema ausführlich zu äußern. Dadurch deckt dieser Forschungsansatz Motive und Verhaltensweisen auf.
Natürlich hat auch diese Methode Vor- und Nachteile: Qualitative Forschung ist sinnvoll, wenn Sie einen passenden Forschungszweck verfolgen und die gewonnenen Daten über Hintergründe und Motive produktiv verarbeiten möchten. Doch nicht immer brauchen Sie detaillierte, freie Antworten von Ihrer Zielgruppe. Zudem ist der Analyseaufwand höher als bei einem einfachen Fragebogen mit standardisierten Antworten.
Ein abweichendes Forschungsziel hingegen kann beispielsweise repräsentative Zahlen erfordern, die nur quantitativ erhoben werden können. In der Praxis werden beide Methoden deshalb meist kombiniert angewendet, um das bestmögliche Forschungsresultat zu erzielen.
Methoden der qualitativen Forschung
Der Ablauf der qualitativen Forschung lässt sich grob in drei Teilbereiche unterteilen: Auf die Konzeption der Befragung folgt die Durchführung, bevor die Antworten der Teilnehmer und Teilnehmerinnen ausgewertet und interpretiert werden.
Für die Durchführung der Befragung gibt es diverse Methoden, die Sie in der Praxis anwenden können. Dazu zählen primär:
Experteninterview
In einem ausführlichen Gespräch ermitteln Sie die Hintergründe, warum die befragte Person ihre Meinung, ihre Motive und ihre Einstellung zum Sachverhalt hat. Die Fragen werden möglichst offen und ohne Wertung formuliert werden. Das gesamte Experteninterview wird in der Regel aufgezeichnet und transkribiert, damit keine Äußerungen verloren gehen.
Gruppendiskussion / Fokusgruppe
Eine Gruppendiskussion ähnelt den Interviews mit dem Unterschied, dass nicht eine Person, sondern mehrere Personen gleichzeitig zum Thema befragt werden. Dabei moderieren Sie und lenken das Gespräch, ohne die eigene Meinung einzubinden.
Inhaltsanalyse
Für die Inhaltsanalyse ziehen Sie diverse Quellen (Experteninterviews, Zeitungsartikel, Postings auf Social Media u.a.) heran, die Sie inhaltlich untersuchen. Dafür bilden Sie ein Kategoriensystem, das sämtliche Inhalte clustert. So schaffen Sie die Grundlage für die anschließende Interpretation.
Tagebuchbefragung
Gerade im Produktbereich findet eine Tagebuchbefragung immer wieder Verwendung. Dabei lassen Sie Teilnehmende ein Produkt oder eine Leistung testen und die Erfahrungen in regelmäßigen Abständen protokollieren. Die Dokumentation kann in Schriftform oder per Video erfolgen.
Neben diesen gängigen Methoden gibt es weitere, die in der Praxis ebenfalls angewandt werden. Dazu zählen beispielsweise Fallstudien, die Delphi-Methode oder UX-Tests zur Analyse der Benutzerfreundlichkeit einer Oberfläche.
Sind alle Erhebungen abgeschlossen, erfolgt die Interpretation der Ergebnisse. Wichtig dabei: Alle Vorgänge und Gedankengänge müssen lückenlos und nachvollziehbar dokumentiert werden.
Die Gütekriterien: Qualitative Forschung hat drei Säulen
Losgelöst von der Methode der qualitativen Forschung müssen drei zentrale Gütekriterien erfüllt werden:
- Transparenz: Der gesamte Forschungsprozess von Konzeption bis Interpretation muss transparent dokumentiert werden, damit jeder Schritt für andere nachvollziehbar ist.
- Intersubjektivität: Ihre persönliche Interpretation ist nicht die einzig richtige oder zulässige Einschätzung der Ergebnisse. Außenstehenden muss die Möglichkeit eingeräumt werden, die Erkenntnisse selbst interpretieren zu können.
- Reichweite: Da die Fallzahl – gerade im Vergleich zur quantitativen Forschung – gering ist, müssen Sie abwägen, ob und welche Verallgemeinerungen möglich sind. Die Frage, ob bei wechselnden Befragten und Befragenden gleiche oder ähnliche Resultate erzielt werden, steht dabei meist im Mittelpunkt. Wenn diese mit „Ja“ beantwortet werden kann, ist das Gütekriterium erfüllt.
Nur bei der Erfüllung aller drei Gütekriterien sind das Forschungsprojekt und dessen Ergebnisse valide.
Fazit: Die Mischung bringt den Erfolg
Während die Trennung zwischen qualitativer und quantitativer Forschung in der Theorie klar ist, werden beide Ansätze in der Praxis oft kombiniert, um so bestmögliche Ergebnisse zu erhalten. Gerade wenn bereits Statistiken und Zahlen zu einem Sachverhalt vorliegen, wie etwa bei der Zielgruppenanalyse, eignet sich darauf aufbauend eine qualitative Befragung. So ermitteln Sie detailliert genau die Hintergründe und Motive, die Sie brauchen – was quantitativ nicht möglich ist.
Titelbild: Thomas Barwick / iStock / Getty Images Plus