Stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf dem Sofa und schauen Ihre Lieblingsserie. Plötzlich erscheint auf dem Bildschirm eine neue Schauspielerin, die Sie schon einmal woanders gesehen haben. Aber in welchem Film war das bloß?
Der Griff zum Handy schafft Gewissheit. Und hier ist er: Der Second Screen. Was genau hinter dem Begriff steckt und welche Chancen er Marketern bietet, erklären wir in unserem Beitrag.
Das Second-Screen-Phänomen: mobil immer online
Beim Second-Screen-Phänomen geht es Nutzerinnen und Nutzern vor allem darum, Informationen zum TV-Programm aufzurufen oder sich per Social Media darüber zu unterhalten. Die deutliche Zunahme hängt vor allem mit den Nutzungsgewohnheiten der Konsumentinnen und Konsumenten zusammen. Europaweit werden bereits über 52 Prozent der Webseiten über Mobiltelefone aufgerufen, hinzu kommen Tablets mit fast 3,5 Prozent.
In Deutschland beispielsweise nutzten im Jahr 2020 bereits 28 Prozent der Frauen und 35 Prozent der Männer täglich mobiles Internet. Ob beim Shoppen oder im Fernsehsessel: Das Smartphone ist immer griffbereit.
Die Nutzung eines zweiten Bildschirms ist weitverbreitet
Das Potential des Second Screen offenbart sich beim Blick auf die Verbreitung der Parallelnutzung von Internet und TV. Im Jahr 2020 gaben laut einer Studie 65 Prozent der Befragten im Alter von 14 bis 69 Jahren an, mindestens gelegentlich Informationen zu aktuellen Fernsehsendungen online aufzurufen, während knapp die Hälfte (45 Prozent) der Befragten parallel zum TV-Schauen Informationen zu Produkten suchten, die in den Sendungen gezeigt wurden.
Diese Zahlen spiegeln Bedürfnis der Zuschauenden wider, sich on-the-spot über das Gesehene auszutauschen. Mit Facebook und Twitter stehen zudem soziale Plattformen zur Verfügung, in denen sich User in den Kommentaren in Echtzeit intensiv über Inhalte und Sendungen austauschen können. Aber auch eigens dazu eingerichtete Fan-Plattformen und Apps werden von der Nutzerschaft frequentiert.
Apps bieten mobile Einblicke parallel zum Fernsehen
Spezielle Apps, Online-Services und Widgets bieten den Usern gute Bedingungen für die Parallelnutzung. Das Ziel der Entwicklung ist es dabei, die Interaktion mit den Zuschauenden beim Fernsehen zu fördern. Dazu werden unterschiedliche Kanäle und Anwendungen miteinander verknüpft. Während eine Person gemütlich auf dem Sofa liegt und das Handy oder Tablet in Griffweite ist, bietet sich für Werbetreibende die Möglichkeit, diesen neuen Kanal für ihr Advertising einzusetzen.
Die Zuschauenden sollen Informationen austauschen
Einige Fernsehsender bieten bereits eigene Apps an, die das Fernsehprogramm begleiten. RTL beispielsweise unterhält die kostenlose App „RTL Inside“. Sie wird während des Fernsehens von RTL per eingeblendetem Logo beworben und soll das Publikum anregen, während des aktuellen Programms aktiv zu werden. Exklusive Inhalte zu Fernsehsendungen, Video-Highlights und die Möglichkeit, sich mit Bekannten von überall her in Communities auszutauschen, sollen die Zuschauerinnen und Zuschauer zur Interaktion anregen.
Auch die öffentlich-rechtlichen Sender verfügen mittlerweile über eigene Sender-Apps. Das ZDF etwa bietet seine Sender-App kostenlos im App-Store an, die für bestimmte Formate mit interaktiven Funktionen ausgestattet ist. Wenn Sie beispielsweise ein Champions-League-Spiel im ZDF verfolgen, können Sie währenddessen Informationen rund um das Spiel aufrufen.
Die Kultserie „Tatort“ verfügt sogar über eine eigens entwickelte App, die Tatort-Fans nutzen können, um Informationen zu erhalten und sich auszutauschen. Der Mehrwert des Second Screens für den Zuschauenden liegt hier also in der Informationsbeschaffung und der Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen. Nun stellt sich die Frage, wie genau Marketer das Second-Screen-Phänomen für ihre Zwecke einsetzen können.
Second Screen Advertising: Nahtlose Werbung
Früher lag der Fokus der Aufmerksamkeit im heimischen Wohnzimmer hauptsächlich auf dem Fernseher. Das mag daran gelegen haben, dass es kaum eine andere Möglichkeit gab, sich schnell und bequem Informationen zu beschaffen. Das ist heute anders. Egal ob der Name einer Schauspielerin, die Aufstellung der Fußball-Nationalmannschaft oder die Antwort auf eine verzwickte Quizfrage, das mobile Endgerät weiß in der Regel die Antwort.
Aber nicht nur die gezielte Informationssuche führt zur Parallelnutzung, sondern häufig auch der Versuch der Zuschauerinnen und Zuschauer, Werbepausen im Fernsehen online zu überbrücken. Genau hier liegt eine Chance für Marketer, die Zielgruppe nicht zu verlieren, sondern dort abzuholen, wo sie sich befindet – auf dem zweiten Bildschirm.
Das Marketing der beiden Screens wird aufeinander abgestimmt
Die Strategie ist denkbar einfach: Damit Ihre Werbebotschaft die Zielgruppe auf beiden Bildschirmen gleichzeitig erreicht, wird die TV-Werbung mit der Online-Werbung synchronisiert. Mit der TV-synchronen Onlinewerbung kann es Ihnen beispielsweise gelingen, beim Wechsel der Zuschauenden auf ihr mobiles Endgerät eine lückenlose Brand-Story zu erzählen. Doch wie ist das möglich?
Meist wird für die Synchronisierung die Automatic Content Recognition (ACR)-Technologie eingesetzt, die die Werbung im Moment der Ausstrahlung erfasst. Sie ist an Marketing- und Analytics-Plattformen gekoppelt und ermöglicht es Werbetreibenden, digitale Kampagnen synchron zum Fernsehprogramm zu aktivieren. Entsprechende SEA-Kampagnen (Suchmaschinenwerbung) können auf diesem Wege synchronisiert ablaufen.
Second Screen als Werbefläche: Beweisen Sie Fingerspitzengefühl
Der flüssige Übergang vom TV-Spot zum Online-Marketing kann die Werbebotschaft eines Unternehmens betonen und besondere Akzente setzen. Ein wissbegieriger Mensch, der entweder Informationen oder einen bestimmten Artikel aus dem TV-Werbespot sucht, ist vermutlich erfreut über die genau passende Online-Werbung. Schließlich erspart sie ihm umständliches Suchen im Internet.
Anders sieht es aus, wenn die Zuschauerin oder der Zuschauer vor der Fernsehwerbung „flieht“ und online sofort wieder auf die gleiche oder eine andere Werbung trifft. Es ist nachvollziehbar, dass diese Person eher negative Emotionen entwickelt und sich gegen die Botschaft sperrt.
Die Herausforderung für Marketer besteht darin, ihre Botschaften mit dem nötigen Fingerspitzengefühl zu platzieren, damit die Ad nicht als Belästigung, sondern als hilfreich empfunden wird.
Fazit: Chance für plattformübergreifendes Marketing
Das Marketing für den Second Screen bietet Unternehmen spannende Möglichkeiten, ihre Werbebotschaft zu verstärken und die eigene Zielgruppe bei möglichen Suchanfragen nahtlos abzuholen. Sowohl die TV-Sender als auch Online-Marketer reagieren damit auf die starke Zunahme der Nutzung mobiler Endgeräte durch Verbrauchende.
Die Synchronisation von Werbebotschaften und Brandstorys ist für Marketer eine große Chance, aber auch eine Herausforderung, denn die Werbebotschaften auf dem Second Screen sollten mit viel Fingerspitzengefühl entworfen werden.
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