Nur mal kurz die E-Mails checken — fast jeder Mensch hat diesen Impuls schon einmal verspürt, während man doch eigentlich gerade freihat. Der Satz kennzeichnet das Verschwimmen der Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit. Damit ist er ein Paradebeispiel für eine Arbeitsform, die als Work-Life-Blending bezeichnet wird. Was es damit auf sich hat, erfahren Sie in diesem Artikel.
Was ist Work-Life-Blending?
Der Begriff Work-Life-Blending bezeichnet das Verschmelzen von Privat- und Arbeitsleben. Klar umrissene Grenzen zwischen Frei- und Arbeitszeit gibt es beim Work-Life-Blending nicht mehr. In den regulären Arbeitsstunden werden also Privatangelegenheiten geklärt, in der Freizeit auch Berufliches erledigt.
Work-Life-Blending: Vor- und Nachteile
Wie bei den meisten Arbeitsformen scheiden sich auch beim Work-Life-Blending die Geister. Einige Arbeitnehmende beispielsweise betrachten das Work-Life-Blending als Chance für mehr Selbstbestimmung. Sie können sich ihre Zeit relativ frei einteilen und gewinnen dadurch vermeintlich mehr Freiraum für andere Lebensbereiche.
Flexibilität und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind weitere Argumente für das Work-Life-Blending, wie 77 Prozent der Befragten einer Studie bestätigten. Auf der Unternehmerseite bedeutet das Work-Life-Blending eine Effektivitätsmaximierung der Arbeitskraft der Mitarbeitenden, denn deren Verfügbarkeit wächst. Gestützt wird dieses durch Angebote wie schöne Workspaces, Latte macchiato oder eigene Fitnessräume.
In Zeiten des Homeoffice fällt es vielen Menschen schwer, überhaupt noch von der Arbeit abzuschalten und zu entspannen, da die räumliche Trennung wegfällt. Laut der erwähnten Studie waren 60 Prozent der Befragten der Meinung, dass im Homeoffice die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem verschwimmen — die Definition von Work-Life-Blending.
Drängende To-do-Listen, Überstunden und dauernder Termindruck können die Folge sein. Lebensbereiche wie die Gesundheit, Beziehungen, erfüllende Hobbys und nicht zuletzt die Familie werden potenziell zurückgestellt. Und seien wir mal ehrlich, ist es wirklich wünschenswert, beim Abholen der Kinder von der Schule zwischendurch die E-Mails zu kontrollieren — und damit nie wirklich präsent zu sein?
Blake Snow, renommierter Journalist und Bestsellerautor, hat sechs Jahre lang versucht, Arbeit und Privates zu verschmelzen. Sein Buch „Log Off: How to Stay Connected after Disconnecting“ legt dar, wie Technologie und analoges Leben zusammen funktionieren können. Sein Fazit ist ernüchternd: Er kritisiert das Konzept des Work-Life-Blending und bezeichnet es als „Wunschtraum von Workaholics“. Eine Alternative dazu bietet die Work-Life-Balance.
Work-Life-Balance vs. Work-Life-Blending
Die Arbeit ist für viele Menschen ein wichtiger Teil ihres Lebens. Sie bietet Struktur, stiftet Sinn und Identität, sorgt für soziale Kontakte und stellt nicht zuletzt den Lebensunterhalt sicher. Von daher ist der Begriff Work-Life-Balance, der Arbeit und Leben als Gegensätze darstellt, nicht ganz glücklich gewählt. Tatsächlich steht im Fokus der Work-Life-Balance ein funktionierendes, gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeitsleben und freier Zeit — Work-Leisure-Balance also.
Ist diese Balance über einen längeren Zeitraum massiv gestört, können stressbedingte Krankheiten und sogar Burnout die Folge sein. Mehrere Facetten des Lebens regelmäßig und wirkungsvoll auszubalancieren, ist also das erklärte Ziel der Work-Life-Balance.
Work-Life-Blending: Drei Tipps zur Umsetzung
Mit der Digitalisierung hat die Arbeitswelt eine umfassende Veränderung erfahren, die auch vor dem Privatleben nicht Halt macht. Beruflich am Wochenende oder im Urlaub kontaktiert zu werden, war vor einigen Jahren noch die absolute Ausnahme, heute dagegen ist es fast schon Standard.
Diese Entwicklung wird sich nicht umkehren lassen. Ein gesunder Übergang zwischen Privat- und Arbeitsleben ist daher wichtig, um negative Folgen zu vermeiden. Folgende Tipps sollen Sie dabei unterstützen, das positive Potenzial des Work-Life-Blending voll für sich auszuschöpfen:
Akzeptieren Sie die fließenden Übergänge
Während der Arbeitszeit Privates zu erledigen, gilt traditionell als No-Go, denn die Arbeitsleistung der Mitarbeitenden gehört während dieser Zeit dem Arbeitgebenden. Wenn Arbeit und Privates verschmelzen, gibt es keine starren Arbeitszeitregelungen mehr. Es ist also völlig in Ordnung und kein Grund für ein schlechtes Gewissen, private Belange während der Arbeitszeit zu erledigen.
Die Bedingung ist, dass Sie die Zeit beispielsweise abends oder am Wochenende wieder gutmachen. Mit einer positiven Einstellung können Sie das Potenzial des Work-Life-Blending am besten ausnutzen.
Strukturieren Sie Ihren Arbeitstag in private und berufliche Phasen
Erfolgreiches Work-Life-Blending will gut organisiert sein. Es bedeutet nicht, dass Sie ständig alles gleichzeitig erledigen müssen, sondern konzentriert eine Aufgabe nach der anderen abarbeiten können, ohne sie zu vermischen. Ablenkungen durch Smartphones beispielsweise sollten Sie in den Phasen ausschließen, in denen Sie etwas Berufliches bearbeiten.
Planen Sie regelmäßige Auszeiten ein
Auch der leistungsfähigste Mensch braucht Ruhepausen. Ständige Erreichbarkeit rund um die Uhr lässt aber keine Erholung zu. Legen Sie also konsequent Uhrzeiten fest, wann Sie erreichbar sind und wann nicht. Verordnen Sie sich auch Ruhezeiten vom Tablet und Handy. Am besten schalten Sie sie für bestimmte Zeitfenster ganz aus. Nur so bekommen Sie den Kopf wirklich frei.
Fazit: Work-Life-Blending braucht gute Selbstorganisation
Wie sich gezeigt hat, hat die Verschmelzung von Erwerbstätigkeit und Privatleben klare Vor- und Nachteile. Mehr Freiheiten und Handlungsspielräume für Arbeitnehmende stehen dem Anspruch der ständigen Verfügbarkeit und dem Aufgehen des Privatlebens im Job gegenüber.
Ein Patentrezept für alle ist das Work-Life-Blending wegen dieser Spannungsfelder sicher nicht, es ergänzt aber die bestehenden Arbeitszeitmodelle um eine neue und interessante Option. Vor allem der individuelle Umgang mit dem Work-Life-Blending ist als Voraussetzung für sein Gelingen zentral.
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