Fehler sind ein wesentlicher Baustein für Fortschritt und Weiterentwicklung. Trotzdem sind sie in unserer Gesellschaft gemeinhin negativ behaftet. In diesem Artikel erfahren Sie nicht nur, welche Auswirkungen das haben kann. Wir beleuchten auch, warum eine positive und offene Fehlerkultur in Unternehmen so wichtig ist.

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Abgrenzung von Fehlermanagement und Fehlerkultur

Grundsätzlich beschreiben diese Begriffe zwei unterschiedliche Dinge. Unter Fehlermanagement ist der Umgang mit Fehlern zu verstehen. Das Ziel ist die Fehlervermeidung und die künftige Qualitätssicherung. Fehlerkultur umfasst als Begriff hingegen deutlich mehr.

Warum ist eine Fehlerkultur wichtig?

Neben der persönlichen Haltung spielt auch das Umfeld eine wichtige Rolle beim positiven Umgang mit Fehlern. Die Fehlerkultur, die in einem Unternehmen gelebt wird, übt einen Einfluss darauf aus, wie in jedem einzelnen Fall auf Missgeschicke reagiert wird. Weiterhin wirkt sie sich auf das Mindset von Führungskräften und Angestellten aus.

Scheitern hat Konsequenzen: Der gesellschaftliche Umgang mit Fehlern

Jeder Mensch macht Fehler – mal kleinere und mal größere, mal privat und mal im Job. Das ist im Grunde genommen auch nichts Schlechtes. Denn nur so können wir Erfahrungen sammeln und daraus lernen. Doch selbst wenn wir theoretisch eigentlich alle wissen, dass niemand von uns perfekt ist, wollen wir in der Realität am liebsten fehlerfrei sein.

Der Grund dafür liegt in der Natur der Sache: Schon Kinder lernen in der Schule, dass Fehler mit schlechten Noten bestraft werden. Im Berufsleben ist es kaum anders. Wir werten größere oder kleinere Rückschläge schnell als Peinlichkeit, die wir lieber vertuschen oder zumindest abmildern.

Fehlerkultur in Deutschland noch ausbaufähig

Inzwischen ist die Bedeutung einer offenen Fehlerkultur wohl den meisten Unternehmen bewusst geworden. Dennoch besteht in der Umsetzung durchaus noch Luft nach oben. Die Globe-Studie untersuchte Unternehmens- und Führungskulturen in 61 Ländern. In Bezug auf den Umgang mit Fehlern belegt Deutschland Platz 60.

Warum die schlechte Platzierung? Laut dem Wirtschaftspsychologen und Fehlerforscher Prof. Michael Frese, der an der Leuphana Universität Lüneburg tätig ist, fehlt vielen deutschen Firmen ein strategischer Ansatz für die Umsetzung einer Fehlerkultur.

Doch ist der Umgang mit Fehlern auch eine Branchenfrage. In neuen, technikaffinen Industrien gelten beispielsweise Programmierfehler als normal. An Softwarelösungen muss kontinuierlich gearbeitet werden. Nur so lassen sich die Lücken schließen.

Aus der Studie „So arbeitet Deutschland“ von SThree geht hervor, dass knapp die Hälfte der Befragten durch berufliche Misserfolge die Anerkennung im Team verliert oder sogar negative Folgen für den weiteren Verlauf der Karriere zu befürchten hat. Dabei würden sich 86 Prozent der Arbeitnehmenden mehr Fehlertoleranz und einen motivierenden Umgang mit Misserfolgen wünschen.

Ein möglicher Grund für die Intoleranz gegenüber Fehlern? Eine fehlende Vertrauenskultur. So zeigt eine Studie des Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen Capgemini SE in 2021 folgendes: 84 Prozent der befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne leitende Funktion sind der Meinung, dass die Entwicklung einer Vertrauenskultur eine wichtige Kernkompetenz von Führungskräften sein muss. Doch laut der Studie bieten nur 34 Prozent der Unternehmen solche Programme für Vorgesetzte an.

Ohne eine Kultur des Vertrauens werden Fehler von Vorgesetzten und Mitarbeitenden verheimlicht. Dies belegt auch eine Studie von Ernst & Young, die bis heute zu den fundiertesten Erhebungen zu dem Thema in Deutschland gehört. So fürchten Führungskräfte vor allem Karrierenachteile als Konsequenz. Die größte Angst von Mitarbeitenden ist der Gesichtsverlust gegenüber den Kolleginnen und Kollegen.

Mehr Mut zum Risiko: Das Erfolgspotenzial einer positiven Fehlerkultur

Mangelnde Fehlertoleranz äußert sich vor allem in der Angst vor weiteren Fehlern. Das ist nicht nur für die betroffenen Mitarbeitende unangenehm, sondern mitunter auch Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg.

Denn für Innovationskraft und unternehmerischen Fortschritt braucht es ein gesundes Maß an Risikobereitschaft. Diese bleibt jedoch auf der Strecke, wenn die Arbeitshaltung vom Prinzip der Fehlervermeidung dominiert wird. Dementsprechend wichtig ist der Aufbau einer positiven Fehlerkultur. Das bedeutet nicht, Fehler generell gutzuheißen, sondern vielmehr einen konstruktiven Umgang mit diesen zu etablieren.

Offene Fehlerkultur in Unternehmen: Darauf kommt es an

Für Management-Trainerin Elke Schüttelkopf baut eine Fehlerkultur auf drei wesentlichen Säulen auf:

  • Normen und Werte: Sie beschreiben das Anspruchsniveau des Unternehmens und die Art und Weise, wie mit Fehlern sowie deren Risiken und Folgen umgegangen wird.
  • Kompetenzen: Hiermit sind mentale, emotionale, soziale und methodische Fähigkeiten im Umgang mit Fehlern gemeint.
  • Instrumentarien: Dies sind konkrete Methoden und Techniken, die es den beteiligten Personen ermöglichen, professionell auf Fehler zu reagieren.

Es geht also nicht nur um die generelle Bereitschaft, eine neue Fehlerkultur zu etablieren. Sondern es geht auch darum, die richtigen Wege dafür zu finden und beschreiten zu dürfen.

Das Grundprinzip lautet: Niemand ist perfekt

Die wichtigste Voraussetzung für einen konstruktiven Umgang mit Fehlern ist das Zugeständnis, dass sie eben nun mal passieren können – und zwar allen. Unternehmen, die diese Erkenntnis verinnerlicht haben, akzeptieren Fauxpas als festen Bestandteil der Weiterentwicklung, was letztendlich allen zugute kommt.

Wenn Ihre Mitarbeitenden merken, dass die Fehlerkultur in Ihrem Unternehmen Fehler erlaubt, werden sie motivierter an eine Aufgabe herangehen. Und sie werden sich sehr wahrscheinlich generell mehr trauen, weil sie keine unverhältnismäßigen Konsequenzen mehr fürchten müssen.

Denn dann liegt der Fokus darauf, neue Chancen zu ergreifen, anstatt möglichst wenig zu riskieren. Gerade für junge Unternehmen und solche, die aktuell im Wachstum begriffen sind, steckt großes Potenzial in dieser Geisteshaltung.

Fehler dürfen kein Schreckgespenst sein

Ein konstruktiver Umgang mit Missgeschicken kommt ohne jegliche Sanktionen aus. Denn wenn Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befürchten, für Misserfolge an den Pranger gestellt zu werden, bewirkt das häufig genau das Gegenteil: Statt weniger Fehler können aus Angst und Verkrampfung sogar noch mehr Fehltritte passieren, die dann zu allem Überfluss womöglich auch noch vertuscht werden.

Deshalb sollten Sie nicht nach Schuldigen suchen, sondern nach Ursachen. Analysieren Sie lieber gemeinsam mit Ihrem Team, warum der Fauxpas entstanden ist, anstatt die Verantwortlichen ins Kreuzverhör zu nehmen.

Versuchen Sie dabei, stets sachlich zu bleiben und die Ehrlichkeit Ihrer Mitarbeitenden zu honorieren, auch wenn Fehler natürlich immer mit Ärger und Aufwand verbunden sind. So sorgen Sie für das nötige Vertrauen, das für eine positive Fehlerkultur entscheidend ist.

Grundsatz der Fehlerkultur: Nach vorne blicken

„Wer einen Fehler macht und ihn nicht korrigiert, macht einen zweiten.“ Schon Konfuzius wusste, dass es nicht entscheidend ist, ob wir einen Fehler machen. Viel bedeutsamer ist, was wir daraus lernen.

Deshalb sollten Sie in Ihrer Fehlerkultur den Blick in erster Linie nach vorne richten. Motivieren Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Selbstreflexion. Mit dieser Form der Selbstwahrnehmung können Angestellte Fehler erkennen, Erkenntnisse gewinnen und vorbeugende Maßnahmen für die Zukunft entwickeln. Dabei sollten Sie allerdings bedenken, dass es ausreichend Zeit braucht, um neue Prozesse in Ihrem Unternehmen zu etablieren.

Vier Tipps für das Etablieren einer positiven und offenen Fehlerkultur

Machen Sie sich bewusst, dass eine positive Fehlerkultur Zeit benötigt. Nutzen Sie die folgenden Tipps als ersten Orientierungspunkt und versuchen Sie eine Kultur zu entwickeln, die zu Ihren Organisationsstrukturen und Ihrem Unternehmen passt.

1. Analysieren Sie den Status quo

Der erste Schritt ist eine offene Frage: Wie würden Sie die vorhandene Fehlerkultur in Ihrem Unternehmen beschreiben? Würden Sie sagen, dass Sie mit Fehlern offen umgehen? Denken Sie darüber nach, wie die Handhabung von Fauxpas und Misserfolgen bisher verlief. Sie sollten sich in diesem Schritt auch diese Fragen stellen:

  • Auf welche Art und Weise werden fremde und eigene Fehler jeweils gemeldet?
  • Welche Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen sich mit den gemeldeten Fehlern auseinander?
  • Gibt es eine Vorgehensweise bei der Fehlerbehebung?
  • Welche Konsequenzen drohen Ihren Mitarbeitenden?
  • Wie schätzen Sie Ihre Kollegen und Kolleginnen ein? Haben sie Angst, über Fehler zu sprechen?

2. Versuchen Sie, gerechte Regeln einzuführen

Eine positive und offene Fehlerkultur bedingt eine gewisse Balance. Machen Sie Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen deutlich, dass Fehler erlaubt sind. Doch sollten sie sich damit nicht dazu aufgefordert fühlen, überflüssige Risiken einzugehen.

Am besten Sie stellen eine Reihe von Regeln auf. Berücksichtigen Sie dabei vorsätzlich und fahrlässig gemachte Fehler. Halten Sie sich selbst an dieses Regelwerk. Versuchen Sie, offen über Ihre eigenen Fauxpas zu sprechen. Ihre Kollegen und Kolleginnen werden Sie dafür schätzen.

3. Legen Sie einen Fehlerprozess fest

Ein Regelwerk allein wird nicht reichen, um eine offene Fehlerkultur zu etablieren. Zusätzlich braucht es einen klaren Fehlerprozess. Dieser muss für alle Mitarbeitenden verständlich und nachvollziehbar sein.

Versuchen Sie gemeinsam, einen möglichst kurzen Prozess zu definieren. Mithilfe eines Fehlerformulars lassen sich die Probleme leichter beschreiben. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können darüber auch Ursachen und Lösungsvorschläge einbringen. Damit halten Sie den Fehlerprozess nicht nur kurz, Sie sammeln auch einen möglichen Lösungsansatz für das bestehende Problem.

4. Betrachten Sie Fehler personenunabhängig

Bei diesem Ansatz spielt es keine Rolle, wer das Missgeschick begangen hat. Hier ist die verantwortliche Person nicht der Sündenbock.

Stattdessen besprechen Sie die Situation im Team und überlegen gemeinsam, welche Maßnahmen vor der Wiederholung des Fehlers schützen. Auf diese Weise schenken Sie dem Fehler die notwendige Beachtung und agieren bei der Aufarbeitung rücksichtsvoll gegenüber den Verantwortlichen. Setzen Sie diese Objektivität auch im Mitarbeitergespräch um, wenn Sie gemeinsam Fehler aufarbeiten, falls nötig.

Transparenz verhindert Missverständnisse

Fehler sind oftmals geprägt von subjektiver Wahrnehmung. Für den einen ist ein Fauxpas vielleicht kaum der Rede wert. Doch für andere kann er eine Katastrophe darstellen. Kommen noch Emotionen hinzu, ist eine objektive Auseinandersetzung mit der Situation mehr als schwierig.

Für einen konstruktiven und offenen Umgang mit Fehlern und der Vermeidung einer negativen Fehlerkultur braucht es deshalb inhaltliche Richtlinien und eine klare Kommunikation ebendieser.

Das bedeutet, dass die unternehmensinterne Definition von Fehlern für alle transparent und nachvollziehbar sein muss. Denn nur wer sich darüber im Klaren ist, was tatsächlich als Fehler zu werten ist – und was eben nicht –, kann im Falle des Falles auch entsprechend darauf reagieren.

Fehlerkultur: Beispiele für eine positive Fehlerkultur

Missgeschicke passieren schnell. Stellen Sie sich einen Vertriebler mit Führungsverantwortung vor, der die Angebotsannahme durch eine bedeutende Kundin nicht herbeiführen kann. Bei einem einzigen Gespräch schlug er den falschen Ton an und die Kundin sagte ab.

Er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit den möglichen Schaden von sich abwenden wollen. Diese Verhaltensweise – aus einem Fehlverhalten folgt eine defensive Entscheidung – belegte auch eine Studie vom Max-Planck-Institut.

Besser wäre jedoch, wenn er offen zu dem Fehltritt steht. Dazu gehört, sich offen und ehrlich bei der Kundin zu entschuldigen, auch wenn sie schon abgesprungen ist. Zudem kann der Vertriebler die Geschichte mit seinem Team teilen und gemeinsam erarbeiten, was er hätte besser machen können. Wer weiß, vielleicht überzeugt die bewiesene Menschlichkeit die Kundin doch noch?

Ein weiteres Beispiel für Fehlerkultur, die Verständnis fördert und Schaden begrenzt, ist eine sofortige Mitteilung, sollte jemandem ein Fehler unterlaufen sein. Eine Mitarbeiterin hat beispielsweise eine wichtige Abgabe vergessen, was ihr erst eine Woche später auffällt.

Daher entschuldigt sie sich augenblicklich beim Kunden, der auf die Lieferung wartet, und informiert ihre Vorgesetzte über der Versäumnis, um einer etwaigen Beschwerde zuvorzukommen. Ihr Team überlegt gemeinsam und ohne Schuldzuweisungen an einen einzelnen Mitarbeiter oder eine einzelne Mitarbeiterin, wie sie in Zukunft sicherstellen, dass keine Abgabe vergessen wird – schließlich kann das allen mal passieren.

Gelebte, offene Fehlerkultur beginnt ganz oben

Fehler machen und dazu stehen, sind oftmals zwei verschiedene Paar Schuhe. Das ist auf der Führungsebene auch nicht anders. Bemerken Führungskräfte, dass ihnen ein Fauxpas unterlaufen ist, treffen sie häufig eine defensive Entscheidung. Diese ist in vielen Fällen nicht im Interesse des Unternehmens.

Doch wie jede Veränderung in Unternehmen steht und fällt auch der Aufbau einer positiven Fehlerkultur in der Chefetage. Deshalb sollten Sie als Führungskraft mit gutem Beispiel vorangehen.

Wenn Sie selbst zu Ihren Fehlern stehen, leben Sie vor, was Sie von Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen erwarten. Und damit beweisen Sie nicht nur menschliche Größe. Sie erfüllen auch Ihre Vorbildfunktion und zeigen, wie wichtig der Cultural Fit ins Unternehmen auch und besonders an dieser Stelle ist. Dazu gehört auch, wie Sie auf kritische Rückmeldungen reagieren und wie Sie Feedback geben, wenn Fehler mal passieren.

Fazit: Der konstruktive Umgang mit Fehlern birgt enormes Potenzial für Unternehmen

Eine positive Unternehmens- und Lernkultur wirkt sich nicht nur gut auf die Arbeitszufriedenheit und Mitarbeitermotivation aus. Mit einer konstruktiven Fehlerkultur erhöht zudem die Aussicht auf unternehmerischen Erfolg und verstärkt die Unternehmensmarke.

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Titelbild: Thomas Barwick / iStock / Getty Images Plus

Ursprünglich veröffentlicht am 16. August 2022, aktualisiert am Januar 20 2023

Themen:

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