Digitale Disruption: Mehr als ein Hype

Die Zukunft des Vertriebs
Gregor Hufenreuter
Gregor Hufenreuter

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Bei fast jeder Konferenz und in fast jeder aktuellen Business-Publikation ist eines der wichtigsten Trendthemen die Disruption. Es entsteht der Eindruck, dass die Technologien und Geschäftsmodelle, die dahinterstecken, weniger wichtig sind. Was vor allem zählt: Sie sollen disruptiv sein. 

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Wir klären, was hinter dem Buzzword Disruption steckt und beantworten die Fragen: Worum geht es dabei überhaupt? Ist der Hype gerechtfertigt? Was bedeutet das für kleine und mittelständische Unternehmen oder für Start-ups? Und was hat das mit dem Dilemma von Innovatoren zu tun, das der Harvard-Professor Clayton M. Christensen beschrieb?

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Dies passiert häufig durch Innovationen, die ein Bedürfnis besser befriedigen, als es bestehende Technologien können. Sie sind also entweder günstiger, einfacher oder komfortabler. Fast immer aber ersetzen dabei neue Anbieter schmerzhaft alte Industrien.

Ein Blick in die Geschichte: Vom Buchdruck zum digitalen Assistenten

Den Beginn der Disruption lag etwa vor 500 Jahren in der Erfindung des Buchdrucks: Davor wurde Wissen handschriftlich in Manuskripten gesammelt. Gedruckte Bücher waren wesentlich günstiger und schneller herzustellen. Der Übergang dauerte ein paar Hundert Jahre, aber dann verbreiteten sich Wissen und Erkenntnisse sehr viel effizienter.

Seitdem kommt es immer schneller zu disruptiven Umbrüchen. Mit dem Siegeszug digitaler Technologien ab Mitte der 1960er-Jahre erfolgten Disruptionen mit exponentieller Geschwindigkeit. So finden Disruptionen fast ausschließlich in der digitalen Welt statt.

Diese immer noch wachsende Geschwindigkeit sorgt vielfach für Irritationen. Was wir heute noch als neu wahrnehmen, ist morgen schon wieder veraltet. Gerade hat sich beispielsweise E-Commerce mit Onlineshops durchgesetzt und schon steht Conversational Commerce bereit und wir können einfach unseren digitalen Assistenten sagen, was wir kaufen möchten. 

Dass Disruption ganze Systeme und Märkte betreffen kann, zeigt ein Beispiel aus dem Zeitalter vor der Digitalisierung: Ende des 19. Jahrhunderts wechselte die Kühlung von Lebensmitteln im Haushalt zweimal, nämlich von der Versorgung mit Eisblöcken über Industrie-Eis bis hin zu privaten Kühlschränken. 

Was hat Disruption mit Innovation zu tun?

Disruptionen entstehen häufig durch Innovationen. Aber auch Veränderungen in Märkten oder der Umwelt können Disruptionen anregen. Aber warum trifft eine Disruption die bestehenden Anbieter und deren Produkte fast immer so hart? 

Eine mögliche Erklärung lieferte 1997 Clayton M. Christensen mit seinem Buch „The Innovator's Dilemma“: Auf den Punkt gebracht lautet seine These, dass es nicht genug Geld in erfolgreichen Unternehmen gibt, um sowohl Produktinnovationen und -verbesserungen vorzunehmen als auch gleichzeitig komplett neue Märkte mit neuen Produkten zu erschließen.

Diese These ist heftig kritisiert worden, unter anderem, weil Christensen außer Acht lässt, dass vielfach niemand das Potenzial innovativer Ideen für den eigenen Markt erkennt. Außerdem, so die kritischen Stimmen, sei er getrieben von Angst und Mangel an Logik.

Die Vor- und Nachteile von disruptiven Technologien

Disruptive Innovationen brechen bestehende Branchen auf und bringen sie ins Wanken. Das kann oft so weit gehen, dass eine Disruption die eigene Geschäftsidee eines Unternehmens gefährdet. In der Ablösung des eigenen Geschäftsmodells liegen aber zugleich die großen Chancen. 

Wer rechtzeitig Innovationen entwickelt oder nutzt, kann den Vorsprung vor dem Wettbewerb in einem größeren Absatz umsetzen. Dafür müssen Unternehmen allerdings bereit sein, sich und ihr Geschäftsmodell permanent weiterzuentwickeln. Und das betrifft auch Start-ups, die sich nicht darauf ausruhen können, disruptiv zu sein.

Das beste Beispiel dafür ist das Streaming-Portal Netflix: Erst ist es mit einem sehr innovativen Unterhaltungsangebot am Markt vorbeigezogen. Durch die wachsende Zahl an Anbietern, die diese Dienste jetzt auch bereitstellen, gerät Netflix in Bedrängnis. 

Für Verbraucher und Verbraucherinnen sind Disruptionen in den Geschäftsmodellen der Anbieter eigentlich immer positiv:

  • Die Leistung wird besser.

  • Der Preis sinkt.

  • Die Auswahl steigt.

Disruptive Technologien: Vergangene und aktuelle Disruptionen 

Nicht nur Start-ups sind disruptiv. Wenn eine Branche rechtzeitig erkennt, dass es neue, bessere Technologien gibt und sie einsetzt, kann die Disruption auch von etablierten Unternehmen getragen werden. So haben zum Beispiel die großen Musikverlage in der Vergangenheit rechtzeitig von der Schallplatte auf CD umgestellt. Allerdings waren sie bei der nächsten Revolution – den Musik-Downloads und dem Musik-Streaming – nicht schnell genug. Mittlerweile beherrschen branchenfremde Anbieter, zum Beispiel Apple und Spotify, die modernen Distributionswege von Musik.

Häufig passieren Disruptionen, weil Unternehmen die Kraft einer Erfindung unterschätzen. In der Vergangenheit war das etwa im Bereich der Fotografie zu sehen: Marktführer Kodak hat selbst die digitale Fotografie erfunden, sie aber nicht vermarktet – und ist daraufhin aus dem Markt ausgeschieden. 

Ähnlich erging es Nokia – über Jahre ein etabliertes Unternehmen im Bereich der Mobiltelefone. Nokia brachte sogar die ersten Smartphones auf den Markt. Doch als Apple sein iPhone vorstellte und die Idee von Samsung und vielen anderen kopiert wurde, war Nokia zu langsam – und verlor massiv Marktanteile.

Auch große Hotelketten haben mit Verlusten zu rechnen. Denn Airbnb vermittelt mittlerweile mehr Übernachtungen als manch bekannte Hotelgruppe. Und dabei besitzt das Start-up keine eigenen Hotelimmobilien, sondern ist „nur“ eine digitale Plattform.

Disruptive Innovationen: Was kommt als Nächstes?

Es ist klar, dass die Bedeutung disruptiver Technologien in nächster Zukunft noch rasanter zunehmen wird. Deshalb muss sich jedes Management von kleinen und mittleren Unternehmen oder Start-ups darüber klar werden, wie es damit umgehen will.

An allererster Stelle steht die Beobachtung technologischer Entwicklungen und Erfindungen und die Bewertung, was diese für den eigenen Markt bedeuten könnten. Hilfreich ist auch die Frage, was das eigene Unternehmen tun könnte, um den Markt disruptiv anzugehen.

Eine der eindrucksvollsten Disruptionen findet derzeit im Finanzbereich statt. Neue Unternehmen, die nicht aus der Branche stammen, bieten neue Bankdienstleistungen an (zum Beispiel PayPal oder Dienste rund um die Bezahlung mit dem Handy). 

Die nächste gewaltige Disruption, die voraussichtlich ansteht, wird das selbstfahrende Auto sein – hier ist allerdings noch nicht ganz entschieden, ob etablierte Player oder neue Angreifer das Rennen machen. 

Die Welt im Wandel: Wie geht es weiter?

Die Digitalisierung bringt ständig neue radikale Veränderungen mit sich. Somit beschreibt der Begriff „digitale Disruption“ keinen kurzfristigen Hype und keinen vorübergehenden Trend, sondern einen ganz normalen, fortwährenden Prozess der Weiterentwicklung – nur mit Highspeed-Tempo.

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Titelbild: monsitj / iStock / Getty Images Plus

Themen: Digitalisierung

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