Frauen kaufen immer Schuhe, Männer verbringen ihre Freizeit am liebsten im Baumarkt. Kleine Mädchen wollen rosa Kleider tragen und alte Männer sind herrisch. Nicht jeder findet solche Rollenklischees lustig, denn sie bedienen Vorurteile, die mehr schaden als nützen können.
Als Marketerinnen oder Marketer tun Sie gut daran, dem veränderten Gender-Bewusstsein der Menschen in Ihren Werbebotschaften Rechnung zu tragen. Um Sie dabei zu unterstützen, auch ohne Rollenklischees auszukommen, beleuchten wir in unserem Artikel einige Hintergründe.
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Was ist Gender?
Gender ist ein englischer Begriff für Geschlecht. Doch Gender und Geschlecht sind nicht das Gleiche. Das englische Lehnwort „Gender“ bezieht sich auf die soziale und gesellschaftliche Dimension von Geschlecht. Auch das gefühlte und gelebte Geschlecht ist mit „Gender“ gemeint. Im Deutschen hat sich der Begriff „Gender“ eingebürgert, um eine sprachliche Unterscheidung zwischen dem biologischen Geschlecht und dem sozialen Geschlecht, eben dem „Gender“, treffen zu können. Das englische „sex“ dagegen bezeichnet das biologische Geschlecht bei der Geburt.
Genderbedingte Stereotypen: hartnäckige Vorstellungen
Der Begriff „Stereotyp“ stammt ursprünglich aus dem Griechischen und heißt „starres Muster“. Genderbedingte Stereotype sind feste Meinungen über Eigenschaften und Verhaltensweisen, die Personen nur aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht zugeschrieben werden.
Rollenklischees und Gender-Stereotypen: typisch Mann – typisch Frau
Zu genderbedingten Stereotypen gehören sowohl Äußerlichkeiten als auch Verhaltensweisen. Dominanz und eine räumlich anspruchsvolle Haltung, wie das breitbeinige Gehen, gelten beispielsweise als typisch männlich. Bei Frauen wird dominantes Verhalten dagegen häufig „nicht so gerne gesehen“, denn es entspricht nicht dem gesellschaftlich vorherrschenden, genderbedingten Stereotyp von Weiblichkeit.
Nachgiebigkeit und eine devote Haltung sollen feminin wirken. Ein Mann mit diesen Eigenschaften wiederum kann schnell als „zu weich“ eingeschätzt werden, gehört er doch laut Stereotyp zum „starken Geschlecht“. Wie Anthropologinnen und Anthropologen feststellen, wird das moderne Frauenbild auch heute noch durch einen möglichst dünnen, wenig raumgreifenden, kraftlosen und zierlichen Körper ausgedrückt, dessen Haltung und enger Stand – oft verstärkt durch High Heels – labil wirkt.
Rollenklischees sind feste Vorstellungen davon, welche Rolle jemand abhängig vom Gender im sozialen Umfeld zu spielen hat. Sie werden von traditionellen Geschlechterrollen geformt, die häufig längst überholt sind. In früheren Zeiten galt beispielsweise, dass Frauen für „Kinder, Küche, Kirche“ zuständig sind, und der Mann „ins feindliche Leben“ geht, um den Unterhalt zu verdienen. Auch das immer wieder einmal zitierte „Kind im Manne“ ist ein Rollenklischee, das auf die verspielte Seite des männlichen Geschlechts abzielt. Das „Kind in der Frau“ gibt es dagegen nicht. Das moderne Gender-Marketing ist auf dem Weg, eingefahrene Rollenklischees zugunsten von mehr Vielfalt in der Gesellschaft abzuschütteln.
Stereotypen in der Werbung: Viele sind überholt
Das Stereotyp der fragilen Schönen hat eine lange Zeit Maßstäbe gesetzt, verliert aber zunehmend an Bedeutung. Weder möchten Frauen grundsätzlich als „das schwache Geschlecht“ gelten oder mit einem überkommenen Schönheitsideal konfrontiert werden, noch wünschen sich Männer eine enge Schublade. Es gibt aber nicht nur Männer und Frauen: Seit 2018 erkennt das deutsche Recht die dritte Geschlechtsoption „divers“ an, die Personen eintragen lassen können, die sich nicht mit den binären Geschlechtern Mann und Frau identifizieren können. Diese nicht-binäre Geschlechtsoption müssen Sie als Marketingmitarbeiterin oder -mitarbeiter mitbedenken. Für das Marketing bringt die gestiegene Gender-Sensibilität also grundlegende Veränderungen mit sich. Das heißt, Ihre Marketing-Aktivitäten sollten auf die sich verändernde Genderwahrnehmung abzielen, die ein Spiegelbild der neuen, freieren Genderlandschaft in Zeiten von LGBTQ sind.
Stereotypen im Marketing: Hier ist Vorsicht geboten
Wenn Stereotype nicht ständig hinterfragt werden, entsteht leicht eine Reduzierung auf zu wenige oder unzutreffende Eigenschaften. In unserer Zeit, in der beispielsweise viele Frauen beruflich Karriere machen und Unternehmen gründen, Männer in Elternzeit gehen und sich die dritte, nicht-binäre Geschlechtsoption „divers“ durchsetzt, wirken Stereotype oft überholt. Seien Sie deshalb vorsichtig, wenn Sie Ihre Buyer Persona erstellen und in diesem Rahmen Stereotype verwenden. Was früher als Standard galt, kommt heute nicht mehr so gut an. Wenn Stereotype dazu führen, dass sich Zielgruppen nicht mehr angesprochen oder sogar negativ dargestellt fühlen, hat die Marketingmaßnahme ihr Ziel verfehlt. Dass das Marketing im Hinblick auf Gender-Stereotypen und Rollenklischees neue Wege beschritten hat, ist aber bereits seit einigen Jahren sichtbar.
Gender-Marketing: Beispiele aus der Praxis
Bereits im Jahr 2015 veröffentlichte das bekannte Magazin Cosmopolitan eine Dessous-Werbung, die als revolutionär galt. Entdeckt hatten die Redakteure und Redakteurinnen das Bild ursprünglich auf Instagram. Das Revolutionäre daran war, dass eine normale, nicht einmal besonders schlanke, Frau als Dessous-Model fungierte. Den Trend bereits damals erfassend, bezeichnete Cosmopolitan die „Dessous für normale Frauen“ als „beste Unterwäsche-Werbung ever“. Auch ihr Kommentar traf den Zeitgeist: „Da räkeln sich immer so perfekte Elfenwesen ohne Dellen und Röllchen. Hübsch anzusehen, aber mit der Körperrealität von normalen (sprich Durchschnitts-) Frauen hat’s wenig zu tun.“
Heutzutage geht das Marketing noch einen Schritt weiter. Nicht nur eine durchschnittliche Frau oder ein Mann, sondern häufig gleich eine ganze Gruppe ganz unterschiedlicher Individuen führt die beworbenen Produkte vor. Einer der Vorreiter dieser Idee ist das Unternehmen Dove. Auf diese Weise berücksichtigen Marketerinnen und Marketer durch ihre Maßnahmen die Geschlechts-Diversität der Gesellschaft, die sich auch, aber nicht nur, auf Genderfragen bezieht.
Einige Marketingmaßnahmen vermitteln ein ganz neues Bild von Männlichkeit, das ohne die üblichen Stereotype und Klischees auskommt. Die Ergo-Versicherung beispielsweise stellt in einigen Werbeanzeigen nicht die Körperkraft und Maskulinität, sondern die einfühlsame und hilfsbereite Seite ihrer männlichen Mitarbeiter in den Vordergrund.
Der Verein Pinkstinks setzt sich bereits seit einigen Jahren gegen Stereotype und Sexismus in der Werbung ein. Er vergibt als Positiv-Preis den Pinken Pudel für Werbung in Deutschland. Im Jahr 2021 ist der Preis erstmals nach London gegangen, für den Film „What We Do Next“ im Auftrag der Deutschen Telekom. Eine gendergemischte Gruppe junger Berühmtheiten, wie beispielsweise Billie Eilish und Fabian Grischkat, stehen dort für eine gleichberechtigte Generation Z, die sich entschieden für eine nachhaltige Zukunft ohne Sexismus einsetzt.
Fazit: Gender-Marketing entspricht dem Zeitgeist
Rollenklischees und Stereotype unterliegen Veränderungen, lösen sich auf und vermischen sich. Eine neue, veränderte Genderwahrnehmung prägt die Gesellschaft heute und in der Zukunft. Marketerinnen und Marketer stehen dadurch vor der Herausforderung, mehr Gender-Vielfalt zu berücksichtigen und weniger Klischees einsetzen zu können. Wenn Sie Ihr Gender-Marketing nachhaltig an diese Anforderungen nach mehr Gender-Diversität und weniger starren Vorstellungen anpassen, haben Sie eine gute Chance, Ihre Kundinnen und Kunden so anzusprechen, wie es dem Zeitgeist entspricht.

Titelbild: Photoboyko / iStock / Getty Images Plus
Ursprünglich veröffentlicht am 14. Juli 2021, aktualisiert am Januar 20 2023