In der Arbeitswelt sind Emotionen ein integraler Bestandteil des zwischenmenschlichen Austauschs und somit auch oft die Emotionsarbeit. In einigen Berufen ist es sogar gefordert seine eigenen Gefühle wie Ärger oder Unverständnis hintenanzustellen und möglichst freundlich sowie zuvorkommend zu erscheinen. Das sind vor allem Jobs in der Dienstleistungsbranche oder Jobs mit viel Kontakt mit Kundinnen und Kunden.
In diesem Artikel erfahren Sie mehr über die Hintergründe und die potenziellen Gefahren bei Emotionsarbeit.
Was ist Emotionsarbeit?
Emotionsarbeit („emotional labor“) bezeichnet und beinhaltet die Kontrolle und den Ausdruck von Emotionen gemäß den Anforderungen des Arbeitsumfelds. Der Begriff bezieht sich im Allgemeinen auf die Anstrengungen, die Menschen unternehmen, um ihre Emotionen in Übereinstimmung mit den Anforderungen ihres Berufs zu regulieren.
Dies kann bedeuten, positive Emotionen zu verstärken, negative Emotionen zu unterdrücken oder eine Kombination aus beidem.
Ein klassisches Beispiel für Berufe, die Emotionsarbeit erfordern, sind Kundeninteraktionsberufe wie Verkäuferinnen, Call-Center-Agenten, Pflegepersonal, Empfangsmitarbeiter, Flugbegleiter, Erzieherinnen, Restaurantfachleute oder Mitarbeitende im Service.
In diesen Rollen wird von den Angestellten erwartet, stets freundlich, geduldig und hilfsbereit zu sein, unabhängig von ihrem eigenen emotionalen Zustand. So müssen etwa in der Arbeit positive Emotionen dargestellt oder negative unterdrückt werden.
Oft geben betriebliche Regeln vor, welcher Gefühlsausdruck in der Interaktion mit Kunden, Gästen oder Klienten wann und in welchem Ausmaß und Formulierung gezeigt werden soll.
Zwischen Sein und Schein: emotionale Dissonanz am Arbeitsplatz
Kommt es zu einem Konflikt zwischen den tatsächlich erlebten Emotionen und den gewünschten oder erwarteten Emotionen am Arbeitsplatz, wird von emotionaler Dissonanz gesprochen. Dies kann zu einer erheblichen Belastung für die Mitarbeitenden führen, da sie ihre wahre Emotion hinter einer Maske verbergen und eine andere Emotion zeigen müssen.
Ein alltägliches Beispiel ist es, wenn Ärger über einen unhöflichen Kunden empfunden wird, man diesem aber trotzdem lächelnd und freundlich gegenübertreten muss.
Sich ständig zu verstellen, nur um den gesellschaftlichen Ansprüchen zu dienen, hat Einfluss auf die Empathiefähigkeit. Menschen, die häufig Emotionen unterdrücken oder gesellschaftlich gewünschte Emotionen zeigen, gliedern sich schlechter in ihr soziales Umfeld ein. Sie gelten als unzufriedener und erfahren weniger soziale Unterstützung.
Wenn Personen im Gegensatz dazu ihre Fähigkeit nutzen und wahre Gefühle ausdrücken, werden sie als sozial umgänglicher wahrgenommen und können schneller Freundschaften schließen. Die Authentizität einer Persönlichkeit erfährt somit auch eine höhere Bedeutung als sozial erwünschtes Handeln und Reagieren.
Die emotionale Dissonanz kann langfristig zu negativen Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden der Mitarbeitenden führen, einschließlich Stress und einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von emotionalen Störungen. Mittlerweile wird emotionale Dissonanz auch als der Haupttreiber von Depressionen und Burn-out gesehen.
Reaktion auf emotionale Dissonanz: Deep Acting und Surface Acting
Um mit der emotionalen Dissonanz umzugehen, haben Forschende zwei Hauptstrategien identifiziert:
- Deep Acting
- Surface Acting
Beim Deep Acting versuchen Mitarbeiter, ihre tatsächlichen Emotionen zu ändern, indem sie probieren, ihre Perspektive und ihr Denken zu beeinflussen. Sie versetzen sich in die Lage der Kundinnen und Kunden, um echte positive Emotionen zu entwickeln. So soll eine möglichst authentische Interaktion stattfinden. Diese Technik erfordert ein hohes Maß an Selbstreflexion und Empathie, kann jedoch zu einer positiveren emotionalen Erfahrung führen.
Im Gegensatz dazu beinhaltet Surface Acting das äußerliche Verbergen von tatsächlichen Emotionen und das Zeigen von geforderten Emotionen. Dies passiert ohne eine innere Veränderung zu erleben. Mitarbeiter, die Surface Acting anwenden, setzen ein Pokerface auf. So zeigen Mitarbeitende nach außen die gewünschte Emotion, obwohl sie sich innerlich vielleicht ganz anders fühlen.
Diese Technik kann kurzfristig wirksam sein, birgt jedoch das Risiko von emotionaler Erschöpfung, da sie zu einer Diskrepanz zwischen dem äußeren Ausdruck und dem inneren Erleben führt.
Oftmals werden betroffene Personen ihren Aufgaben auf der Arbeit gegenüber gleichgültiger und die Leistungsfähigkeit nimmt ab. Neben emotionaler Erschöpfung kann Surface Action auch zu einer Depersonalisierung führen. Das bedeutet, dass die eigene Persönlichkeit nicht mehr eindeutig wahrgenommen wird.
Bewältigungsstrategien für den Umgang mit Emotionsarbeit
Um mit Emotionen auf der Arbeit besser umzugehen, können einige Strategien helfen, wie zum Beispiel eine offene Kommunikation. Zwickmühlen zwischen den eigenen Emotionen und den Arbeitsanforderungen zu kommunizieren, löst das Ungleichgewicht.
Am Beispiel des Call-Center-Mitarbeiters lässt sich das wie folgt darstellen: „Auf der einen Seite kann ich Ihren Zorn verstehen und bin gerne bereit mich um eine Lösung zu bemühen. UND auf der anderen Seite bin ich mit Ihrem Tonfall nicht einverstanden.“ Durch das Wort „und“ werden beide Positionen aktiv kommentiert. Diese Handlungsweise erfordert ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein und könnte bei bestimmten Branchen bereits als negativ gedeutet und nicht mit den Kommunikationsvorgaben des Unternehmens vereinbar sein.
Arbeitnehmende hingegen, die sich mit den Werten und Zielen ihres Unternehmens identifizieren, sind zufriedener. Sie empfinden ihre Arbeit als sinnstiftend und vertreten das Unternehmen auch in unangenehmeren Situationen. Um möglichst wenig Diskrepanz zwischen den tatsächlichen und den gezeigten Emotionen aufkommen zu lassen, suchen Sie sich einen Arbeitgeber, der möglichst gut zu Ihren eigenen Werten und Zielen passt.
Auch ein gegenseitiger Austausch kann wertvoll sein. Sich über das Erlebte zu unterhalten, hilft bei der Verarbeitung von Situationen mit emotionaler Dissonanz. Es steigert das Zusammengehörigkeitsgefühl unter Kolleginnen sowie Kollegen und führt zu einer gegenseitigen Beratung in Sachen Bewältigungsstrategien. Suchen Sie sich Vertraute im Unternehmen und sprechen Sie über emotional labor.
Ein zentraler Bestandteil gegen die Erschöpfung durch die Arbeit sind Ruhepausen und Rückzugsmöglichkeiten. Wer emotional labor nachgeht, benötigt in besonderem Maße (auch emotionale) Rückzugsmöglichkeiten. Dies bedeutet: Nehmen Sie sich im Fall des Falles die Zeit, sich temporär sowie räumlich von Ihrer Kundschaft abzuschotten, um dauerhafter Erschöpfung vorzubeugen.
Wie sollten Unternehmen mit Emotionsarbeit umgehen?
Um die Auswirkungen der Emotionsarbeit zu minimieren und das Wohlbefinden der Mitarbeiter sowie die Gesundheit am Arbeitsplatz zu fördern, können Sie im Unternehmen verschiedene Maßnahmen ergreifen:
- Atmosphäre: Schaffung eines unterstützenden Arbeitsumfelds, in dem Mitarbeitende offen über ihre Emotionen sprechen können und in dem es akzeptiert wird, dass Menschen unterschiedliche emotionale Reaktionen haben.
- Schulungen: Zur Emotionsregulation und zum Stressmanagement können den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Workshops sowie Weiterbildungen angeboten werden. Das hilft Emotionen besser zu verstehen und damit umzugehen.
- Flexibilität: Ermöglichen Sie Ihren Mitarbeitern eine flexible Gestaltung der anfallenden Arbeit, indem Sie Ihnen zeitliche und inhaltliche Freiheit zugestehen. Etwa durch flexible Schichtpläne, situative Arbeitsteilung, eine 4-Tage-Woche oder Kurzpausen. So erhalten Ihre Angestellten Raum, ihre eigenen Emotionen angemessen auszudrücken, anstatt sie zu unterdrücken.
Fazit: Bewusster Umgang mit emotional labor schafft gesunde Work-Life-Balance
Insgesamt ist die Emotionsarbeit ein wichtiger Aspekt vieler Berufe, insbesondere solcher mit Kundeninteraktion. Das Unterdrücken von Emotionen und das Zeigen von geforderten Emotionen führt jedoch zu einer emotionalen Dissonanz, die sich negativ auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter auswirkt.
Die Anerkennung und Unterstützung der Emotionsarbeit in Organisationen ist entscheidend. So wird sichergestellt, dass Mitarbeitende in der Lage sind, mit den emotionalen Anforderungen ihres Berufs umzugehen, eine gesunde Work-Life-Balance aufrechtzuerhalten und Burn-out sowie Despression zu vermeiden.
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