Mehr Freizeit dank Reduktion der Arbeitstage – und das bei gleichem Gehalt? Klingt großartig! Die 4-Tage-Woche verspricht effizienteres und flexibleres Arbeiten sowie mehr Zeit für das Privatleben. Erfahren Sie hier, welche Vor- und Nachteile das Arbeitsmodell mit sich bringt und ob eine 4-Tage-Woche in Deutschland umsetzbar ist.
Warum gibt es die 5-Tage-Woche?
Die 5-Tage-Woche oder 40-Stunden-Woche gibt es in Deutschland noch gar nicht so lange. Zu Zeiten des Wirtschaftswunders in den 1950ern gehörten lange Arbeitszeiten und Überstunden zum Alltag – bis zu 50 Stunden pro Woche und mehr. Mit zunehmendem Wohlstand wurde aber der Wunsch nach mehr Freizeit wichtiger.
Die Arbeiterschaft forderte einen freien Samstag und mit der Aktion „Samstags gehört Vati mir“ wurde im Jahr 1956 die 5-Tage-Woche mit einer Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche auf die Agenda des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGW) genommen.
Erste Erfolge ließen nicht lange auf sich warten: Im Jahr 1959 wurde die 5-Tage-Woche im Steinkohlebergbau eingeführt und auch in anderen Branchen wie Versicherungen (1960), Bankwesen (1961) oder Druckunternehmen (1969) setzte sich die Arbeitszeitverkürzung durch. Die 40-Stunden-Woche folgte kurze Zeit später in der Industrie.
Die gewonnene Zeit nutzten die meisten Arbeitnehmenden für ihre Freizeit, was zu einem Konsumanstieg führte. So wurde mehr Geld in Freizeitaktivitäten, Baumaterialien für Haus und Garten sowie Autos für Familienausflüge investiert. Auf diese Weise profitierte die Wirtschaft ebenso von der verringerten Arbeits- und vermehrten Freizeit.
Woher kommt das 4-Tage-Woche-Arbeitszeitmodell?
Spätestens mit der sogenannten New-Work-Welle sind die Ansprüche an modernes Arbeiten gestiegen und dank Mobile Work stehen flexible Arbeitszeiten vor allem bei jüngerem Personal ganz oben auf der Wunschliste.
Trotz allem ist das Arbeitsmodell der 4-Tage-Woche relativ neu: Sie wurde erstmals im Jahr 2019 vom Tech-Riesen Microsoft in Japan getestet. Mittlerweile experimentieren mehrere europäische Länder und unterschiedliche Branchen mit der 4-Tage-Woche oder haben sie bereits eingeführt:
Island
Von 2016 bis 2019 wurde die verkürzte Arbeitswoche in Island in einem großen Experiment getestet. Heute haben neun von zehn isländischen Arbeitnehmenden das Recht auf eine 4-Tage-Woche mit mindestens fünf Stunden weniger Arbeitszeit bei unverändertem Gehalt.
Spanien
In Spanien läuft seit Herbst 2022 ein Modellprojekt, bei dem die 4-Tage-Woche in verschiedenen kleinen und mittleren Unternehmen ausprobiert wird. Mit der verkürzten Arbeitswoche sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Schon bei fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit einer 4-Tage-Woche ist eine neue Vollzeitstelle verfügbar.
Belgien
In Belgien ist die 4-Tage-Woche im Februar 2022 von der Regierung beschlossen worden – bisher allerdings ohne genaue Regelungen zum Gehalt. Mit dem sogenannten Arbeitsdeal können Vollzeitarbeitnehmer nach Rücksprache mit den Arbeitgebenden an vier Tagen länger arbeiten und sich dafür den fünften Tag pro Woche freinehmen.
Großbritannien
Das Arbeitsmodell der 4-Tage-Woche testen in Großbritannien seit Sommer 2022 mehr als 3.000 Beschäftigte in rund 70 Unternehmen. Mithilfe der gesammelten Daten in Bezug auf Stress, Gesundheit, Schlaf, Produktivität und Zufriedenheit der Testpersonen soll Ende 2022 über eine Einführung der 4-Tage-Woche entschieden werden.
Schweiz
Auch in der Schweiz ist die 4-Tage-Woche nach verschiedenen Testphasen schon in einigen Unternehmen implementiert worden, während andere Betriebe noch mit dem neuen Arbeitsmodell experimentieren. In den meisten Unternehmen können Mitarbeitende die Arbeitsstunden auf vier Tage aufteilen, sodass es nicht zu Lohnkürzungen kommt.
Deutschland
Deutschland diskutiert die 4-Tage-Woche schon länger. Hier wurde sie in verschiedenen Betrieben bereits getestet oder wie beim Modeunternehmen Gerry Weber eingeführt. Laut Ministerium für Arbeit und Soziales gibt es bisher aber keine Planungen, die 4-Tage-Woche zum Gesetz zu machen.
Was ist bei einer 4-Tage-Woche zu beachten?
Bei einer kürzeren Arbeitswoche haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr Zeit für ihr Privatleben, um wichtige Termine zu erledigen oder das Wochenende intensiver zum Entspannen zu nutzen. Die gewonnene Freizeit verbessert die Work-Life-Balance, da Stress reduziert und die Gesundheit verbessert werden.
Außerdem wichtig: das Gehalt. Bleibt die Stundenanzahl gleich, bleibt in der Regel auch das Gehalt unverändert. Wird die Stundenanzahl verringert, sind Lohnkürzungen möglich.
Wichtig zu wissen: Eine 4-Tage-Woche ist laut Gesetz in Deutschland nicht vorgeschrieben. Arbeitgebende entscheiden allein und bestimmen sowohl über die Einführung und das konkrete Arbeitsmodell der 4-Tage-Woche.
Nachfolgend haben wir die wichtigsten Vorteile der 4-Tage-Woche sowie die Nachteile aufgelistet:
Vorteile der 4-Tage-Woche
Mehr Freizeit: Die zusätzliche Zeit für Familie, Freundschaften, Sport oder Hobbys sind der größte Vorteil der 4-Tage-Woche. Beschäftigte können ihr Privatleben besser planen.
Verbesserte Gesundheit: Ein freier Tag pro Woche mehr wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. Dank einer längeren Regenerationszeit sinkt der Stresslevel, ein Burnout hat weniger Chancen und die Menschen sind ausgeruhter.
Gestiegene Produktivität: Eine verkürzte Arbeitswoche steigert die Motivation der Mitarbeitenden, was zu einer höheren Produktivität führt.
Nachteile der 4-Tage-Woche
Höhere Arbeitsbelastung: Bei einer 4-Tage-Woche mit gleichbleibendem Gehalt kann sich die Arbeitsstundenzahl an vier Tagen erhöhen, wodurch Angestellte mehr belastet werden.
Mehr Personalplanung: Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen bei einer 4-Tage-Woche mehr Zeit in die Personalplanung stecken, damit immer ausreichend Mitarbeitende im Betrieb präsent sind.
Branchenabhängig: Nicht in jeder Branche oder jedem Unternehmen kann die Arbeitszeit am Tag verlängert werden. Eine 4-Tage-Woche lässt sich daher nicht überall realisieren.
Wie wird der Urlaub bei einer 4-Tage-Woche berechnet?
Weniger Arbeitstage bedeutet zwar weniger Urlaubstage, aber nicht zwangsläufig weniger Freizeit. Bei dem 4-Tage-Woche-Arbeitsmodell werden die Wochenstunden von fünf Werktagen auf vier Tage verteilt. Ihr Urlaubsanspruch bei einer 4-Tage-Woche verringert sich, sodass Sie bei einer 4-Tage-Woche nur noch 16 Urlaubstage anstatt des Mindestanspruchs von 20 Tagen haben.
Aber: Dank der verkürzten Arbeitswoche haben Sie einen freien Tag mehr, den Sie für Ihre Freizeitgestaltung oder Urlaubsplanung nutzen können.
Wie wirkt sich die Vier-Tage-Woche auf die Rente aus?
Fakt ist: Je weniger Sie arbeiten, desto geringer ist in der Regel Ihr Verdienst und desto mehr vermindert sich Ihre Rente. Die Rentenabzüge betreffen Sie aber nur, wenn sich die Stundenzahl Ihrer Arbeitswoche verkürzt. Sofern Sie trotz Vier-Tage-Woche auf eine 40-Stunden-Woche kommen, bleiben Ihre Rentenbeiträge unverändert. Eine private Altersvorsorge sollte dennoch zu Ihrem Standard gehören, um sich abzusichern.
Fazit: Die 4-Tage-Woche kommt – aber wer weiß, wann
Eine verkürzte Arbeitswoche bietet Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mehr Zeit für Familie und Freizeit und wirkt sich positiv auf die Work-Life-Balance aus. Mehr Zeit für Entspannung bedeutet weniger Stress, mehr Produktivität und eine Verbesserung der Gesundheit. Doch nicht in jeder Branche lässt sich die 4-Tage-Woche so leicht umsetzen.
Zusätzlich müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmer ein geeignetes Modell in Bezug auf Arbeitsstunden und Gehalt finden, das für beide Seiten funktioniert. Da besonders die Gen Y und Gen Z auf eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben achten, sichern sich Unternehmen, die eine 4-Tage-Woche anbieten, wertvolle Pluspunkte.
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