„Der Kunde ist König“ – dieser Spruch ist fast so alt wie der Handel selbst. Heutzutage beschreiben und umreißen viele die lapidar klingende Aussage mit neuen Buzzwords. Neue Strategien wie zum Beispiel Customer-Centricity, Customer-Experience und Customer-Empowerment sorgen dafür, dass Kunden mehr denn je das Sagen haben.
Wir erklären Ihnen, was hinter dem kundenorientierten Wandel – dem Customer-Empowerment – steckt.
Was ist „Customer-Empowerment“?
Customer-Empowerment (auch: Consumer-Empowerment) beschreibt eine Unternehmensstrategie, die Kunden mehr an gewissen Prozessen und Entscheidungen teilhaben lässt.
Die Kunden (Englisch: customer) werden ermächtigt (Englisch: empowered) und so zu einem wichtigen Bestandteil der Wertschöpfungskette. Sie sind nicht nur Empfänger, sondern bis zu einem gewissen Grad auch Mitbestimmer. Das kann sogar so weit gehen, dass Kunden an der Entwicklung neuer Produkte mitwirken.
Die neue Rolle der Kunden im Web 2.0
In den 1990er-Jahren erlebte das Internet seinen ersten großen Massen-Hype. Menschen gingen ins Web und konsumierten die neuesten Inhalte. Nach dieser eher passiven Zeit folgte Anfang der 2000er-Jahre eine neue Phase des Aufbruchs und ein Schritt in Richtung Kundenaktivierung. Das Web 2.0 war geboren.
Das Web 2.0 stand und steht für Plattformen wie YouTube, WordPress oder Myspace. Sie machen die Nutzer zu „Prosumern“, produzierenden Konsumenten (Englisch: producing consumer). Die Prosumer schreiben Blogartikel, erstellen Texte, Videos, Fotos und Memes und laden sie auf den entsprechenden Plattformen hoch. In diesem Zuge nahm auch das Customer-Empowerment zu.
Kunden konsumieren heute nicht nur Broschüren und Flyer, um daraus eine Kaufentscheidung abzuleiten. Stattdessen informieren sie sich in Onlineshops, schreiben dort Rezensionen oder vergeben Bewertungen bei Google. Dadurch kommt es zu einer Machtverlagerung: Der Kunde ist mehr denn je König.
Auch wenn der Begriff Web 2.0 mittlerweile als überholt gilt, bestehen die Mechanismen weiter. Die modernen Kunde sind mündiger und „mächtiger“ als früher.
Ihnen stehen unter anderem folgende digitale Möglichkeiten zur Verfügung, um als „empowered customer“ zu wirken:
- Soziale Netzwerke
- Foren
- Blogs und Websites
- Bewertungsportale
- Onlineshops
- Apps
So ziehen Kunden und Unternehmen an einem Strang
Unternehmen sollten die Möglichkeiten des „Mitmach-Internet“, wie das Web 2.0 anfangs gern bezeichnet wurde, zu ihrem Vorteil nutzen. Wenn sie das Engagement wie auch die Kreativität der Prosumer nutzen, können diese das Markenbild und die Entwicklung von Produkten mitgestalten.
Wie das gelingen kann, zeigen folgende Ansätze:
1) Produktbewertungen
Die Möglichkeit, Produkte zu bewerten und eine Rezension zu schreiben, gehört zu einem guten Onlineshop dazu. Wie verschiedene Studien belegen, sind die Kundenbewertungen ausschlaggebend für den Onlinevertrieb von Produkten.
2) Kundenbewertungen an Unternehmen
Ein ebenso wirksames Mittel sind Bewertungen auf Google oder auf themenspezifischen Bewertungsportalen wie kununu, jameda, Yelp, Tripadvisor oder ProvenExpert.
Je nach Branche und Ausrichtung sollten Unternehmen hier aktiv vertreten sein, indem beispielsweise der Kundenservice das Meinungsbild im Blick behält.
3) Social Media
Facebook, Instagram, Twitter, Snapchat, TikTok – soziale Netzwerke sind aus dem täglichen Leben kaum noch wegzudenken, fast jeder Konsument ist irgendwo aktiv.
Unternehmen können über Social-Media-Monitoring herausfinden, was Kunden online über sie sagen. Parallel zum Monitoring sollte man mittels einer Social-Media-Strategie auch die Kommunikation mitbestimmen.
4) Influencer-Marketing
Trotz des Hype um ihre Person sind Influencer wahrscheinlich kein Trend, der in Zukunft an Bedeutung verlieren wird. Diese „Internet-Promis“ sind Kunden mit einem hohen Customer-Empowerment, denn sie geben ihre Meinung zu Marken und Produkten ab. Damit sind sie die moderne Form der Mundpropaganda – teilweise mit einer Reichweite in Millionenhöhe.
5) Virales Marketing
Virales Marketing kann nur mithilfe der Nutzer erfolgen. Sie sorgen dafür, dass Content freiwillig geteilt wird – und dann „viral geht“.
Bekannte Customer-Empowerment-Kampagnen
Hier ein paar Beispiele aus der Praxis, wie Unternehmen ihre Kunden maßgeblich zu Mitbestimmern machen:
1) mymuesli
Dass Kunden nicht einfach nur konsumieren, sondern gern experimentieren, zeigt der Erfolg von mymuesli. Auf der Onlineplattform bietet das deutsche Start-up eine außergewöhnliche Dienstleistung an:
Jeder kann sich aus 80 Zutaten sein ganz persönliches Müsli zusammenstellen. Das ergibt am Ende über 566 Billiarden Kombinationsmöglichkeiten.
2) McDonald‘s
Auch McDonald’s setzt auf die Kreativität seiner Kunden, indem die Fastfood-Kette einen Burger-Konfigurator veröffentlichte.
Allerdings mussten sie die Aktion im Jahr 2016 stoppen, da die Nutzer ihre Freiheit ausnutzten und die Schattenseite des Customer-Empowerment sichtbar wurde: Sie veröffentlichten beleidigende Burger-Kreationen.
3) nutella und Beck‘s
Ein weiteres Beispiel sind die personalisierten Etiketten von nutella, die im Rahmen der „dein nutella“-Aktion erstellbar waren.
Oder die selbst gestalteten Labels, welche die Prosumer bis Ende 2018 unter der Kampagne „Mach’s zu deinem Beck’s“ kreieren konnten.
4) Spotify
Kreativ werden und teilen: Von diesem Prinzip leben soziale Netzwerke. Diese können Unternehmen für ihr Customer-Empowerment nutzen. Oder sie integrieren eine Community-Funktion direkt in ihr Produkt – wie Spotify mit seinen gemeinsamen Playlists.
Die Vorteile von Customer-Empowerment im digitalen Zeitalter
Was bringt es, wenn Unternehmen ihren Kunden mehr Mitspracherecht gewähren?
Hier sind die Vorteile in der Übersicht:
- Die Kunden teilen ihre Meinung mit. Das sind wichtige Informationen für den Kundenservice, das Marketing und die Produktentwicklung.
- Unternehmen können mit dem Feedback der Kunden ihre Produkte besser weiterentwickeln und zielgerichtet auf die Kundenwünsche eingehen.
- Durch das Customer-Empowerment gelangen Unternehmen näher an den Puls der Zeit, wodurch sie schneller auf Trends aufspringen oder gar neue kreieren können.
- Durch die Einbindung fühlen sich die Kunden besser verstanden, was ihre Markenbindung erhöht.
- Indem sie Feedback geben und Produktideen beisteuern, werden die Kunden quasi zu kostenlosen Mitarbeitern und sind Teil der Wertschöpfungskette.
Mehr Macht für Kunden: Ist das sinnvoll?
Ja. Wenn Unternehmen die Customer-Centricity in der Firmen-DNA verankert haben, ist das Customer-Empowerment ein mächtiges Werkzeug. Ein Werkzeug, das einerseits unbequem sein kann, da die Kunden ihr ehrliches Feedback oft schonungslos und frei kundtun. Andererseits steigt der „König Kunde“ auf eine Augenhöhe mit dem Unternehmen, wovon beide profitieren.
Headerbild: John Schnobrich / Unsplash