Das Ziel vieler Menschen ist es, die beste Version ihrer selbst zu werden. Eine große Hilfe bei diesem Vorhaben ist das Werte- und Entwicklungsquadrat nach Schulz von Thun. Es unterstützt Sie dabei, Ihre positiven Charaktereigenschaften zu erkennen und diese mit anderen Qualitäten in Balance zu bringen.
Im Folgenden erfahren Sie, was das Werte- und Entwicklungsquadrat ist, wie es funktioniert und wie Sie es am besten einsetzen, um Ihr volles Potenzial auszuschöpfen.
Was ist das Werte- und Entwicklungsquadrat nach Schulz von Thun?
Das Werte- und Entwicklungsquadrat nach Schulz von Thun ist ein Modell, um Tugenden mit den dazugehörigen Schwestertugenden in Einklang zu bringen. Auf diese Weise lassen sich positive Charaktereigenschaften entwickeln und ausbauen, ohne dass es zu einer Übertreibung kommt. Speziell für die persönliche Entwicklung in Beruf und Privatleben empfiehlt sich das Modell.
Das Konzept von Friedemann Schulz von Thun sieht vor, dass jede menschliche Tugend eine sogenannte Schwestertugend besitzt. Wird eine Schwestertugend vernachlässigt, kommt es zu einer Übertreibung bei der dazugehörigen Tugend. Dieses Konzept hat Schulz von Thun in einem Quadrat mit vier Bereichen verbildlicht:
Von Thuns Werte- und Entwicklungsquadrat baut unter anderem auf den Erkenntnissen von Aristoteles, Nicolai Hartmann sowie dem Wertequadrat von Paul Helwig auf. Es hilft dabei, die eigenen Werte und Tugenden zu bestimmen und die jeweils damit verbundenen Schwestertugenden auszuprägen und zu stärken.
So funktioniert das Werte- und Entwicklungsquadrat
Mithilfe des Werte- und Entwicklungsquadrats bestimmen Sie wünschenswerte Tugenden eines Menschen im Allgemeinen oder von sich selbst. Das kann beispielsweise die Sparsamkeit sein. Dann suchen Sie die dazugehörige Schwestertugend. Im vorliegenden Beispiel wäre das die Großzügigkeit. Anschließend müssen Sie Untugenden definieren, die sich aus einer Übertreibung der jeweiligen Seiten ergeben. Im Falle der Sparsamkeit wäre das der Geiz und bei der Großzügigkeit wäre die Verschwendung eine mögliche Untugend.
Sobald Sie das Werte- und Entwicklungsquadrat ausgefüllt haben, müssen Sie Ihre Entwicklungsrichtung bestimmen. Sind Sie beispielsweise ein geiziger Mensch, sollten Sie sich um eine Stärkung Ihrer Großzügigkeit bemühen. Neigen Sie hingegen zu Verschwendung, sollten Sie sich stärker in Richtung Sparsamkeit orientieren. Das Ziel sollte stets eine gute Balance aus Tugend und Schwestertugend sein.
Werte- und Entwicklungsquadrat Beispiele
Im Folgenden lernen Sie einige Beispiele für Tugenden, deren Schwestertugenden und mögliche Übertreibungen kennen:
1. Wertequadrat Toleranz
Tolerant zu sein, ist in der Arbeitswelt und im Privatleben wichtig. Die Schwestertugend ist das Engagement. Sie können das Verhalten und die Ansichten anderer entweder tolerieren oder sich für Ihre eigenen Überzeugungen engagieren. Aus einer übertriebenen Toleranz ergibt sich Gleichgültigkeit.
Wenn Sie alles immer tolerieren, ist es letztlich egal, was andere tun. Ein zu starkes Engagement führt hingegen zu Fanatismus. Sie lassen keine anderen Meinungen mehr zu und setzen immer Ihren Willen durch. Bei Übertreibungen in einem der Bereiche sollte Ihre Entwicklungsrichtung zu der jeweils anderen Tugend zeigen.
2. Wertequadrat Perfektionismus
Genauigkeit im Beruf ist viel wert. Sie erledigen anfallende Aufgaben dann effizient und zuverlässig. Die dazugehörige Schwestertugend ist Lockerheit. Es muss nicht immer alles zu 110 % stimmen oder erledigt werden, gelegentlich können Sie einmal über etwas hinwegsehen. Aus der Genauigkeit entwickelt sich im Extremfall die Untugend des Perfektionismus, aus der Lockerheit die Untugend der Achtlosigkeit.
3. Wertequadrat Zuverlässigkeit
Zuverlässigkeit ist eine positive Eigenschaft, die sowohl beruflich als auch privat unverzichtbar ist. Sie erledigen Aufgaben dann immer nach einem konkreten Plan und absolut berechenbar. Die Schwestertugend wäre Spontaneität, die es erlaubt, flexibel auf unerwartete Situationen zu reagieren. Eine übertriebene Zuverlässigkeit führt zu Pedanterie, während eine Übertreibung der Spontaneität Plan- und Ziellosigkeit nach sich zieht.
Das Werte- und Entwicklungsquadrat in der Praxis: Schritt-für-Schritt-Anleitung
Das Werte- und Entwicklungsquadrat bildet immer Spannungsfelder ab. In den oberen beiden Feldern sind positive Werte, die in einem positiven Spannungsfeld stehen. In den beiden unteren Feldern stehen die Übertreibungen, die wiederum ein negatives Verhältnis abbilden. Die Entwicklung von einer Untugend hin zu einer Tugend wird als Entwicklungsrichtung bezeichnet.
Bei der Anwendung des Wertequadrats geht es nicht um Perfektionismus, passen Sie also immer auf, dass Sie eine Tugend niemals durch eine Übertreibung entwerten. Um das Werte- und Entwicklungsquadrat zu nutzen, bestimmen Sie zunächst wünschenswerte Tugenden und ermitteln die dazugehörigen Schwestertugenden beziehungsweise den entsprechenden Gegensatz. Anschließend leiten Sie die jeweils dazugehörigen Untugenden ab.
Legen Sie dann die notwendige Entwicklungsrichtung fest. Erkennen Sie bei einer Tugend eine Übertreibung, sollten Sie sich in Richtung der Schwestertugend bewegen und umgekehrt.
Wann wird das Werte- und Entwicklungsquadrat eingesetzt?
Das Werte- und Entwicklungsquadrat kommt in ganz unterschiedlichen Situationen zum Einsatz, beispielsweise leistet es bei einem 360-Grad-Feedback gute Dienste. Es bietet sich aber auch bei Assessment-Center-Rückmeldungen und der Besprechung von Zielvereinbarungen im Beruf an.
Zudem können Sie es im privaten Bereich nutzen, um sich weiterzuentwickeln. Das Ziel beim Wertequadrat besteht immer darin, Ihre Tugenden zu bestimmen, Untugenden zu vermeiden und eine Balance aus Schwestertugenden zu erreichen.
Fazit: die persönliche Entwicklung gezielt vorantreiben
Das Werte- und Entwicklungsquadrat von Schulz von Thun ist für die Persönlichkeitsentwicklung äußerst hilfreich. Mit seiner Hilfe vermeiden Sie entwertende Gegensätze und stärken eine wünschenswerte Eigenschaft.
Durch den Fokus auf den jeweiligen Gegenwert über die Entwicklungsrichtung können Sie sich positiv entwickeln und Ihre Selbstkompetenz erweitern. Doch auch anderen Menschen können Sie durch hilfreiches und konstruktives Feedback bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit zur Seite stehen.
Titelbild: Kelly Sikkema / Unsplash