
📋 Das Wichtigste in Kürze
HubSpot streicht Traffic als zentrale KPI im Content-Marketing nach intensiver Analyse der veränderten Informationslandschaft im KI-Zeitalter. Der Wandel von Google-Suchen zu KI-basierten Antworten macht herkömmliche Website-Besuche als Erfolgsmetrik obsolet.
- Paradigmenwechsel: Traffic war jahrelang Nordstern für organisches Wachstum mit über 10 Millionen monatlichen Besuchen, erweist sich aber als problematische Eitelkeitsmetrik
- KI-Revolution: Nutzer:innen erhalten Antworten direkt über ChatGPT, Gemini oder Perplexity ohne Website-Besuche, wodurch Markeninhalte in KI-Antworten verschwinden
- Neue Metriken: Mentions & Citations in KI-Systemen, Prompt Visibility und qualitative Signale ersetzen Traffic als aussagekräftige Erfolgsmessung
- Strategische Konsequenz: Content-Optimierung erfolgt nicht mehr nur für Google-Keywords, sondern gezielt für KI-Prompts und echten Einfluss auf Kaufentscheidungen
Lesezeit: 10 Minuten
Vor einigen Jahren hätte niemand bezweifelt, dass Traffic die ultimative Metrik im Content-Marketing ist. Vor Kurzem haben wir im International Growth Team bei HubSpot uns bewusst entschieden, Traffic als zentrale KPI zu begraben. Dieser Schritt entstand nicht aus einer spontanen Laune, sondern nach monatelanger, intensiver Beobachtung und kritischer Reflexion – insbesondere im Lichte des fundamental veränderten Informationsverhaltens im KI-Zeitalter.
Inhaltsverzeichnis
Rückblick: Die goldenen Traffic-Zeiten
Über viele Jahre war HubSpot ein Paradebeispiel für organisches Wachstum. Mit unserem Blog gehörten wir in den USA, DACH und LATAM zu den meistbesuchten B2B-Websites. Content-Marketing und SEO waren die Wachstumsmotoren und Traffic die universelle Währung.
Laut einer Case Study von Ahrefs generierte hubspot.com in seinen Glanzzeiten über zehn Millionen organische Visits pro Monat. Viele Artikel erzielten allein Millionen Abrufe und dominierten dauerhaft die vorderen Plätze bei wettbewerbsstarken Suchbegriffen wie „CRM“, „Marketing Plan“ oder „Sales Process“. Kurz gesagt: Traffic war unser Nordstern. Bis wir ihn hinterfragt haben.
Quelle: Ahrefs
Traffic als KPI: Die unbequeme Wahrheit
Seien wir ehrlich: Traffic war schon immer eine problematische Metrik – wir haben es nur nicht wahrhaben wollen. Jahrelang haben wir daran festgehalten, indem wir Millionen Klicks als Erfolg gefeiert haben, während die tatsächliche Wirkung unserer Inhalte im Dunkeln blieb.
Doch mit der Zeit wurde immer deutlicher, dass die Schattenseite schwerer wog. Traffic ist eine klassische Eitelkeitsmetrik: Viele Besuche sagen wenig über Conversions, Markenvertrauen oder die tatsächliche Wirkung von Inhalten aus. Hinzu kam die hohe Abhängigkeit von Algorithmen.
Das systematische Versagen von Traffic als Metrik
- Der Qualitäts-Trugschluss: Ein Artikel über „Die 47 besten Marketing-Tools“ generiert vermutlich Millionen Klicks, weil Menschen Listen lieben. Aber diese Klicks kommen meist nicht von CMOs, die Budgetentscheidungen treffen. Traffic misst Neugier, keine Kaufbereitschaft.
- Die Algorithmus-Abhängigkeit: Wir haben Jahre damit verbracht, für Googles Algorithmus zu schreiben, nicht für Menschen. Das Google Core Update im März 2024 hat jedoch die Blase zum Platzen gebracht. Denn vor allem traffic-orientierte B2B-Websites brachen ein. Es ist und war immer noch Glücksspiel und Strategie.
- Die Content Inflation: Um Traffic zu maximieren, haben wir und die gesamte Branche Content inflationiert. Aus „Die 5 besten CRM-Tipps“ wurden „21 ultimative CRM-Strategien für 2024“. Das Ergebnis: Eine Content-Blase aus oberflächlichen Listicles, die zwar Klicks generieren, aber keine echten Probleme lösen.
- Der Attribution-Betrug: Traffic-fokussierte Teams feiern jeden Artikel als Erfolg, der viele Besucher:innen bringt – unabhängig davon, ob diese Besucher:innen jemals zu Kund:innen werden. Wir haben praktisch eine Parallelwelt geschaffen, in der Marketing-Erfolge und Business-Impact zwei völlig verschiedene Dinge sind.
Die schmerzhafte Erkenntnis: Klicks sind nicht gleichbedeutend mit Verstehen, Verbinden oder Weiterempfehlen. Besonders sichtbar wurde das, als unser Blog-Traffic in mehreren Regionen deutlich zurückging. Für einen Moment stand die Frage im Raum: Bedeutet weniger Traffic automatisch auch weniger Relevanz? Die ehrliche Antwort lautet: Nein. Denn nicht wir haben uns verändert – sondern die Mechanismen, die heute für Reichweite sorgen.
Der strukturelle Wandel durch KI
Was sich fundamental verändert hat: Nutzer:innen suchen Antworten nicht mehr ausschließlich über klassische Suchmaschinen und klicken sich dann durch Trefferlisten. Mit KI-Systemen wie ChatGPT, Gemini oder Perplexity erhalten sie Ergebnisse direkt und oft ohne die ursprüngliche Quelle überhaupt zu besuchen.
Für Marken bedeutet das, dass reiner Website-Traffic nicht mehr dieselbe Aussagekraft hat wie früher und Attribution immer schwieriger wird. Inhalte können relevant, zitiert oder einflussreich sein, ohne dass sie sich noch in steigenden Besuchszahlen widerspiegeln. Der „Besuch“ findet in vielen Fällen gar nicht mehr auf der Seite statt, sondern in den Sprachmodellen, die Inhalte zusammenfassen und weitergeben.
Markeninhalte verschwinden damit in KI-generierten Antworten. Gleichzeitig steigen die Ansprüche an Originalität, Glaubwürdigkeit und Formatvielfalt. Die Branche reagiert entsprechend unterschiedlich: Während einige verzweifelt versuchen, klassisches SEO künstlich am Leben zu halten, richten andere den Blick nach vorn – hin zu neuen Metriken, die den tatsächlichen Impact im KI-Zeitalter abbilden.
Was kommt nach dem Traffic? HubSpots neuer Weg
Traffic zu begraben war nicht einfach. Auch wenn wir wussten, die Zahlen sagen nicht mehr viel aus und das Spielfeld hat sich geändert, kostete es Überwindung. Etwas Besseres zu finden, was in Zeiten von KI mehr aussagt, ist hingegen eher einfach Nach monatelangen Tests und Experimenten haben wir ein neues Metrik-System entwickelt, das endlich misst, was wirklich zählt: echten Einfluss auf Kaufentscheidungen und Mehrwert für User:innen.
Mentions & Citations: Die neue Währung der Glaubwürdigkeit
Für uns ist wichtig, ob HubSpot auch als Quelle in großen Sprachmodellen wie ChatGPT, Gemini oder Claude auftaucht. Diese Erwähnungen sind ein starkes Signal für digitale Autorität. Die Erkenntnisse dabei:
- Qualitative Überlegenheit: Ein einziges Zitat in einer ChatGPT-Antwort etwa auf die Frage „beste CRM-Lösung für Startups“ generiert deutlich mehr qualitative Leads.
- Kaufnähe-Indikator: Wird unser Content in einer KI-Antwort zitiert, dann sind wir genau an dem Ort präsent, an dem Kaufentscheidungen vorbereitet und Strategien recherchiert werden.
Prompt Visibility: Die Suchmaschinenoptimierung von morgen
Wir messen, wie oft unsere Inhalte bei relevanten Prompts erscheinen. Fragen wie „beste CRM-Strategie für B2B“ oder „Marketing Automation Beispiele“ sollen im Idealfall Antworten auslösen, in denen HubSpot vorkommt. Prompt Visibility ist damit die neue Sichtbarkeitskurve, nur eben im Kontext von KI-Systemen.
Der Game-Changer: Wir optimieren unseren Content so nicht mehr ausschließlich für Google-Keywords, sondern auch für KI-Prompts.
Klassisches SEO spielt dabei immer noch eine Rolle, denn die KI-Systeme greifen auch auf Googles Index zu, nur Messen wir nicht mehr die Klicks und den Traffic; Rankings verlieren auch immer mehr an Bedeutung.
Klassische Metriken, die weiter zählen
- Engagement vor Conversion: Engagement-Metriken gehören seit Jahren zu den Basics im Marketing-Reporting und werden ihre Relevanz auch behalten. Scrolltiefe, Verweildauer oder Klicks auf interne Links geben Aufschluss darüber, wie intensiv sich Leser:innen mit einem Beitrag beschäftigen. Auch das Abspielen eingebetteter Videos oder das Herunterladen von Templates zählt dazu. Diese Kennzahlen waren früher schon wichtig, und im KI-Zeitalter sind sie es umso mehr.
- Qualitative Signale: Nicht jede KPI ist eine Zahl im Dashboard. Erwähnungen in Fachmedien, Zitate in Newslettern oder Diskussionen in Communities wie LinkedIn und Reddit sind genauso wertvolle Indikatoren. Sie machen sichtbar, ob Content Resonanz erzeugt, Vertrauen aufbaut und in die Gespräche der Zielgruppen hineinwirkt. Solche qualitativen Signale lassen sich schwerer standardisieren, doch genau sie zeigen, ob Inhalte über Klicks hinaus Relevanz entwickeln – und damit als KPI unverzichtbar bleiben.
Das macht das Reporting von Wachstum ungleich komplexer als früher. Wir haben nicht mehr die eine Traffic-Kurve. Vielmehr planen wir mit einem Mosaik aus vielen kleinen, aber aussagekräftigen Bausteinen: Sichtbarkeit in KI-Antworten, Engagement auf der eigenen Seite, Resonanz in Communities. Dieses Zusammenspiel zeichnet ein ehrlicheres Bild davon, was Content heute leistet. Es ist anspruchsvoller zu erfassen, ja. Aber es ist näher an der Realität und damit wertvoller für strategische Entscheidungen.
Warum andere Unternehmen scheitern werden
Die meisten Unternehmen werden diesen Wandel verpassen. Warum? Weil sie an Traffic festhalten wie Zeitungsverlage an Auflagen-Zahlen. Sie optimieren für gestern, während ihre Zielgruppe bereits morgen lebt.
Fazit: Der Traffic hatte seine Zeit – jetzt beginnt eine neue
Traffic war über Jahre unsere härteste Währung. Doch in Zeiten von KI hat er an Aussagekraft verloren. Deshalb haben wir ihn als KPI begraben und richten unseren Blick nun auf das, was wirklich zählt: Zitiert, gesehen, geteilt und erinnert zu werden.
Wachstum wird schwieriger zu messen, aber auch ehrlicher. Für uns ist das kein Verlust, sondern ein notwendiger Schritt in eine neue Ära des Marketings.
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