Die Mitarbeiter sind verzweifelt, die Führungskräfte frustriert: Das Unternehmen hängt im Tal der Tränen. Eine Situation, die bei Change-Prozessen oft vorkommt. Aber kein Grund zur Panik: Mit Blick auf die Veränderungskurve ist das vollkommen natürlich. Wir zeigen Ihnen im Folgenden, aus welchen Phasen die Veränderungskurve besteht und was diese für Ihr Unternehmen bedeuten.
Berg- und Talfahrt im Change-Prozess: Die Veränderungskurve
Die Veränderungskurve (englisch: Change Curve) zeigt bildlich den emotionalen Verlauf bei einschneidenden Ereignissen im Leben eines Menschen oder einer Gruppe auf. Sie ist von verschiedenen Gefühlslagen geprägt. Eine davon ist die Depression, welche zum sogenannten Tal der Tränen führt.
Woher kommt die Veränderungskurve?
Die Veränderungskurve leitet sich aus den verschiedenen Sterbephasen ab. Diese beschrieb die bekannte Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross in ihrem 1969 erschienen Buch „Interviews mit Sterbenden“ (Originaltitel: „On Death and Dying“). Dafür unterhielt sich die in der Schweiz geborene US-Amerikanerin mit zahlreichen Schwerstkranken und Trauernden.
Den Prozess des Sterbens unterteilte Kübler-Ross in fünf Phasen:
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Leugnen
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Zorn
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Verhandeln
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Depression
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Annahme
Die fünf Phasen und ihre Eigenarten lassen sich auf verschiedene Bereiche des Lebens übertragen. Zum Beispiel auf das Verhalten der Menschen in nicht tödlichen, privaten Krisensituationen. Oder die emotionale Achterbahnfahrt bei Veränderungen im beruflichen Umfeld. Folglich ist der Change-Prozess von allen Unternehmen in einer Veränderungskurve abbildbar.
Veränderungskurve: Die sieben Phasen
Die fünf Phasen von Kübler-Ross werden in der Change-Management-Fachliteratur in vier, sieben oder acht Phasen unterteilt. Dementsprechend gibt es unterschiedliche Beschreibungen bzw. Benennungen der verschiedenen Phasen.
Die Stufen bei der Veränderungskurve mit sieben Phasen sehen folgendermaßen aus:
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Vorahnung: Der oder die Betroffene/n ahnen, dass sich eine Veränderung oder ein einschneidendes Ereignis anbahnt. Erste Nervosität kommt auf, eventuell brodelt die Gerüchteküche.
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Schock: Das Ereignis tritt ein. Zum Beispiel kündigt ein Vorstand große Veränderungen im Unternehmen an.
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Ablehnung: Nach dem Schock folgt ein Anzweifeln oder eine Abwehr der Veränderung.
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Verzweiflung: Diese Phase ist der emotionale Tiefpunkt, das Tal der Tränen. Sie wird auch als Depression bezeichnet.
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Lernen: Der oder die Betroffene/n verstehen sukzessiv den Grund der Veränderung und ihre Vorteile.
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Akzeptanz: Aus dem Lernen wird eine Annahme der Neuerungen und Veränderungen. Hierbei gibt es oft einen Aha-Moment („Ach, das geht ja doch …“).
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Integration: Der Change ist geschafft, die Veränderungen etablieren sich im Alltag und gelten bald als selbstverständlich.
Hinweis: Die hier beschriebenen Phasen sind nicht in Stein gemeißelt. Manchmal werden die Phase 3 als „rationale Einsicht“ und die Phase 4 als „emotionale Akzeptanz“ bezeichnet.
Dementsprechend sind unterschiedliche Abbildungen der Veränderungskurve zu finden wie zum Beispiel diese:
Bild: Schaubild von perspektive-blau.de
Diese und ähnliche Darstellungen haben gemeinsam, dass sie eine emotionale Achterbahnfahrt abbilden, bei der mitten im Prozess eine tiefe Senke auftritt. Gelingt das Change-Management, fällt das Ergebnis nach dem Veränderungsprozess höher aus als davor.
Verschiedene Kräfte, gleiche emotionale Phasen
Beim Change-Prozess gibt es verschiedene Kräfte, die wirken. Führungskräfte üben Druck auf die Mitarbeiter aus, da die Veränderungsprozesse wichtig sind – eventuell sogar für das Überleben des Unternehmens.
Viele Mitarbeiter verstehen den Grund für die Veränderungen nicht oder zweifeln die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen an. Dementsprechend bildet sich ein Widerstand. Dieser entsteht in der Schockphase und geht in die Ablehnungsphase über.
Durch die Verneinung der Veränderungen entstehen negative Emotionen wie Wut und Zorn, welche in einer Depression enden können. Schafft es das Management, den Widerstand aufzulösen, geht es bergauf – bildlich auf der Veränderungskurve wie auch im echten Leben der Betroffenen.
Die Geschäftsführung, die den Change-Prozess von oben steuert, durchlebt die Veränderungskurve ebenfalls. Sie ist zum Beispiel frustriert, weil die Mitarbeiter die Veränderungen nicht annehmen wollen. Auch hier gibt es ein Tal der Tränen, bei dem das Change-Management viel Kraft benötigt.
3 Beispiele, wie die Veränderungskurve flach bleibt
Die hier beschriebenen Zustände werden bei allen Beteiligten unterschiedlich intensiv und in einem unterschiedlichen Tempo durchlaufen. Das macht den Veränderungsprozess kompliziert und unter Umständen auch langwierig.
Um die Hochs und Tiefs möglich flach zu halten, können Unternehmen verschiedene Maßnahmen ergreifen:
Arbeitskultur
In vielen Unternehmen findet ein fortwährender Veränderungsprozess statt, zum Beispiel bei Start-ups, die jeden Tag mit Neuerungen und Rückschlägen konfrontiert sind. Oder bei Industrieunternehmen wie Toyota, die seit Jahrzehnten die japanische Kaizen-Philosophie leben.
Transparenz
Eine brodelnde Gerüchteküche und aufkochende Emotionen kommen unter anderem durch eine schlechte interne Kommunikation im Zuge der Veränderungen zustande. Die Entscheider sollten stets transparent und nachvollziehbar agieren.
Fortbildungen
Damit Mitarbeiter für neue Herausforderungen gewappnet sind, benötigen sie Schulungen und auch Freiräume zum Experimentieren.
Wenn die Kurve anders verläuft
Die Veränderungskurve ist ein idealisiertes Modell. Die Höhen und Tiefen wie auch die Länge der einzelnen Phasen fallen je nach Situation und Mensch unterschiedlich aus. Und der Erfolg am Ende der Change Curve ist nicht garantiert.
Manche Change-Prozesse verlaufen erfolglos. Zum Beispiel, wenn es Unternehmen nicht gelingt, die Mitarbeiter in der Depressionsphase richtig abzuholen und auf die weitere Reise mitzunehmen. Dann erfolgt kein Aufstieg in die Lern-, Erkenntnis- und Integrationsphase, sondern ein Abflachen oder gar Ausstieg aus der Veränderungskurve.
Titelbild: Margarita Lyr / getty images