Wer heutzutage im Internet neue Kundschaft gewinnen möchte, kommt um Social Commerce nicht herum. Erfahren Sie in diesem Artikel, welchen Einfluss soziale Netzwerke auf den E-Commerce haben, wohin der Trend im Social Commerce geht und wie Ihrem Unternehmen der Vertrieb über Social Media erfolgreich gelingt.
Was ist Social Commerce?
Social Commerce im weiteren Sinn beschreibt die aktive Einbindung von Usern in den Verkaufsprozess. Der Fokus liegt dabei auf dem Austausch über Marken, Produkte oder Dienstleistungen in sozialen Medien. Im engeren Sinn umfasst Social Commerce die komplette Verkaufsabwicklung vom Kaufinteresse über die Bestellung bis zur Zahlung innerhalb einer Social-Media-Plattform.
Die Bedeutung und Verwendung des Begriffs „Social Commerce“ unterliegt dabei einem gewissen Wandel. 2005 verwendete Yahoo die Bezeichnung erstmals. Die damals viel genutzte Suchmaschine präsentierte auf der Startseite Links zu aktuell angesagten Produkten externer Onlineshops.
Dadurch wurde die Aufmerksamkeit der Nutzerinnen auf diese Shops gelenkt – der Beginn des Social Commerce! Mit der steigenden Popularität sozialer Netzwerke im Laufe der 2010er-Jahre erlangte Social Commerce im Sinne der Verkaufsförderung durch Empfehlungen und positive Kommentare eine immer größere Bedeutung.
Während Social Media von Unternehmen anfangs vor allem dazu genutzt wurde, das Image zu fördern, Produkte und Marken im Web zu präsentieren, sowie die bestehende Fangemeinde zu erweitern, haben soziale Netzwerke mittlerweile auch Einfluss auf die weltweit steigenden E-Commerce-Umsätze genommen.
Von 2011 bis 2021 ist der B2C-Umsatz durch E-Commerce in Deutschland von 24,4 Milliarden Euro auf 86,7 Milliarden Euro gewachsen und hat sich damit nahezu vervierfacht. Für das Jahr 2022 wird eine erneute Steigerung um mehr als 10 Milliarden Euro auf insgesamt rund 97,4 Milliarden Euro erwartet – nicht zuletzt eine Folge der Corona-Pandemie.
In den letzten Jahren erlangte Social Commerce noch eine neue Dimension: Seit der Einführung von Facebook Shops im Mai 2020 ist es möglich, Social Media nicht nur zur Verkaufsförderung einzusetzen, sondern zudem weite Teile des eigentlichen Verkaufsprozesses innerhalb des sozialen Netzwerks selbst abzubilden.
Instagram, TikTok und Pinterest bieten ähnliche Möglichkeiten an. In Asien und den USA sind zum Teil sogar komplette Einkaufsvorgänge inklusive Checkout in den Apps möglich – und es ist nur eine Frage der Zeit, bis dies auch in Deutschland möglich sein wird.
Wodurch unterscheiden sich E-Commerce, Social Commerce, Social Shopping und Social Selling?
E-Commerce, auch Elektronischer Handel, umfasst alle Kauf- und Verkaufsvorgänge im Internet, also über Webseiten, Apps und Social-Media-Kanäle von Unternehmen, Onlinehändlern und Marktplätzen.
Social Shopping ist ein Synonym zu Social Commerce, das den Teilbereich der E-Commerce-Transaktionen bezeichnet, die auf Social-Media-Plattformen getätigt werden.
Mit Social Selling wird der Vertriebsansatz bezeichnet, der soziale Netzwerke nutzt, um mit Interessierten und potenziellen Kunden in Verbindung zu treten. Das Ziel hierbei ist, Beziehungen aufzubauen und so Verkäufe zu fördern. Social Selling entspricht also der Definition von Social Commerce in ihrem weiten, ursprünglichen Sinn.
Wie funktioniert Social Commerce?
Social Commerce verknüpft Social Media und E-Commerce. Anstatt dass sich Kunden in den sozialen Netzwerken lediglich inspirieren lassen und ihre Käufe anschließend im Onlineshop einer Marke tätigen, wird beim Social Commerce die gesamte Customer Journey innerhalb einer Social-Media-Plattform abgebildet:
Vom Erlangen der ersten Aufmerksamkeit, über das Konkretisieren des Interesses an einem Produkt, die Informationsbeschaffung in der Abwägungsphase und das Setzen von Kaufanreizen, bis hin zum eigentlichen Kauf. Darüber hinaus können Kundinnen über soziale Medien Support erhalten, Feedback geben und ihre Erfahrungen mit anderen Community-Mitgliedern teilen.
Social Commerce über Instagram, Facebook, TikTok und Pinterest
Social Commerce vereint die gesamte Kundenreise auf einer sozialen Plattform. Wie die einzelnen Touchpoints der Customer Journey dabei aussehen, hängt von den spezifischen Funktionen der verschiedenen Netzwerke ab. In der ersten Phase geht es darum, das Interesse der Zielgruppe an einem Produkt, einer Marke oder Dienstleistung zu wecken. Absolutes Erfolgsbeispiel in diesem Zusammenhang sind Stories.
Als Snapchat 2013 die völlig neuartige Funktion erstmals vorstellte, glaubte kaum jemand an den großen Erfolg. Heute sind Stories aus der Social-Media-Welt nicht mehr wegzudenken, nicht zuletzt deshalb, weil Mark Zuckerberg nach einem abgelehnten Kaufangebot an Snapchat schlichtweg eine eigene Version der Stories auf Facebook und Instagram implementierte.
Inzwischen werden Stories von täglich mehr als 400 Millionen Instagram-Nutzenden aktiv konsumiert und hegen somit auch in Sachen Social Commerce großes Potenzial. Denn mit originellen Stories lassen sich Aufmerksamkeit, Abonnentenzahlen und Reichweite durchaus steigern.
Im nächsten Schritt der Customer Journey geht es darum, das erste Interesse an einer Marke oder einem bestimmten Produkt zu konkretisieren und Informationen und Inspiration zu liefern. Ob Pinnwände bei Pinterest, DIY-Video bei TikTok oder Tutorial oder Vorher-Nachher-Vergleich als Reel bei Instagram und Facebook – die visuellen Plattformen leisten dazu einen wertvollen Beitrag.
Das Zünglein an der Waage vor der endgültigen Kaufentscheidung können im nächsten Schritt der Kundenreise Bewertungen und Kaufempfehlungen oder der Austausch mit anderen Nutzenden innerhalb der Plattform sein. In einer Facebook-Gruppe oder in den Kommentaren unter einem Influencer-Beitrag bei Instagram – wenn die Community aktiv und wohlwollend über Produkte und Angebote spricht, trägt dies zu einer positiven Kaufentscheidung bei.
Apropos Kauf: Die relativ junge Implementierung von „Shop the Look“-Funktionen oder Shoppable Posts in sozialen Netzwerken erhöht die Erfolgsaussichten im Social Commerce noch weiter. Während es schon länger möglich war, Produkte in Beiträgen direkt mit dem entsprechenden Artikel im Onlineshop zu verlinken, müssen Userinnen und User die Social-Media-Plattform für den Kaufvorgang durch die neuen Funktionen nun nicht mehr extra verlassen.
Das bringt mehr Usability für die Nutzenden und schnellere Kaufabschlüsse für das Unternehmen. In Deutschland sind diese Funktionen bei Instagram, TikTok und Co. noch nicht verfügbar, aber aufgrund des großen Erfolges insbesondere in China und Indien bereits angekündigt.
An allen genannten Touchpoints können Sie mit Ihrer Marke bewusst Einfluss nehmen – durch Werbeschaltungen oder Kooperationen mit Influencerinnen und Creators, durch nachhaltiges Communitymanagement oder durch interaktive Kampagnen.
Social Commerce über Messenger-Dienste
Nicht nur die sozialen Netzwerke, auch Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Facebook Messenger und auch Chatbots auf Websites können in den Social-Commerce-Prozess eingebunden werden. Sie zählen zu den zukunftsweisenden Trends im Online-Marketing. In den USA wird der direkte, digitale Weg zur potenziellen Kundschaft schon gerne gesucht.
Drei Social-Commerce-Funktionen stehen dort beispielsweise im Facebook Messenger bereits an der Tagesordnung:
- Sales Channel im Messenger: Produktkataloge werden direkt im Messenger hochgeladen, der Kauf wird jedoch außerhalb der App abgewickelt.
- Mit Shopify-App verknüpfter Facebook Live Chat: Kundinnen und Kunden, die über die Plattform Shopify eingekauft haben, können über eine Chat-Funktion im Messenger vom Kundenservice kontaktiert werden.
- „Buy Now“-Funktion: Auf Basis der bei Facebook hinterlegten Nutzerdaten können Käufe vollständig via Messenger abgewickelt werden.
Was in den USA bereits gang und gäbe ist, steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen. Doch eines ist klar: Personalisierte, verkaufsfördernde Nachrichten auf Basis der benutzerspezifischen Kaufhistorie gepaart mit direktem, systematischem Kundendialog können werbende Unternehmen erfolgversprechend beim Onboarding ihrer Kundinnen und der Stärkung ihrer Kundenbindung unterstützen.
Warum sollten Unternehmen Social Commerce nutzen?
Social Commerce bietet ein enormes Marktpotenzial. Eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Accenture prognostiziert bis 2025 eine Verdreifachung des globalen Social-Commerce-Umsatzes auf bis zu 1,2 Billionen US-Dollar.
Dabei ist der Gedanke hinter dem Vertriebsweg im Grunde nichts Neues. Wirtschaftlicher Erfolg wird seit Generationen von Trends und dem Austausch über Erfahrungen, Empfehlungen und Kritiken geprägt. Genau diesen Ansatz überträgt Social Commerce in das ursprünglich eher anonyme Web.
Was dem traditionellen Onlineshop fehlt, ist in sozialen Netzwerken Programm: Der Aufbau von persönlichen Beziehungen und die zwischenmenschliche Kommunikation. Die dargebotenen Inhalte sollen die Community inspirieren, zum Interagieren anregen – etwa durch Kommentare oder das Teilen von Beiträgen – und so letztendlich Produkt oder Marke pushen. Unternehmen profitieren beim Vertrieb über Social Media außerdem davon, dass sie ihre Zielgruppe genau da erreichen, wo sie ohnehin einen Großteil ihrer Zeit verbringt.
Die Vorteile, die Social Commerce bietet, sprechen für sich. Bereits heute hat laut Greven Medien rund ein Drittel der Deutschen schon via Social Media eingekauft. Der Einfluss, den soziale Netzwerke auf den E-Commerce haben, wird weiter wachsen. Eine Studie des IFH Köln kommt sogar zu dem Ergebnis, dass sie zukünftig zu direkten Shopping-Plattformen mutieren werden.
Social-Commerce-Beispiele in der Praxis
Von Content-Marketing über Empfehlungs- und Influencer Marketing bis hin zu Prosumer Marketing oder Retargeting – für eine erfolgversprechende Strategie bedient sich Social Commerce verschiedener (Online-)Marketing-Maßnahmen. Dass es funktioniert, beweisen nicht nur die steigenden Umsatzzahlen, sondern auch die Tatsache, dass es Social Commerce inzwischen in zahlreichen Ausprägungen gibt.
Hinterlässt eine Nutzerin einen Kommentar zu einem Social-Media-Beitrag oder spricht ein Blogger in einem Artikel eine Produktempfehlung aus, gehört das ebenso zu Social Commerce wie eine klassische Rezension auf Bewertungsplattformen bei Amazon oder holidaycheck.
Darüber hinaus haben sich inzwischen auch zahlreiche andere Social-Commerce-Methoden bewährt, wie zum Beispiel:
- Peer-to-Peer-Marktplätze: Direkter Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen von Nutzer zu Nutzer. Beispiele: eBay Kleinanzeigen oder Etsy
- Promotions in sozialen Netzwerken: Spezielle verkaufsfördernde Maßnahmen in Social-Media-Kanälen. Beispiel: Rabatt-Codes; Verkaufs-Shows durch Livestreamerinnen
- Group Buying (Gruppenkauf): Konkrete Angebote, die erst zustande kommen, wenn genügend Kaufende gefunden sind. Beispiel: Groupon
- Curated Shopping: Individuelle Kaufberatung und -empfehlungen anhand personalisierter Produktlisten zu bestimmten Themen. Beispiel: Outfittery
- Crowdfunding: Frühe Einbindung von potenziellen Kundinnen und Kunden in den Produktentwicklungsprozess zur Markenbindung und Finanzierung. Beispiel: Kickstarter
Egal, welche Strategie angewendet wird – Ziel ist es stets, die Nutzenden durch Social Commerce von Mensch zu Mensch für ein Unternehmen, ein Produkt oder eine Marke zu sensibilisieren. So stehen die Chancen gut, dass anschließende Retargeting-Maßnahmen, zum Beispiel durch gezielte Banner-Werbung oder konkrete Kaufvorschläge von Produkten anhand des Surfverhaltens, letztendlich erfolgreich sind.
Best Practices: Erfolgreicher Social Commerce in Deutschland
Auch wenn gängige soziale Netzwerke wie Instagram, TikTok und Pinterest in Deutschland noch nicht alle Shopping-Funktionen bieten, die in anderen Ländern bereits verfügbar sind, ist erfolgreicher Social Commerce auf den Plattformen dennoch möglich. Die folgenden zwei Beispiele deutscher Unternehmen zeigen, wie:
PURELEI
Quelle: Screenshot Pinterest PURELEI
Schmuck, Mode und Accessoires mit einem Hauch von Hawaii-Feeling, dafür steht PURELEI. Und das macht auch die Pinterest-Seite des Mannheimer Unternehmens deutlich. Das Alltagsgrau ist schnell vergessen und die tropische Sommerbrise wird für die Besucherinnen der verschiedenen Pinnwände fast spürbar.
Anhand von Produkt-Pins werden die Artikel so präsentiert, dass kaufinteressierte Nutzerinnen und Nutzer mit den notwendigen Informationen wie Beschreibung, Preis, Größenauswahl sowie Bewertungen der Community versorgt werden. Da der Kaufabschluss über Pinterest selbst in Deutschland noch nicht zur Verfügung steht, wird stets auf den PURELEI Onlineshop verlinkt.
EcoYou
Quelle: Screenshot Instagram EcoYou
Das Berliner Label EcoYou vertreibt plastikfreie, nachhaltige Bad- und Haushaltsprodukte im eigenen Onlineshop. Auf ihrem Instagram-Account greift die Marke in hochwertig gestalteten Geschichten das Thema Umweltschutz auf und erläutert, wie jede und jeder selbst einen Teil dazu beitragen kann. Neben den allgemeinen Tipps sind insbesondere in Stories die jeweils passenden Produkte dazu verlinkt.
Parallel dazu bedient sich das Unternehmen auch der Shop-Funktion der Plattform, bei der User alle für einen Kauf relevanten Informationen zu den angebotenen Artikeln finden. Dazu zählen Produktbeschreibung und -details, aber auch generelle Angaben zu Versand und Retouren.
Bis Instagram die Checkout-Funktion auch in Deutschland zur Verfügung stellt, werden Nutzerinnen für den Kauf eines Produkts über einen entsprechenden Button auf die Website von EcoYou weitergeleitet.
Fazit: Dem Social Commerce gehört die Zukunft!
Künstliche Intelligenz, Big Data, der zunehmende Einfluss von Influencerinnen und Influencern sowie die laufende Entwicklung neuer sozialer Netzwerke und benutzerfreundlicher Features tun ihr Übriges, um Social Commerce zu einer gewinnbringenden Ergänzung, wenn nicht sogar Alternative, zum klassischen Onlineshop zu machen.
Während sich Social Commerce in den USA oder in China bereits voll durchgesetzt hat, steht Deutschland noch relativ am Anfang. Der Trend geht jedoch auch hierzulande in eine eindeutige Richtung: den Kundinnen und Kunden über soziale Netzwerke in allen Phasen ihrer bzw. seiner Customer Journey zu begleiten und ein einmaliges Einkaufserlebnis zu schaffen.
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