Produkte, die mit Maschinen kommunizieren, Lagerräume, die eine Warnmeldung senden, wenn sie fast leer sind und Produktionsstätten, die sich quer über den Globus hinweg miteinander austauschen: Das klingt wie aus einem Science-Fiction-Film. Tatsächlich könnte all das aber schon in wenigen Jahren völlig normal sein, denn die vierte industrielle Revolution ist bereits angelaufen.
In diesem Beitrag erfahren Sie, was es mit der Industrie 4.0 auf sich hat und welche Veränderungen Sie für die Produktion und den Verkauf von Produkten erwarten können.
Industrie 4.0 einfach erklärt
Drei industrielle Revolutionen hat die Welt bisher bereits erlebt: die Mechanisierung, die Entwicklung der Massenproduktion und die Automatisierung von Prozessen. Nun ist die vierte industrielle Revolution im Gange und genau sie ist mit dem Begriff „Industrie 4.0” gemeint.
Die Industrie 4.0 fußt auf den Möglichkeiten, die durch das Internet und die zunehmende Digitalisierung entstehen. Auch maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz spielen dabei eine wichtige Rolle. Maschinen sollen möglichst autonom arbeiten und sich miteinander verständigen, damit Abläufe schneller vonstatten gehen und die Wirtschaft produktiver wird.
Ein Bauteil kann dann zum Beispiel in der Produktion ein Signal an die Maschine senden, zu welchem Produkt es gehört. Ein und dieselbe Maschine kann dadurch mehrere Versionen eines Produktes fertigen. Um es ganz einfach zu sagen: Ein grünes Bauteil funkt an die Maschine: „Hey, ich bin grün und ich gehöre zur grünen Produktvariante”, während ein rotes Bauteil meldet: „Ich bin rot und ich gehöre zur roten Produktvariante”.
Die Maschine baut die Teile dann entsprechend zusammen. Für Kundinnen und Kunden bedeutet das, dass sie Produkte individualisieren und in kleineren Stückzahlen als bisher üblich erwerben können. Damit hört es aber natürlich nicht auf: Auch Lagerhallen, Sortiermaschinen, ausliefernde Fahrzeuge und sämtliche andere am Wirtschaftskreislauf beteiligten Maschinen und Computer sind an das System angeschlossen. Alles kommuniziert mit allem.
Ziele der Industrie 4.0
Das zentrale Ziel der Industrie 4.0 ist es, die Produktivität zu steigern. Produktionsketten können durch die komplexe Vernetzung besser organisiert werden und gewinnen dadurch an Effizienz.
Die Abstimmung geht dabei weit über die Grenzen eines einzelnen Unternehmens hinaus. Weltweit sollen Produktionsstätten Daten austauschen können. Lagerhallen bestellen automatisch Nachschub einer zur Neige gehenden Ressource im Ausland und Maschinen melden den Verschleiß von Teilen, schon bevor diese nicht mehr funktionieren und die Produktionskette deshalb ins Stocken gerät. Wenn die neue industrielle Revolution abgeschlossen ist, soll es möglichst keine Produktionsausfälle mehr geben.
Zugleich orientiert sich die Wirtschaft noch deutlich mehr an den Kundinnen und Kunden. Sie erhalten die Möglichkeit, Produkte aktiv mitzugestalten und zum Beispiel Kleidungsstücke an ihre persönliche Körperform anzupassen. Zudem senden bereits gekaufte Produkte ständig Informationen über ihre Nutzung, ihren Verschleiß und einiges mehr an die Unternehmen. Diese nutzen die Daten, um ihr Angebot stetig zu verbessern oder ganz neue Produkte zu entwickeln.
Auch die Verkaufsabteilung profitiert von dem Datenstrom, denn dank ihm lernt sie die Zielgruppe genauer kennen als jemals zuvor. Es wird möglich, Kundinnen und Kunden in detaillierte Segmente einzuteilen und diese auf unterschiedliche Weise anzusprechen.
Das zeichnet die Produktion 4.0 aus
Damit alle Ziele erreicht werden können, wird die Produktion 4.0 äußerst flexibel. Produktionsstraßen werden modular aufgebaut und können schnell für verschiedene Aufgaben umgerüstet werden. Das ermöglicht es Kundinnen und Kunden zum Beispiel, individuell designte Produkte in sehr kleiner Stückzahl zu ordern, ohne dass die Preise explodieren.
Alle an der Produktion beteiligten Maschinen und Abläufe sind über das Internet miteinander verzahnt. Die einzelnen Produktionsschritte können dadurch besser geplant und aufeinander abgestimmt werden. Ressourcenengpässe oder nicht optimal ausgelastete Maschinen gehören dann der Vergangenheit an. Das Internet der Dinge wird laufend intelligenter und effizienter.
Die Rolle der Industrie 4.0 in Deutschland
Deutschland gehört derzeit zu den größten Exportnationen der Welt. Nur China und die USA haben im Jahr 2019 mehr in andere Länder verkauft. Diese Stellung möchte es halten oder sogar noch ausbauen und versucht deshalb, die vierte industrielle Revolution aktiv mitzugestalten.
Im Rahmen der sogenannten Plattform Industrie 4.0 erarbeiten Expertinnen und Experten in sechs Arbeitsgruppen Modelle und Vorschläge, wie die Industrie 4.0 konkret umgesetzt werden kann. Auf dieser Grundlage geben sie Handlungsempfehlungen an Politik, Unternehmen und Wissenschaft weiter.
Damit die Industrie 4.0 funktionieren kann, muss es zum Beispiel international einheitliche Standards in Bereichen wie dem Datenschutz und der IT-Sicherheit geben. Auch die Zukunft der menschlichen Arbeit und nötige Veränderungen an der Bildungslandschaft müssen geklärt und Unternehmen bei der Entwicklung neuer Geschäftsideen unterstützt werden.
Um so schnell wie möglich konkrete Ergebnisse vorweisen zu können, versucht die Plattform Industrie 4.0 zwischen verschiedenen Interessen und Ansichten zu vermitteln und multilaterale Kooperationen anzustoßen. Dennoch wird die Produktion 4.0 sicher nicht Knall auf Fall eingeführt, sondern sich im Laufe der Jahre Stück für Stück weiter etablieren.
Fazit: Vom Innovationsmanagement bis zur Produktion – Alles wird vernetzt
Es scheint sicher zu sein: Die große Vernetzung in der Wirtschaft kommt. Schon jetzt ist die vierte industrielle Revolution im Gange. Das Internet der Dinge, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen werden von der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Produkte über die Produktion, den Verkauf und die Auslieferung bis hin zur Nutzung durch die Kundinnen und Kunden alle alle Teile des Wertschöpfungsprozesses miteinander verzahnen.
Die Wirtschaft wird dadurch produktiver und flexibler, muss sich aber auch für neue Herausforderungen und Fragestellungen wappnen. Wie lässt sich Big Data mit dem Datenschutz vereinen? Wie können die Systeme vor feindlichen Angriffen geschützt werden? Welche Verkaufsstrategien können in einer Welt funktionieren, die von so vielen Informationen überschwemmt wird, dass nur ein Algorithmus ihnen Herr werden kann?
Am besten vorbereitet werden Sie sein, wenn Sie sich schon jetzt mit den Möglichkeiten der Digitalisierung auseinandersetzen.
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