Nicht jede Kundengruppe ist für ein Unternehmen in gleichem Ausmaß profitabel. Diese Annahme liegt der ABC-Analyse zugrunde – einer Methode, die in wenigen Schritten dabei hilft, Ihre Kundschaft entsprechend dem Wert für das Unternehmen zu unterteilen. Wie Sie eine ABC-Analyse durchführen können, wann sie sinnvoll ist und welche Schwächen die Methode mit sich bringt, zeigen wir Ihnen in diesem Beitrag.
Was ist eine ABC-Analyse?
Die ABC-Analyse ist ein Ansatz zur Kategorisierung von Kundschaft, Produkten oder Projekten nach ihrem wirtschaftlichen Wert. Diese Einteilung hilft, differenzierte Marketing- und Vertriebsmaßnahmen umzusetzen, Ressourcen klar zu priorisieren und so stark wirtschaftlich zu agieren.
Die ABC-Analyse wurde in den 50er-Jahren vom ehemaligen General Electric-Manager H. Ford Dickie entwickelt.
Anwendungsbereiche der ABC-Analyse: Logistik, Zeitmanagement und Analyse der Kundschaft
Als gern genutztes Werkzeug kommt die ABC-Analyse in verschiedenen Branchen und Unternehmensbereichen zum Einsatz:
- In der Logistik hilft sie beispielsweise dabei, Lagerbestände effizienter zu verwalten – hier werden die gelagerten Güter nach ihrem Wert und ihrer Umschlagshäufigkeit klassifiziert.
- Im Projekt- und Zeitmanagement priorisiert die ABC-Analyse Aufgaben und Projektschritte nach ihrer Dringlichkeit und Wichtigkeit.
In diesem Artikel konzentrieren wir uns jedoch auf die Anwendung der ABC-Analyse zur Klassifizierung von Kunden- und Umsatzgruppen. Bei der Analyse werden Kundinnen und Kunden basierend auf ihrem Beitrag zum Unternehmensumsatz oder -gewinn in Kategorien eingeteilt.
ABC-Analyse vs. XYZ-Analyse
ABC- und XYZ-Analysen sind komplementäre Werkzeuge zur Bestands- und Kundenanalyse, die sich auf unterschiedliche Aspekte eines Inventars oder Kundenstamms beziehen. In ihrer Definition klassifiziert die ABC-Analyse Elemente (wie Produkte oder Kunden und Kundinnen) basierend auf ihrem Wertbeitrag.
Die XYZ-Analyse hingegen bezieht sich auf die Vorhersagbarkeit des Verbrauchs oder der Nachfrage. Meistens wird dies in der Materialwirtschaft angewandt. X-Elemente haben eine sehr konstante, Y-Elemente eine weniger stark vorhersagbare und Z-Elemente eine sehr unvorhersagbare Nachfrage.
Ziele und Aufgaben der ABC-Analyse
Für seine entwickelte Methode orientierte sich Ford Dickie am Pareto-Prinzip. Es besagt, dass 20 Prozent der Kundschaft 80 Prozent des Gesamtumsatzes generieren.
Das Ziel der ABC-Analyse: Diese 20 Prozent besonders lukrativer Kundinnen und Kunden zu identifizieren, um sie anschließend durch verschiedene Vertriebs- oder Marketingmaßnahmen zu priorisieren.
Dafür wird die Gesamtkundschaft in die Gruppen oder Klassen A, B und C eingeteilt. Kunden und Kundinnen der Kategorie A generieren den meisten Umsatz und sind daher das wichtigste Ziel von Marketing- und Vertriebsaktivitäten. B-Kundschaft ist wichtig für Unternehmen, allerdings nicht ganz so profitabel. Kundschaft der Gruppe C sind für die Umsatzgenerierung wenig bis gar nicht relevant.
Je nach Modell ist die Verteilung verschieden, oft wird allerdings die Folgende genutzt:
- A-Kundschaft beträgt 20 Prozent und generiert 80 Prozent des Umsatzes
- B-Kundschaft beträgt 35 Prozent und generiert 20 Prozent des Umsatzes
- C-Kundschaft beträgt 45 Prozent und generiert 5 Prozent des Umsatzes
Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass es sich bei diesen Angaben lediglich um Durchschnittswerte handelt. Während der Durchführung der ABC-Analyse gilt es daher, die Gruppengrenzen auf die eigene Situation passend festzulegen.
Wann ist es sinnvoll, eine ABC-Analyse durchzuführen?
Als Grundvoraussetzung für eine sinnvolle ABC-Analyse muss eine Situation vorliegen, in der die Umsatzstärke der Kundinnen und Kunden variiert. Generiert jeder Kunde bzw. jede Kundin einen ungefähr gleich hohen Wertanteil, lässt sich schlicht keine sinnvolle Einteilung in drei Kategorien vornehmen.
Wie wird die ABC-Analyse berechnet?
Die Berechnung der ABC-Analyse beginnt mit der Aufbereitung der relevanten Daten – in unserem Beispiel des Umsatzes. Die einzelnen Kunden und Kundinnen werden dann nach ihrem Gesamtbeitrag zu diesem Umsatz in absteigender Reihenfolge sortiert. Der nächste Schritt ist die kumulative Berechnung dieser Werte und die Einteilung in die zuvor definierten ABC-Kategorien.
Um die ABC-Analyse zu berechnen, gibt es keine grundsätzliche Formel. Sie legen die drei Klassen nach Ihrem Ermessen fest und teilen Ihre Kundschaft (oder Artikel) entsprechend ein. Wir zeigen Ihnen anhand eines Beispiels aus der Kunden- und Umsatzanalyse, wie das geht.
Schritt 1: Das Wertepaar bestimmen und sortieren
Entscheiden Sie sich im ersten Schritt für eine Kenngröße, anhand derer Sie Ihre Kundinnen und Kunden bewerten möchten. Meist wird hierfür der Jahresumsatz pro Kunde bzw. Kundin herangezogen, Sie können sich jedoch auch am durchschnittlichen Bestellwert orientieren.
Erstellen Sie eine Liste der gesamten Kundschaft, absteigend sortiert nach eben diesem Kriterium.
Schritt 2: Umsatzanteil berechnen
Bestimmen Sie den Anteil am Umsatz jedes einzelnen Kunden und jeder einzelnen Kundin – vorausgesetzt, Sie haben sich für den Umsatz als Kenngröße entschieden. Tipp: Eine weitere gern herangezogene Kennzahl ist unserer Erfahrung nach der Gewinn pro Kunde bzw. Kundin.
Schritt 3: Umsatzanteile kumulieren und in Gruppen aufteilen
Nun müssen Sie sich entscheiden, wie Sie die Klassengrenzen wählen möchten. Wie viel Prozent des Gesamtumsatzes sollten Gruppe A, B und C jeweils betragen?
Zum Beispiel: Ihre A-Kundschaft soll insgesamt 60 Prozent des Umsatzes generieren. Dann kumulieren Sie absteigend die Anteile der einzelnen Kundinnen und Kunden so lange, bis sie die 60 Prozent erreicht haben. Genauso gehen Sie für die restliche Kundschaft vor, bis alle in A-, B- und C-Kategorien eingeteilt sind. Zusammen ergeben die drei Gruppen 100 Prozent.
Im Ergebnis erhalten Sie jetzt eine Übersicht über drei Gruppen mit deren anteiligem Umsatz, dem Gesamtumsatz sowie der Kundenanzahl pro Gruppe.
Auf dieser Basis lassen sich die Kundinnen und Kunden nun entsprechend ihrer Gruppenzugehörigkeit unterschiedlich angehen. Denkbar wären auch Extra-Leistungen für die wertvollste Kundschaft: Für A-Kundschaft könnten Sie beispielsweise eine Premium-Hotline einrichten.
ABC-Analyse auswerten
Nun folgt die Analyse und Auswertung der Ergebnisse. Ziehen Sie die ausgewertete Analyse allgemein dazu heran, strategische Entscheidungen über die Kundenansprache (oder Priorisierung von Aktivitäten, Projekte, Zeit – je nach Einsatzgebiet) zu treffen.
Für jedes Segment (A, B, C) können Sie spezifische Strategien entwickeln, hier wieder am Beispiel der Kundenanalyse:
- A-Kunden / Klasse A (hoher Wert, geringe Anzahl): Diese Kundengruppe generiert den größten Anteil am Umsatz oder Gewinn des Unternehmens. Strategien für A-Kundschaft sollten darauf abzielen, diese Beziehungen zu stärken und auszubauen – etwa durch personalisierte Angebote und exklusiven Kundenservice.
- B-Kunden / Klasse B (mittlerer Wert, mittlere Anzahl): B-Kundschaft bietet ein stabiles Umsatzpotenzial, ist jedoch nicht so umsatzstark wie die A-Kundschaft. Für diese Gruppe sind Maßnahmen sinnvoll, die darauf abzielen, sie zu A-Kundschaft zu entwickeln. Unser Tipp dafür: gezielte Marketingkampagnen, verbesserte Kundenbetreuung und vor allem spezielle Anreize.
- C-Kunden / Klasse C (geringer Wert, hohe Anzahl): C-Kundschaft trägt am wenigsten zum Gesamtumsatz bei, obwohl sie oft die Mehrheit der Kundenbasis ausmacht. Für diese Gruppe entwickeln Sie am besten kosteneffiziente Strategien, die wenig Ressourcen erfordern. Hier spielen Automatisierung und Standardisierung, etwa durch Chatbots im Service, eine große Rolle.
Ergebnisse der ABC-Analyse grafisch darstellen in einer Tabelle oder Excel
Ob einzelne Kundinnen und Kunden einen deutlich höheren Umsatz generieren, lässt sich durch die Visualisierung in einem Pareto-Diagramm erkennen.
Dazu tragen Sie im Rahmen der ABC-Analyse in Excel oder einer Tabelle auf der x-Achse die Kundschaft nach dem jeweils erbrachten Umsatz absteigend ein: Ganz links stehen also diejenigen, die den meisten Umsatz eingebracht haben; ganz rechts diejenigen mit dem geringsten Einkaufsvolumen.
Auf der y-Achse tragen Sie die kumulierten (summierten) Umsatzanteile ein: Hat beispielsweise die wichtigste Kundin auf dem ersten Platz 30 Prozent des Umsatzes generiert und der Kunde auf dem zweiten Platz 20 Prozent, wird der kumulierte Umsatzanteil für Kunde Nummer 2 bei 50 Prozent markiert.
Ergibt sich nach Auflistung sämtlicher Kundschaft nahezu eine Gerade, gibt es kaum Unterschiede zwischen den prozentualen Anteilen am Jahresumsatz. Je mehr die Kurve allerdings von einer Geraden abweicht und stattdessen die Form einer Lorenzkurve annimmt, desto größer variiert die Kundschaft in ihrer Bedeutung für das Unternehmen.
Stellt sich die Situation also ähnlich wie in der nachfolgenden Abbildung im Pareto-Diagramm dar, ist eine ABC-Analyse unbedingt sinnvoll:
Was ist eine Lorenzkurve?
Der Begriff ist bereits gefallen: Lorenzkurve. Dieses grafische Werkzeug nach Max Otto Lorenz stammt aus der Statistik und wird verwendet, um die Ungleichverteilung einer Variablen darzustellen. Sie zeigt auf, wie groß der Anteil des kumulierten Gesamtmerkmals (zum Beispiel Umsatz oder Gewinn) in Relation zu verschiedenen Anteilen ist.
In der ABC-Analyse wird die Lorenzkurve genutzt, um die Verteilung von Werten – wie Umsatz oder Profitabilität – unter der Kundschaft oder den Produkten darzustellen. Dabei wird die kumulierte Prozentzahl der Elemente (Kundschaft oder Produkte) auf der horizontalen Achse und der kumulierte Prozentanteil am Gesamtwert auf der vertikalen Achse abgetragen.
Die „perfekte Gleichverteilung“ wäre also eine diagonale Linie von der unteren linken Ecke zur oberen rechten Ecke verlaufen. Unsere oben gezeigte Grafik der ABC-Analyse zeigt hingegen eine ungleiche Verteilung, denn je stärker die Krümmung, desto ungleicher.
ABC-Analyse: Vor- und Nachteile
Bei der ABC-Analyse handelt es sich zwar um ein bewährtes Instrument in der Kundenanalyse, dennoch möchten wir auch auf die Vor- sowie Nachteile eingehen.
Welche Vorteile hat die ABC-Analyse?
Neben einer gezielten Segmentierung der Kundenbasis nach Wertbeitrag für das Unternehmen, gibt es noch folgende Vorteile:
- In erster Linie zeichnet die Methode aus, dass sie schnell und einfach durchzuführen ist. Liegen Ihnen die entsprechenden Daten vor, wird die Analyse im Vergleich zu anderen Methoden in kürzester Zeit durchgeführt.
- Außerdem benötigen Sie keine speziellen Softwarelösungen. Eine ABC-Analyse lässt sich in Excel bequem durchführen. Dort können Sie die tabellarisch aufgelistete Kundschaft mit nur einem Klick nach Umsatzanteil sortieren und Anteile am Gesamtwert kumulieren.
- Die ABC-Analyse ist prinzipiell für jedes Unternehmen geeignet – ganz gleich, ob Sie im Industrie- oder Dienstleistungsbereich, B2B oder B2C aktiv sind.
- Gleichzeitig ist die Methode flexibel einsetzbar. Nicht nur Käuferinnen und Käufer können so nach Profitabilität kategorisiert werden, sondern zum Beispiel auch die eigenen Produkte. Die ABC-Analyse kann so in jeder Branche und in vielen Unternehmensbereichen eingesetzt werden.
Welche Nachteile hat die ABC-Analyse?
Auch mögliche Nachteile möchten wir nicht unerwähnt lassen:
- Sie sollten bei der ABC-Analyse stets im Hinterkopf behalten, dass es sich um ein eindimensionales Analyseverfahren handelt. Es konzentriert sich also lediglich auf eine Messgröße (etwa eine Vertriebskennzahl wie Umsatz), was ein falsches oder missverständliches Bild ergeben kann. So ist es denkbar, dass der durchschnittliche Einkaufswert eines Kunden zwar enorm hoch ist, insgesamt aber nur zwei Einkäufe getätigt wurden. Dadurch wird der Anteil am Gesamtumsatz niedrig ausfallen.
- Hieraus ergibt sich auch, dass lediglich die Ist-Situation betrachtet werden kann, Entwicklungspotenziale dagegen außen vor gelassen werden. So kann es passieren, dass eine Kundin in Kategorie C nicht priorisiert wird, weil sie im vergangenen Jahr nur einen unwesentlichen Anteil zum Umsatz beigetragen hat. Doch was ist, wenn sie mit dem richtigen Nurturing das Potenzial zu einer deutlich profitableren Klasse-A-Kundin hätte? Diese Chance droht in diesem Fall verschenkt zu werden.
- Dieses Beispiel zeigt aus unserer Sicht, dass es sich bei der ABC-Analyse um eine rein quantitative Methode handelt, die qualitative Aspekte bei den einzelnen Klassen außer Acht lässt. Der Wert eines Kunden oder einer Kundin kann hier lediglich an konkreten Zahlen und dem vergangenen Kaufverhalten festgemacht werden.
- Die Einteilung in lediglich drei Gruppen stellt außerdem ein recht grobes Raster dar. Im individuellen Fall bieten sich eventuell weitere Kategorien an. Grundsätzlich ist es mit dieser Methode jedoch möglich, beliebig viele Klassen festzulegen.
Mit der ABC-Analyse Prioritäten setzen
Die ABC-Analyse ist eine nützliche Methode, um sich schnell und unkompliziert einen Überblick über die Ist-Situation und die Profitabilität der einzelnen Kundinnen und Kunden Ihres Unternehmens zu verschaffen.
Allerdings sollten Sie dabei immer zielführend vorgehen: Stehen Ihnen die nötigen Daten zur Verfügung und sind diese zuverlässig? Welche Kenngröße ist in Ihrer Situation am aussagekräftigsten? Und vor allem: Warum benötigen Sie eine entsprechende Differenzierung?
Denn wie bei jeder Analyse sollte sie keinem reinen Selbstzweck dienen, sondern aus den Ergebnissen sollten auch konkrete Maßnahmen abgeleitet werden.
Titelbild: HubSpot