Seit über 40 Jahren dient das Harvard-Konzept als Grundlage für erfolgreiche Verhandlungen. Ob private Entscheidungen, Konditionsverhandlungen mit dem Geschäftspartner oder Verkaufsgespräche: Tagtäglich wird mit dem Ziel verhandelt, den eigenen Nutzen zu maximieren. Das Harvard-Modell beweist jedoch einschlägig, dass Fairness statt Feilschen für die beidseitige Einigung die wirksamste Methode ist.

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Das Harvard-Konzept entstand aus dem „Harvard Negotiation Project“ der bekannten Universität. Im Rahmen dieses Projekts wurden Verhandlungs- und Vermittlungsmethoden analysiert, um praktische Anwendungstipps abzuleiten.

1981 fassten die Rechtswissenschaftler Roger Fisher und William Ury in „Getting to Yes“ die gesammelten Erkenntnisse zusammen. Die Methode geht über die klassische Kompromissfindung hinaus und bildet bis heute eine der bedeutendsten Verhandlungstechniken. Sie zählt inzwischen zum festen Studienprogramm der Harvard Law School.

Die vier Grundprinzipien des Harvard-Konzeptes

Die grundlegende Frage der Harvard-Methode besteht darin, herauszufinden, wie Differenzen konstruktiv und effizient überwunden werden können. Wie können Sie eine Übereinkunft erreichen, ohne in ein Streitgespräch verwickelt oder in eine Bittsteller-Position gedrängt zu werden?

Dafür wurden die vier Säulen des Harvard-Konzeptes ausgearbeitet:

1. Behandeln Sie Menschen und Probleme getrennt voneinander

Das Motto lautet: „Seien Sie hart in der Sache, aber weich zu den Menschen.“

Das Harvard-Prinzip beschreibt eine inhaltlich sachliche Auseinandersetzung. Deshalb ist es besonders wichtig, einen Verhandlungspartner weder als Freund noch als Feind zu betrachten. Konzentrieren Sie sich stattdessen auf die beiderseitigen Interessen.

Das Harvard-Konzept gibt vor, stets beide Seiten am Ergebnis zu beteiligen, um eine effiziente Verhandlung zu gewährleisten. Gezielte Angriffe gegen Ihre Verhandlungspartnerinnen und -partner sind kontraproduktiv und werden die Fronten für künftige Verhandlungen zusätzlich verhärten.

Artikulieren Sie Emotionen und Probleme, ohne jedoch die Schuld bei der Gegenseite zu suchen . Verfallen Sie nicht in emotionale Ausbrüche, sondern legen Sie offen dar, welche Forderungen Sie stellen und begründen Sie diese.

Auch Ihre Verhandlungspartnerinnen und -partner haben eigene Anliegen. Hören Sie Ihrem Gegenüber zu und punkten Sie mit Empathie. Fühlt sich ein Verhandlungspartner verstanden, wird er umso gewillter sein, auch Ihnen und Ihren Anliegen Aufmerksamkeit zu schenken. Sprechen Sie im Zuge dessen also auch offen die Probleme Ihrer Verhandlungspartnerinnen und -partner an. Durch eine aktive Kommunikation fördern Sie nicht nur die beiderseitige Einigung, sondern auch die Beziehung zu ihrem Gegenüber.

2. Konzentrieren Sie sich auf die beiderseitigen Interessen, nicht auf die Positionen

Feilschen oder das vehemente Verteidigen der eigenen Position zählen nicht zu den Methoden des Harvard-Prinzips. Stattdessen schlägt das Modell vor, sich auf die Interessen hinter den Forderungen zu konzentrieren. Dabei sind sowohl die eigenen Interessen von Bedeutung als auch die der Gegenseite.

Machen Sie sich vor der Verhandlung eine Liste mit Ihren eigenen Interessen. Diese können sowohl Wünsche, Ängste, Befürchtungen oder Sorgen enthalten. Indem Sie Ihre Interessen offen darlegen, lenken Sie die Verhandlung in eine sachbezogene Richtung.

Überlegen Sie sich auch, welche Interessen die Gegenseite mit in die Verhandlung bringen könnte. Stellen Sie W-Fragen, um tiefere Einblicke in die Forderungen Ihrer Verhandlungspartnerinnen und -partner zu bekommen.

Nach Harvard-Konzept sind gegenseitige Interessen und nicht die Positionen relevantTipp: Nutzen Sie die Vorstellungen und Interessen der Gegenseite auf unerwartete Weise. So fördern Sie das Beziehungsmanagement und stimmen Ihr Gegenüber positiv.

3. Entwickeln Sie vor der Entscheidung verschiedene Auswahlmöglichkeiten

Ohne Zielsetzung wird jede Verhandlung zur Zeitverschwendung. Um ans Ziel zu gelangen, sind neben der Strategie jedoch auch verschiedene Taktiken notwendig. Nehmen Sie Abstand von „Entweder-oder“-Debatten. Das Harvard-Konzept schlägt vor, verschiedene Optionen zu betrachten und durch Kreativität und Flexibilität zum Verhandlungsziel zu gelangen. Entscheiden Sie sich für die „Sowohl-als-auch“-Variante und betrachten Sie die unterschiedlichen Wirkungsgrade der Problemlösungen.

Harvard-Prinzip-Optionen-entwickelnEin Brainstorming bietet hier die Möglichkeit, alle Optionen und Ideen zu notieren. Es kann sowohl vor als auch während einer Verhandlung stattfinden. Stehen Ihnen verschiedene Optionen zur Auswahl, können Sie anschließend jene auswählen, die eine praktische Durchführbarkeit aufweisen. Schließlich bewerten Sie die Optionen und finden so zum optimalen Ergebnis.

4. Bauen Sie das Ergebnis auf objektiven Entscheidungskriterien auf

Das vierte Prinzip des Harvard-Konzeptes zieht objektive Kriterien heran, um auf Basis dessen Entscheidungen zu treffen. So kann ein faires Ergebnis für beide Seiten erzielt werden. Durch die gemeinsame Entscheidungsfindung wird auch die Akzeptanz der verhandelten Lösung erhöht.

Um mögliche Kriterien für eine Übereinkunft aufzustellen, können folgende Punkte einbezogen werden:

  • Marktwert
  • Vergleichsfälle
  • Auswirkungen
  • Kosten
  • Moralische Kriterien
  • Gleichbehandlung
  • Gegenseitigkeit

Was, wenn der Verhandlungspartner oder die Verhandlungspartnerin nicht mitmacht?

Sollten Sie wider Erwarten keine beiderseitige Einigung finden, schlägt das Harvard-Konzept ein „BATNA (Best Alternative To Non-Agreement)“ vor. Überlegen Sie sich die beste Alternative zu einer ausgehandelten Vereinbarung vor der Verhandlung und ziehen Sie sie aus dem Ärmel, sobald es brenzlig wird. Je attraktiver Ihre Alternative ist, desto größer ist Ihre Verhandlungsmacht.

Fertigen Sie sich eine Liste mit möglichen Szenarien an, falls es zu keiner Einigung kommen sollte. Entwickeln Sie sowohl für sich als auch Ihr Gegenüber vielversprechende Optionen, die eine hohe praktische Durchführbarkeit aufweisen. Wenn Sie Ihre Alternative kennen, laufen Sie nicht Gefahr, im Verhandlungsverlauf in eine Situation zu geraten, in der ein Abschluss weniger Wert ist als Ihr BATNA.

Harvard-Konzept schematische Darstellung von BATNAUntersuchen Sie neben Ihrem eigenen BATNA auch die Alternative(n), die Ihr Gegenüber aus der Hinterhand ziehen könnte. So sind Sie auch für den schlimmsten Fall optimal vorbereitet.

Das Harvard-Konzept in einem Beispiel: Eine Gehaltsverhandlung

Szenario: Ein Mitarbeiter fordert eine Gehaltserhöhung von 500 €, Ihr Unternehmen hat jedoch gerade eine hohe Investition getätigt.

Ermitteln Sie zunächst die gemeinsamen und unterschiedlichen Interessen. Stellen Sie Ihre Position sachbezogen dar und erläutern Sie, warum Sie der Gehaltserhöhung derzeit nicht stattgeben können. Erklären Sie, dass Sie eine unternehmerische Investition getätigt haben, die für die Weiterentwicklung der Firma entscheidend war.

Stellen Sie dem Mitarbeiter Optionen zur Verfügung. Hören Sie zu, welche Beweggründe hinter seiner Forderung stehen. Steht für ihn beispielsweise mehr Anerkennung im Vordergrund, könnten Sie ihn mit der Übernahme wichtiger Projekte entlohnen.

Stellen Sie zusammen mit Ihrem Mitarbeiter objektive Kriterien auf und bewerten Sie diese hinsichtlich der beiderseitigen Interessen. Durch das gemeinsame Entwickeln der Verhandlungslösung wird Ihr Mitarbeiter mehr Verständnis für Ihre Entscheidung zeigen.

Verhandeln Sie mit Gewinn: Übungen zum Harvard-Konzept

Damit Sie bei der nächsten Verhandlung mit den Prinzipien des Harvard-Konzepts erfolgreich punkten, sollten Sie auf zwei Ebenen agieren:

1. Psychologisch: Das Harvard-Konzept ist darauf ausgelegt, eine Win-Win-Situation für beide Beteiligten auszuhandeln. Mit Empathie und konstruktiven, sachbezogenen Problemlösungen kreieren Sie eine positive Grundstimmung.

2. Taktisch: Um eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu erreichen, müssen Sie Flexibilität und Kreativität an den Tag legen. Üben Sie, verschiedene Optionen zu diskutieren, ohne dabei zu sehr nachzugeben.

Auf der Webseite Verhandlungstraining.org finden Sie eine Liste von Übungen, mithilfe derer Sie Ihre Kompetenzen ausbauen können.

Fazit: Mit Harvard-Prinzipien zum Erfolg

Das Harvard-Konzept beweist, dass durch eine sachbezogene Verhandlungstaktik eine Win-Win-Situation für beide Seiten erreicht werden kann. Das Prinzip fördert durch eine faire Verfahrensweise langfristig die Beziehung der Verhandelnden.

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Titelbild: Fiordaliso/ iStock / Getty Images Plus

Ursprünglich veröffentlicht am 19. April 2022, aktualisiert am Januar 20 2023

Themen:

Verkaufsgespräch