Wer kennt das nicht? Kunden oder Kundinnen haben sich über irgendetwas geärgert und lassen es an Ihnen aus. Für viele Berufstätige besteht die größte Herausforderung im heutigen Berufsalltag nicht darin, Ihre Aufgaben zu bewältigen, sondern im sozialen Miteinander.
Wie Sie konstruktiv mit Auseinandersetzungen umgehen und nebenbei Ihre Beziehungen zu Kunden und Kollegen verbessern können, erfahren Sie hier.
Was ist die Leaf-Methode?
Leaf ist eine schnelle Konfliktlösungs-Methode für den Arbeitsalltag in vier Schritten: Zuhören (Listen), hineinversetzen (Empathize), entschuldigen (Apologize) und Problembehebung (Fix).
Sie geht auf den Anthropologen und Konfliktlösungsberater Jeremy Pollock zurück. Die Leaf-Methode kann bei Konflikten zwischen Kolleginnen und Kollegen und mit Kundinnen und Kunden eingesetzt werden, die auf Missverständnissen beruhen.
Leaf-Methode: Konflikte konstruktiv nutzen
Die meisten Menschen bewerten Konflikte am Arbeitsplatz als etwas durchweg Negatives, das immer zu Stress und schlechten Gefühlen führt. Jeremy Pollock, Konfliktberater in Washington, D.C. hat jedoch eine Methode entwickelt, mit deren Hilfe Sie Auseinandersetzungen konstruktiv für sich nutzen können.
Mit der Methode können Sie beispielsweise lernen, einen Großteil der schwierigen Situationen mit Ihrer Kundschaft oder den Mitgliedern Ihres Teams zu entschärfen und zügig auszuräumen. Die Anwendung der Leaf-Methode kann Ihnen also einen doppelten Vorteil verschaffen: Erstens bietet sie Ihnen einen Weg zur Konfliktlösung an. Zweitens hat sie das Potenzial, Ihre Beziehung zur Kundschaft und Angestellten zu stärken.
Konfliktlösungskompetenz in vier Schritten verbessern
Besonders im Sinne einer konsequenten Kundenzentrierung ist es angebracht, die eigene Konfliktlösungskompetenz – und die Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – für den gemeinsamen Geschäftserfolg zu steigern. Der Weg zu einer effektiveren Kommunikation, mehr Verständnis, Sozialkompetenz und Respekt beinhaltet vier einfache Schritte:
1. Hören Sie aktiv zu: Was gutes Zuhören ausmacht
Sehen Sie einen Widerspruch darin, zuzuhören und dabei aktiv zu sein? „Zuhören“ bedeutet nicht „Schweigen“, „Belauschen“ oder „mit einem Ohr Hinhören“. Ein guter Zuhörer hört aufmerksam zu und stellt gute Fragen auf Basis des Gehörten. Natürlich lassen Sie Ihr Gegenüber ausreden und seinen Standpunkt unkommentiert darlegen. Und auch, wenn es anfangs schwerfällt: Sie unterbrechen Ihre Gesprächspartnerin nicht.
Was Sie stattdessen tun? Sie stellen Fragen, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Und Sie wiederholen in Ihren eigenen Worten, was Sie verstanden haben. Es geht dabei nicht um ein mechanisches „Wiederkäuen“, sondern darum, dass Sie das Gesagte verstehen und die Motive und Emotionen Ihrer Kundin oder Ihres Kollegen erfassen. Dieses Vorgehen bereitet Sie darauf vor, die Perspektive der anderen Person, etwa Ihres Kunden oder Ihrer Kundin, einzunehmen. Wenn Kunden und Kundinnen spüren, dass Sie das Problem aus ihrer Sicht verstehen möchten, deeskalieren Sie die Situation automatisch. Gleichzeitig schulen Sie Ihre eigene emotionale Intelligenz, die beim nächsten Mal auf die gewonnene Erfahrung zurückgreifen kann.
Ein ganz alltägliches Beispiel soll das Gesagte veranschaulichen: Stellen Sie sich vor, Sie haben nach einem Umzug einen neuen Router bekommen und möchten endlich das Internet in Ihrer Wohnung in Gang bringen. Zuerst klappt alles, doch dann fällt das Internet wiederholt und immer länger aus. Besonders ärgerlich ist dies, weil Sie im Homeoffice arbeiten, auf das Internet angewiesen sind und abends gerne mit Netflix entspannen.
Nun versuchen Sie, Ihren Anbieter zu erreichen. Die Hotline ist aber entweder besetzt oder Sie landen in einer ewigen Warteschleife mit schlechter Musik. Währenddessen läuft die Zeit. Als ein Servicemitarbeiter sich meldet, sind Sie über die Wartezeit und die Störung entnervt und wütend. Aufgabe des Servicemitarbeiters ist es nun zuerst einmal, Ihnen gut zuzuhören. Einerseits bekommt er relevante Informationen, andererseits sparen beide Zeit, wenn Sie sich beruhigen.
2. Fühlen Sie sich in Ihr Gegenüber ein
Sie können in der Regel davon ausgehen, dass Ihre Kundschaft oder Teammitglieder kein Interesse daran haben, es Ihnen persönlich schwer zu machen oder Ihnen zu schaden. Selbstverständlich gibt es aber Kunden und Kundinnen, die schwieriger im Umgang sind als andere. Sie als ausgemachte Bösewichte zu begreifen, bringt Sie in der Regel jedoch nicht weiter.
Im Kundenservice kann Ihnen das Einfühlen in die Situation hingegen wertvolle Dienste leisten. Wenn Sie einem aufgebrachten Kunden oder einer Kundin zunächst Einfühlungsvermögen zeigen, anstatt sich zu verteidigen oder verbal auf Ihrer Position zu beharren, bringt dies häufig eine schnellere Entspannung der aufgeladenen Situation mit sich.
In unserem Beispiel mit dem Router wäre es nun die Aufgabe des Servicemitarbeiters, Verständnis für Ihre Situation zu signalisieren. Einfühlsame Formulierungen wie „Das kann ich gut verstehen. Das ist wirklich ärgerlich“ können dabei helfen, dass Kunden und Kundinnen sich schneller wieder beruhigen und Sie auf diese Weise der Lösung des Problems schnell näherkommen.
3. Sprechen Sie eine aufrichtige Entschuldigung aus
Selbst wenn es um eine vermeintliche Lappalie ging: Bedenken Sie, dass sich ihr Gegenüber über etwas geärgert und aufgeregt hat, dass Sie oder Ihr Unternehmen zu verantworten haben. Nachdem Sie die ersten beiden Schritte erfolgreich angewendet haben, sollte nun Schritt drei folgen: Sie entschuldigen sich für die Unannehmlichkeiten, die Ihre Kunden und Kundinnen erlebt haben.
So kommen Sie der Beilegung des Streits einen großen Schritt näher. Indem Sie die Verantwortung übernehmen, beweisen Sie Souveränität im sozialen Umgang. Doch Vorsicht, eine halbherzige Entschuldigung kann Ihr Gegenüber sehr schnell wieder aufbringen. Bemühen Sie sich also unbedingt um Glaubwürdigkeit.
4. Bieten Sie eine Lösung für das Problem an
Je nach Situation haben Sie die Möglichkeit, eine Lösung für das anstehende Problem vorzuschlagen. Sie zeigen der anderen Person damit klar und deutlich, dass Sie Ihren Fehler ausgleichen und in Zukunft vermeiden möchten. In manchen Fällen empfiehlt es sich, die Kollegin oder den Kunden direkt zu fragen, welche Lösung ihnen vorschwebt.
Dieses Vorgehen darf aber nicht dazu führen, dass beispielsweise ihre Kunden und Kundinnen von Ihnen die Verantwortung für die Konfliktlösung aufgebürdet bekommen. Die Verantwortung für die Problemlösung bleibt bei Ihnen.
Im genannten Beispiel könnte die Servicekraft des Anbieters nach einigen Tests beispielsweise die Zusendung eines neuen Routers per Expresslieferung inklusive Reklamation des alten Gerätes als Lösungsvorschlag anbieten.
Konflikte lösen spart Arbeitszeit und Kosten
Techniken wie die Leaf-Methode oder eine Konfliktanalyse können den Arbeitsalltag in vielen Unternehmen vereinfachen. Nach einer Studie werden in Deutschland durchschnittlich 15 Prozent der täglichen Arbeitszeit durch Auseinandersetzungen mit Angestellten und Kundinnen oder Kunden blockiert. Streitigkeiten am Arbeitsplatz verderben also nicht nur das Klima und belasten den Einzelnen, sondern verursachen auch hohe Kosten. Wenn Angestellte über Techniken zur Schlichtung von Konflikten verfügen, kann das dem Unternehmen Vorteile bringen: Die verfügbare Arbeitszeit steigt an und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind produktiver, weil sie weniger durch ungelöste Konflikte belastet sind.
Auseinandersetzungen können ein Gewinn sein
Auseinandersetzungen zwischen Menschen sind normal und machen auch vor dem Business-Alltag nicht Halt. Der richtige Umgang mit diesen Konflikten kann einen Mehrwert für Ihr Unternehmen darstellen, wenn die Konfliktlösung konstruktiv angegangen wird. Die Leaf-Methode ist dabei ein effektiver Weg, um Streitigkeiten schnell und unkompliziert beizulegen.
Ihr Erfinder betont, dass sie sich für viele Konflikte eignet, die auf unterschiedlichen Wahrnehmungen und Missverständnissen beruhen, nicht aber für Konflikte, die etwa in der Persönlichkeitsstruktur oder anderen nur mäßig veränderbaren Gegebenheiten begründet liegen. Wenn Angestellte eines Unternehmens zur konstruktiven Konfliktlösung ermutigt werden, kann die verbesserte Sozialkompetenz jedoch auch dazu führen, dass Konflikte bereits im Vorfeld vermieden werden.
Fazit: Konflikte lassen sich mithilfe der Leaf-Methode deeskalieren
Die Leaf-Methode ist eine kompakte Konfliktlösungstechnik für den Berufsalltag. Sie umfasst vier einfache Schritte und kann zwischen Kollegen, Vorgesetzten und bei der Kundschaft zur Anwendung kommen. Dabei eignet sich die Leaf-Methode vor allem für Streitigkeiten, die auf unterschiedlichen Wahrnehmungen und Missverständnissen beruhen. Eine Verbesserung der Kommunikation, insbesondere auch mit Kundinnen und Kunden, ist durch die Leaf-Methode möglich. Durch die verbesserte Sozialkompetenz geschulter Angestellter hat die Leaf-Methode auch das Potential, präventiv der Entstehung neuer Konflikte entgegenzuwirken.
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