Welche Gedanken macht sich unsere Zielgruppe, wenn sie unser Produkt in der Hand hält? Welche Emotionen kommen hervor? In qualitativen Forschungen finden Unternehmen oft ungeahnte Antworten ihrer Kundinnen und Kunden. Dabei liefern vor allem Tiefeninterviews hochwertige Ergebnisse über die Bedürfnisse und Gedankenwelt der Konsumierenden. Aber auch konkrete Probleme können hierdurch identifiziert und untersucht werden. Wie ein Tiefeninterview durchgeführt wird, was der Interviewer beachten muss und wo es besonders nützlich ist, erfahren Sie in diesem Artikel.

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Tiefeninterviews: So funktioniert die Befragung

Wie der Titel dieses Artikels bereits auf den Punkt bringt, sollen Tiefeninterviews Ursachen und Zusammenhänge verdeutlichen. Um dieses Ziel zu erreichen, kann die Befragung tiefenpsychologisch oder themenzentriert durchgeführt werden.

Besonders wichtig: Ein Tiefeninterview zeichnet sich durch eine offene Gesprächsführung aus. Dadurch können Interviewende individuell auf die Antworten der befragten Person eingehen, aber auch bewusst tiefer bohren. Durch Nachfragen und Empathie wird aus unkonkreten und oberflächlichen Antworten ein tiefgründiges Gespräch.

Tiefenpsychologisches Tiefeninterview

Von einem tiefenpsychologischen Tiefeninterview spricht man, wenn der Fokus des Gesprächs auf unbewussten Emotionen und Meinungen liegt. Durch aktives Zuhören und Nachfragen können oberflächliche Aussagen ausgeweitet werden. Damit sind sie für den Interviewer einfacher zu interpretieren.

Die Grundlage dieser Interviewform ist die Annahme, dass einem Menschen nicht immer bewusst ist, warum er eine bestimmte Entscheidung getroffen hat oder wieso er auf eine gewisse Art reagiert. Durch Nachhaken und Beobachten können tiefere psychologische Prozesse und Muster entdeckt werden, die wertvoll für die Marktanalyse sind.

Themenzentriertes Tiefeninterview

Im Gegensatz dazu liefert das themenzentrierte Tiefeninterview Ergebnisse zu konkreten Thematiken oder Problemen. Eine Liste an Leitfadenfragen ist hilfreich, um eine möglichst genaue Meinung oder Position einer Person zu erhalten. Damit Ihr Gegenüber die eigene Sichtweise offen teilen kann, sollten Sie neutral und unparteiisch bleiben.

Auf Feedback oder Interpretation der Antworten wird dabei verzichtet, wodurch der Fokus des Tiefeninterviews auf dem ausgewählten Thema oder Problem bleiben kann. Das Ziel dieser Befragung ist die individuelle Erfahrung und Perspektive des oder der Befragten.

So führen Sie ein erfolgreiches Tiefeninterview

Für die Durchführung eines Tiefeninterviews sollten Sie etwa zwei Stunden einplanen. Durch die offene Gesprächsführung kann das Interview aber länger oder kürzer dauern, je nach Länge der Antworten. Für die erfolgreiche Durchführung eines Tiefeninterviews haben wir Ihnen die wichtigsten Schritte und Tipps zusammengefasst.

Tiefeninterview durchführen: Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung

  1. Legen Sie Ihr Thema fest und entscheiden Sie sich entweder für die tiefenpsychologische oder die themenzentrierte Herangehensweise.
  2. Definieren Sie einen Leitfragenkatalog mit Einstiegsfragen und Schlüsselfragen.
  3. Finden Sie geeignete Teilnehmende.
  4. Legen Sie einen Ort fest, an dem das Interview durchgeführt wird, zum Beispiel im Teststudio, per Telefon oder via Videokonferenz.
  5. Nutzen Sie Ihren halbstrukturierten Leitfaden, um das Gespräch durchzuführen. Explorationslogik und Themenabfolge sollten aus diesem hervorgehen, Sie können jedoch die Gesprächsdynamik flexibel an die Probandin oder den Probanden anpassen.
  6. Stellen Sie sicher, dass alle Fragen tiefgehend und individuell beantwortet wurden.
  7. Führen Sie eine Analyse des Tiefeninterviews durch:
  • Interviewverdichtung: Zusammenfassung des Interviewverlaufs mit Kernaussagen und ersten Hypothesen
  • Analysesitzung: Entwicklung zentraler Hypothesen durch das Projektteam
  • Gesamtanalyse: Überprüfung und Ausarbeitung der Hypothesen

5 Tipps für qualitative Ergebnisse beim Tiefeninterview

Noch unsicher? Mit diesen Tipps gelingt Ihr Tiefeninterview:

  1. Beginnen Sie das Interview mit einer einfachen Einstiegsfrage, die das Eis bricht.
  2. Wählen Sie möglichst vielfältige Fragen, um ein breites Bild zu erhalten. Dazu zählen sowohl geschlossene Fragen mit den Antwortmöglichkeiten Ja und Nein als auch offene und frei interpretierbare Fragen.
  3. Zeigen Sie Empathie und Interesse, damit die interviewte Person sich öffnen kann.
  4. Bleiben Sie bei zögerlichen Antworten geduldig und geben Sie den Probandinnen und Probanden Zeit, über die Antworten nachzudenken – Schweigen kann hilfreich sein!
  5. Vermeiden Sie es, vorab Hypothesen zu entwickeln, um einen objektiven Gesprächsverlauf zu ermöglichen.

Tiefeninterviews: Vorteile und Nachteile im Überblick

Die Ergebnisse des Tiefeninterviews liefern häufig interessante und wichtige Einblicke in den Denkprozess und die Emotionen der Testpersonen. Doch diese Form der qualitativen Marktforschung ist nicht für alle Unternehmen durchführbar. Folgende Vorteile und Nachteile sollten Sie im Blick haben, wenn Sie in Erwägung ziehen, ein Tiefeninterview durchzuführen.

Vorteile von Tiefeninterviews

  • Die flexible Gesprächsführung liefert tiefergehende Antworten als andere Interviewformen.
  • Vertrauen und Empathie ermöglichen echte Insights – wenn die Teilnehmenden sie authentisch spüren.
  • Interviews gewinnen belastbare Erkenntnisse zu unbekannten Bedürfnissen und Meinungen.
  • Ihr Team entwickelt ein besseres Verständnis für das Verhalten der Zielgruppe.

Nachteile von Tiefeninterviews

  • Ein Tiefeninterview kann mit hohen Kosten durch Planung, Durchführung und Analyse einhergehen.
  • Diese Interviewform stellt bedeutende Anforderungen an Interviewer und die Testpersonen.
  • Geringe Standardisierung durch fehlende Quantifizierung kann ein Problem sein.
  • Die Daten sind nur eingeschränkt vergleichbar, da jedes Interview individuell durchgeführt wird.
  • Das Tiefeninterview kann weniger Reliabilität und Validität bieten als andere Marktforschungsformen.

Nutzen und Einsatzgebiete von Tiefeninterviews

In der Regel wird ein Tiefeninterview dann durchgeführt, wenn unbekannte Ursachen und Zusammenhänge erforscht werden sollen. Es liefert also Einblicke, die durch gängige Umfragen und Bewertungen nicht ersichtlich sind.

Die Interviewmethode wird im Zusammenhang mit Marktforschung für viele Ziele genutzt:

  • Analyse der Kundenzufriedenheit
  • Testung von Prototypen und Mock-Ups
  • Untersuchung von Nutzungsgründen
  • Analyse von Bedürfnissen und Motiven
  • Erkenntnisse über Trends und Lebensstile
  • Wirkungsanalysen von Werbemitteln und Marketingmaßnahmen
  • Analyse des Unternehmensimages
  • Zielgruppenanalyse für neue und bestehende Produkte und Dienstleistungen
  • Erforschung der emotionalen Wirkung von Produkten und Werbemaßnahmen
  • Einblick in heikle und sensible Themen durch Einzeldurchführung

Fazit: Das Tiefeninterview gibt für viel Einsatz auch viele Erkenntnisse

Tiefeninterviews sind für Unternehmen eine wertvolle Methode für qualitative Forschung, um subjektive und tiefe Einblicke in ihre Kundschaft zu erhalten. Sie liefern wichtige Informationen über Meinungen, Motive, Bedürfnisse und Emotionen und ermöglichen so, komplexe Zusammenhänge und individuelle Motivationen zu erkennen.

Elementar dabei ist die offene und empathische Gesprächsführung, die Vertrauen und damit ehrliche Antworten hervorruft. Das Tiefeninterview funktioniert dabei wie Storytelling, wobei beide Seiten die Möglichkeit haben, spontan und flexibel zu kommunizieren. Damit liefert diese Methode häufig Ergebnisse, die sonst unentdeckt bleiben. Gleichzeitig bedeuten diese Flexibilität und Individualität auch hohe Kosten und mehr Zeitinvest.

Unternehmen sollten also abwägen, wann ein Tiefeninterview geeigneter ist als eine klassische Umfrage. Dennoch sind sie ein wertvolles Instrument für die Zielgruppenanalyse und Entwicklung erfolgreicher Marketingstrategien.

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Titelbild: Chatchai Limjareon / iStock / Getty Images Plus

Ursprünglich veröffentlicht am 14. Juni 2023, aktualisiert am Juni 14 2023

Themen:

Marktforschung