Können Sie am Abend manchmal nicht einschlafen, weil Ihnen noch viele Dinge durch den Kopf gehen? Oder denken Sie am Wochenende ständig an den Montagmorgen? Dann kämpfen Sie wahrscheinlich mit dem Zeigarnik-Effekt. Wir zeigen Ihnen, was es damit auf sich hat.

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Was ist der Zeigarnik-Effekt?

Der Zeigarnik-Effekt ist ein psychologisches Phänomen, bei dem unvollständige Aufgaben oder Ereignisse besser im Gedächtnis bleiben als abgeschlossene. Er kann Ihr Denken und Handeln beeinflussen, indem er Sie dazu veranlasst, unerledigte Aufgaben im Kopf zu behalten und diese abzuschließen.

Der Zeigarnik-Effekt: 3 Beispiele

Der Zeigarnik-Effekt beeinflusst Ihr Denken und Handeln auf eine subtile, aber bemerkenswerte Weise. Im Folgenden finden Sie drei Beispiele zum besseren Verständnis, wie der Effekt funktioniert:

Beispiel 1:

Es ist 18 Uhr. Sie machen Feierabend, weil Sie nach Hause müssen und noch einen Termin haben. Doch eigentlich möchten Sie nicht gehen, da Sie ein wichtiges Konzept nicht fertigstellen konnten. Auf der Fahrt nach Hause, beim Abendessen, wie auch beim Einschlafen kreisen Ihre Gedanken um die offene Aufgabe.

Beispiel 2:

Der Zeigarnik-Effekt zeigt sich nicht nur im Business-Kontext. Das Phänomen kennen Sie sicherlich auch von TV- oder Streaming-Serien: Sehen Sie einen guten Cliffhanger am Ende einer Episode, macht Sie das nervös. Sie möchten unbedingt die nächste Folge sehen, vorher kommen Sie innerlich nicht zur Ruhe.

Beispiel 3:

Auch Journalisten bzw. Journalistinnen und Blogger bzw. Bloggerinnen setzen gerne auf den Zeigarnik-Effekt. Sie bauen beispielsweise Spannung mit sogenannten Clickbait-Headlines auf. In denen wird ein vermeintlich interessantes Thema derart geschickt angerissen, dass der Betrachter unweigerlich wissen möchte, was dahinter steckt.

Woher kommt der Zeigarnik-Effekt?

Das psychologische Phänomen verdankt seinen Namen der russischen Psychologin Bljuma Wulfowna Zeigarnik. Sie beobachtete in den 1920er-Jahren einen Kellner bei seiner Arbeit in einem Café. Dabei fiel ihr auf, dass der Kellner sich die Bestellungen aller Gäste bestens merken konnte – aber nur so lange, wie die Gäste anwesend waren. Verließen die Gäste das Café, löschte der Kellner sinnbildlich sofort alle vorherigen Bestellungen aus seinem Gehirn. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wem er was gebracht hatte.

1927 ging Bljuma Wulfowna Zeigarnik Ihrer Beobachtung mit einem Experiment nach. Sie erteilte über 160 Teilnehmenden verschiedene Aufgaben. Einen Teil der Aufgaben durften die Probanden und Probandinnen abschließen, einen anderen Teil nicht. Danach gab es eine Befragung. Es zeigte sich, dass die Dinge, die nicht erledigt wurden, besser im Gedächtnis blieben als jene, welche die Teilnehmer abschlossen.

Was Zeigarnik beobachtete, passte zu Lewins Feldtheorie. Diese Theorie besagt, dass ein Bedürfnis in einem Menschen Energie freisetzt, ihm einen Wert gibt und dann das Verhalten in eine Richtung lenkt.

Der Zeigarnik-Effekt ist in der Psychologie umstritten

Bljuma Wulfowna Zeigarniks Erkenntnisse können Sie wahrscheinlich recht gut nachvollziehen. Trotzdem ist das Phänomen umstritten, denn es konnte in verschiedenen Studien nicht sicher repliziert werden. Es zeigte sich bei Experimenten sogar der gegenteilige Effekt: Offene Tasks wurden vergessen oder Probanden und Probandinnen erinnerten sich an erledigte Aufgaben besser als an unerledigte.

Ein Grund hierfür könnte die Länge und Intensität der Beschäftigung sein. Auch die Schwierigkeit einer Aufgabe kann dazu beitragen, ob Sie sich später daran erinnern. So kann es vorkommen, dass Sie eine komplexe Tätigkeit, von der Sie denken, dass Sie sie sowieso nicht meistern, schnell wieder vergessen.

Was sind die Vorteile und Nachteile des Zeigarnik-Effekts?

Das Phänomen bringt ein paar deutliche Nachteile mit sich. Dazu gehören zum Beispiel diese:

  • Bleiben Aufgaben unerledigt, werden Sie unter Umständen unruhig. Das beeinflusst Ihre Ruhephasen negativ. Eine dauerhafte Unruhe sorgt für Stress und psychische Probleme.
  • Die offenen Aufgaben verbrauchen in Ihrem Gehirn viel mentale Energie. Das bedeutet, Sie können sich auf andere Dinge schlechter fokussieren.
  • Wenn Sie immer wieder vor Augen geführt bekommen, dass viele Tasks offen sind, kann das zu einem schlechten Selbstbild führen. Darunter leidet Ihre Motivation.

Den Nachteilen des Zeigarnik-Effekts stehen folgende Vorteile gegenüber:

  • Unerledigte Tasks sorgen für Spannung. Diese Spannung steigert Ihre Produktivität, da Sie die Punkte unbedingt aus dem Gedächtnis streichen möchten.
  • Wenn eine Herausforderung im Hinterkopf präsent bleibt, können Sie bei Wiederaufnahme schneller daran anknüpfen, um sie zu meistern.
  • Sie entwickeln unter Umständen eine dauerhafte Motivation, Ihre Arbeitsweise zu verbessern. Das ist wichtig bei Philosophien wie dem Kaizen.

So können Sie das psychologische Phänomen nutzen

Wie Sie den Zeigarnik-Effekt für sich nutzen können, erfahren Sie im Folgenden:

  • Erledigen Sie unliebsame Aufgaben gemäß der Eat-the-Frog-Methode zuerst, um Ihren Kopf frei zu kriegen.
  • Gehen Sie strukturiert vor, um Schritt für Schritt Ihre „Baustellen“ zu schließen. Wenden Sie dazu unterschiedliche Zeitmanagement-Methoden an.
  • Kein Multitasking! Beginnen Sie eine neue Aufgabe erst, wenn Sie die vorherigen abgearbeitet haben.
  • Führen Sie To-do-Listen, auf die Sie die offenen Tasks niederschreiben. So können Sie Unerledigtes quasi „ausspeichern”.
  • Setzen Sie Cliffhanger in Präsentationen oder Vorträgen ein. Beginnen Sie beispielsweise mit einer Frage oder einer steilen These, die Sie erst am Ende auflösen.

Fazit: Umstritten, aber sinnvoll

Derart lassen sich die Erkenntnisse zum Zeigarnik-Effekt zusammenfassen. Obwohl in der Wissenschaft die Beobachtungen der Psychologin nicht immer gelten, so können Sie die Thesen sicherlich nachvollziehen. Ziehen Sie daraus die Kraft, Ihr Leben stressfreier zu gestalten, indem Sie sich ein ruhigeres Wochenende ohne die ständigen Gedanken an die geschäftlichen Aufgaben bescheren.

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Titelbild: Thought Catalog / Unsplash

Ursprünglich veröffentlicht am 22. Mai 2023, aktualisiert am Mai 22 2023

Themen:

Produktivität