Wie wäre es, wenn Sie ab heute jede Reklamation der Kundschaft als Potenzial betrachten? Immerhin erhalten Sie aktives Feedback, anstatt dass Kunden einfach kommentarlos abwandern. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie Ihr Reklamationsmanagement richtig aufbauen, wie der Prozessablauf im Detail aussieht und welche Kennzahlen wichtig sind.
- Was ist Reklamationsmanagement?
- Warum ist Reklamationsmanagement wichtig?
- Beschwerdemanagement vs. Reklamationsmanagement: Wo liegt der Unterschied?
- Ziele des Reklamationsmanagements
- Reklamationsbearbeitung in sechs Schritten
- Welche Arten von Kundenreklamationen gibt es?
- Welche Kennzahlen sind für das Reklamationsmanagement wichtig?
- Problemlösung mit dem 8D-Report im Reklamationsmanagement
- Reklamationsmanagement: Welche Tools und Software gibt es?
Was ist Reklamationsmanagement?
Reklamationsmanagement ist ein Prozess, der alle Maßnahmen der Bearbeitung und Lösung einer Reklamation umfasst. Als Bereich des Beschwerdemanagements versucht das Reklamationsmanagement die Kundenzufriedenheit trotz negativer Erfahrungen zu sichern. Beide Bereiche hängen eng miteinander zusammen.
Warum ist Reklamationsmanagement wichtig?
Reklamationsmanagement hilft Unternehmen, Kundenfeedback aktiv zu nutzen und die Kundenzufriedenheit zu steigern. Es ermöglicht die Identifikation und Behebung von Produkt- oder Service-Problemen und bietet Einsichten für kontinuierliche Verbesserungen. Professioneller Service und angemessene Reaktion fördern die Kundenbindung und Loyalität.
Wer zu Beginn bereits um die Ziele eines guten Reklamationsmanagements weiß, kann daraus noch weitere Vorteile ableiten. Diese positiven Aspekte sind als wertvolle Erkenntnisse sowohl für das Produktmanagement als auch für die Analyse der Customer Journey wichtig. Dazu zählen:
- Frühzeitige Erkennung und Behebung von Fehlern und Mängeln
- Stärkung des positiven Unternehmensimages
- Reduzierung von Kosten durch Vermeidung wiederholter Fehler
Beschwerdemanagement vs. Reklamationsmanagement: Wo liegt der Unterschied?
Beide Begriffe werden gern synonym verwendet, was jedoch nicht korrekt ist. Reklamationsmanagement ist Teil des Beschwerdemanagements und verfolgt ein anderes Konzept im Bereich des Kundenservices.
Während sich das Beschwerdemanagement auf die Entgegennahme, Analyse und Bearbeitung von Kundenbeschwerden konzentriert, befasst sich das Reklamationsmanagement speziell mit der Bearbeitung von Kundenfeedback zu fehlerhaften Produkten oder mangelnden Dienstleistungen.
Das Beschwerdemanagement zielt also auf die allgemeine Verbesserung der Kundenzufriedenheit ab, während sich das Reklamationsmanagement um die Lösung der spezifischen Probleme kümmert.
Ziele des Reklamationsmanagements
Ein gutes Reklamationsmanagement ist in Zeiten des stetig wachsenden E-Commerce wichtiger denn je. Durch die unzähligen Möglichkeiten, ein Unternehmen online zu bewerten (beispielsweise auf Social Media und Bewertungsplattformen), kann ein schlechter Service schnell die Runde machen.
Ein gutes Reklamationsmanagement sollte daher stets die folgenden Ziele anstreben:
- Kundenzufriedenheit sicherstellen durch schnelle Reaktion und effektive Problemlösung
- Schwachstellen des Produktes oder Dienstleistung erkennen und Qualität kontinuierlich verbessern
- Kundenbindung durch professionelles Beschwerdemanagement fördern
- Imagepflege und Reputationsschutz durch angemessene Reaktionen auf Beschwerden
Reklamationsbearbeitung in sechs Schritten
Ein definierter Prozessablauf ist für das Reklamationsmanagement unerlässlich. Nur auf diese Weise ist eine zügige und unkomplizierte Reklamationsbearbeitung möglich.
Und so gehen Sie dabei vor:
Schritt 1: Die Reklamation annehmen und den Erhalt bestätigen
Eine Kundin oder ein Kunde kommuniziert eine Reklamation an Ihre Kundenbetreuung. Je nachdem, welche Kommunikationswege Sie für die Kontaktaufnahme bereitstellen, kann sich die Bestandskundschaft per E-Mail, Telefon, Fax, Chat oder in Social-Media-Kommentaren an Sie wenden.
Um einen ersten Überblick über die Reklamation zu erhalten, stellen Sie die wichtigsten Kriterien der Anfrage heraus:
- Wer reklamiert?
- Was wird reklamiert (Produkt, Dienstleistung)?
- Wann wurde reklamiert?
- Über welchen Kommunikationskanal wird reklamiert?
- Handelt es sich um die erste Reklamation des Kunden?
Nachdem Sie die Reklamation entgegengenommen haben, sollten Sie eine Bestätigung an den Kunden oder die Kundin schicken. Auf diese Weise stellen Sie sicher, dass sich die Person mit ihrem Anliegen gut aufgehoben fühlt.
Schritt 2: Ist-Zustand vom Soll-Zustand trennen
Nun beginnt die Fehlersuche: Das Kundenservice-Team oder der zuständige Mitarbeitende muss feststellen, warum eine Reklamation vorliegt. Dazu muss untersucht werden, inwiefern der Ist-Zustand des Produktes oder des Services vom Soll-Zustand abweicht. Anschließend wird festgelegt, wie die Reklamation weiterbearbeitet wird.
Ihr Unternehmen entscheidet, ob die Reklamation gerechtfertigt ist und ob tatsächlich ein Mangel vorliegt oder nicht. Auch wenn die Reklamation nicht begründet ist, sollten Sie einfühlsam auf die Kundin oder den Kunden zugehen.
Bleiben Sie stets freundlich und professionell, auch wenn die Kundschaft sich (und möglicherweise auch Sie) ärgert. Ist die Reklamation berechtigt, entscheidet die zuständige Person über den ausgleichenden Schadensersatz.
Schritt 3: Wie lange darf eine Reklamationsbearbeitung dauern?
Es ist immer besser, wenn die Kundschaft eine schnelle Reaktion von Ihnen erhält. Jedoch müssen Sie bei der ersten Antwort nicht bereits die gesamte Bearbeitung des Falls abgeschlossen haben.
Als Erstes sollten Sie der Kundin oder dem Kunden den Erhalt der Reklamation bestätigen. Falls die Lösung nicht direkt darauf folgt, sollten Sie die Person auch darauf hinweisen, dass der Fall geprüft und bearbeitet wird.
Halten Sie Ihr Gegenüber während des Prozesses auf dem Laufenden, sodass der aktuelle Stand immer einsehbar ist. Wenn dieser Schritt in Ihrem Reklamationsmanagement standardisiert ist, sollte die Bearbeitung jedoch selten länger als eine Woche dauern.
Schritt 4: Sofortmaßnahmen und Schadensbegrenzung
In den Sofortmaßnahmen sollte definiert sein, wie der Schaden ausgeglichen wird. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Sie das negative Erlebnis der Kundschaft mit Ihrer Marke wieder wettmachen können: Bieten Sie beispielsweise einen Preisnachlass oder Rabatt an oder ersetzen Sie das defekte Produkt.
Idealerweise definieren Sie hier verschiedene Szenarien. Gehen Sie außerdem auf die Kundschaft ein: Wurde in der Reklamationsbenachrichtigung bereits um einen Nachlass gebeten, sollten Sie diesen idealerweise gewähren.
Schritt 5: Die Kundschaft informieren
Informieren Sie den Nutzer oder die Nutzerin im nächsten Schritt über die Schadensbegrenzung. Hier ist es besonders wichtig, nachzufragen, ob die angebotene Maßnahme zufriedenstellend ist.
Achten Sie zusätzlich darauf, auf die Bedürfnisse der reklamierenden Person einzugehen. Denn jeder Mensch ist individuell und genauso sind es seine Ansprüche an einen guten Service. Wenn Sie die Kundin oder den Kunden mit einem exzellenten Reklamationsprozess überzeugen, erhöhen Sie so die Chance, weiterempfohlen zu werden.
Schritt 6: Abstellmaßnahme festlegen
Nachdem Sie die Reklamation bearbeitet haben und die Fehlerquelle identifiziert wurde, können entsprechende Abstellmaßnahmen eingeleitet werden. Diese optimieren interne Prozesse und sorgen im besten Fall dafür, dass gleichwertige Probleme bereits in der Ursache behoben werden können.
Daher gewinnen Sie aus nahezu jeder Reklamation wertvolles Kundenfeedback. Das hilft Ihnen dabei, Ihre Produkte und Prozesse stets zu optimieren und langfristig erfolgreicher zu werden.
Um Fehlerquellen frühzeitig zu erkennen und zu analysieren, hilft Ihnen die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA). Mithilfe einer Vorlagen-Tabelle können Sie erfassen, welche Schwierigkeiten wo und wie häufig auftreten, um anschließend entsprechende Maßnahmen festzuhalten.
Welche Arten von Kundenreklamationen gibt es?
Reklamationen variieren häufig je nach Branche, Produkt oder Dienstleistung. Innerhalb der Bearbeitung von Reklamationen lassen sich deshalb unterschiedliche Arten identifizieren:
- Produktmängel oder Defekte
- Verzögerungen bei der Lieferung oder beim Service
- Falsche oder unvollständige Lieferung
- Unzufriedenheit mit dem Kundenservice
- Diskrepanzen bei der Abrechnung oder mit den Preisen
- Fehlfunktionen, technische Probleme oder Sicherheitsbedenken
- Unstimmigkeiten in den Produktbeschreibungen oder Leistungen
Diese Kategorien können je nach Geschäftsfeld noch erweitert oder angepasst werden.
Dabei ist es wichtig zu erwähnen, in welchen Branchen statistisch gesehen die meisten Reklamationen auftauchen. Insbesondere im Fashion-Bereich ist die Reklamationsquote hoch. Kundinnen und Kunden kaufen ihre Modeprodukte vor allem auf Rechnung, was laut der Universität Bamberg dazu führt, dass etwa jedes zweite Paket retourniert wird. Auch in den Bereichen Consumer Electronics und Medien/Bücher schickt die Kundschaft die Ware signifikant häufiger zurück als in anderen Sektoren.
Die Zahlen zeigen zudem, dass die Retouren zunehmen. Im deutschen Versandhandel gehen die Experten in der Studie davon aus, dass pro umgesetzten Euro mit 0,00727 Rücksendungen zu rechnen ist. Umgerechnet ergibt das in etwa 286 Millionen Rücksendungen insgesamt – pro Jahr.
In den meisten Fällen gehen Produkte laut Statistik zurück, weil sie nicht passen oder die Größenangaben uneinheitlich sind (71 Prozent). Schlechte Produktqualität folgt mit 43 Prozent. Ganze 36 Prozent geben ein Produkt zurück, weil es fehlerhaft oder beschädigt ist, dicht gefolgt von der fehlenden Übereinstimmung mit der Beschreibung (34 Prozent).
Welche Kennzahlen sind für das Reklamationsmanagement wichtig?
Die Kennzahlen im Reklamationsmanagement können je nach Branche variieren. Die Reklamationsquote beispielsweise gibt Aufschluss über die Anzahl der Reklamationen im Verhältnis zu den verkauften Produkten oder erbrachten Dienstleistungen. Die Bearbeitungszeit gibt an, wie lange es dauert, bis die Reklamation und damit das Problem für den Kunden gelöst ist.
Eine weitere wichtige Kennzahl ist die Kundenrückgewinnungsquote. Diese zeigt auf, wie viele Kundinnen und Kunden nach der Reklamation weiterhin bei dem Unternehmen einkaufen. Damit einher geht die Kundenzufriedenheit nach einer Reklamation. In vielen Unternehmen wird diese Kennzahl durch Umfragen und Feedback gemessen.
Problemlösung mit dem 8D-Report im Reklamationsmanagement
Der 8D-Report ist eine strukturierte Methode zur Problemlösung, die in der Fertigungsindustrie und darüber hinaus weit verbreitet ist. Sie hilft, komplexe Probleme systematisch anzugehen und langfristige Lösungen zu implementieren – darunter auch für das Reklamationsmanagement.
Denn wenn Kundschaft im Zuge einer Reklamation beispielsweise Qualitätsprobleme meldet, stellt das 8D-Modell sicher, dass ähnliche Probleme zukünftig vermieden werden. Die acht obligatorischen Disziplinen (8D) lauten wie folgt:
- Team bilden
- Problem beschreiben
- Sofortmaßnahmen ergreifen
- Ursachen analysieren
- Dauerhafte Abstellmaßnahmen festlegen
- Abstellmaßnahmen umsetzen
- Wirksamkeit prüfen
- Vorbeugemaßnahmen
Reklamationsmanagement: Welche Tools und Software gibt es?
Excel ist eine bewährte Lösung für den 8D-Report sowie das Beschwerde- und Reklamationsmanagement. Doch darüber hinaus gibt es eine große Anzahl an Tools und Software, die Sie dabei unterstützen können:
- HubSpot
- Freshdesk
- SAP Service Cloud
- Zoho Desk
- Microsoft Dynamics 365 Customer Service
- Oracle Service Cloud
- LiveAgent
- Help Scout
- Kayako
Fazit: Gutes Reklamationsmanagement hält Ihre Wunschkundschaft
Effizientes Reklamationsmanagement ist nicht nur der Umgang mit Kundenbeschwerden, sondern gleichzeitig eine strategische Initiative, um aus dem Feedback zu lernen und die Kundenzufriedenheit langfristig zu sichern.
Mit geeigneten Tools, klaren Prozessen und dem proaktiven Umgang mit Reklamationen können Unternehmen wertvolle Erkenntnisse gewinnen, um ihre Produkte, Dienstleistungen und den gesamten Kundenservice kontinuierlich zu verbessern.
Behalten Sie dafür Trends und aktuelle Zahlen in der E-Commerce-Welt im Auge und seien Sie offen für Änderungen innerhalb Ihres Reklamationsmanagement-Prozesses. Letztlich entsteht auf diese Weise ein zentrales Element für den Aufbau und die Pflege eines positiven Markenimages.
Titelbild: HubSpot