Bei großen Aufträgen kann es gelegentlich zu Änderungen im Projektablauf kommen. Damit diese Abweichungen möglichst effizient gesteuert werden können und nicht zu Konflikten mit Vertragspartnern führen, gibt es das Claim Management.

In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie mit Claim Management eine optimale Grundlage für erfolgreiche Projekte schaffen können.

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Nachforderungsmanagement: Praxisbeispiel

Mit Claim Management können Projektleiter professionell reagieren, wenn es bei Projekten zu umfangreichen Nachforderungen oder Änderungen von Kundenseite kommt. Ziel ist es, Verluste, die durch nachträgliche Ansprüche entstehen können, zu minimieren.

Folgendes Beispiel veranschaulicht, wie es in Projekten zu Mehrforderungen kommen kann und warum es wichtig ist, vor Projektbeginn eine passende Claiming-Strategie zu entwickeln:

Ein Bauteam baut ein Appartementhaus und möchte mit dem Innenausbau beginnen. Dabei stellt der Bauleiter jedoch fest, dass die bestellten Küchenzeilen nicht eingebaut werden können, da die verfügbare Fläche im Raum falsch gemessen wurde. Da es sich bei den Küchenzeilen um Maßanfertigungen handelt, müssen mehrere Teile neu angefertigt werden. Diese Neuanfertigung ist aufwendig und kostet Zeit.

Um dennoch den vereinbarten Projekttermin einhalten zu können, stellt der Bauleiter zusätzliche Monteure ein. Diese Mehrkosten möchte der Bauleiter dem Lieferanten in Rechnung stellen. Der Lieferant beruft sich jedoch darauf, keinen Fehler bei den Planungen und Messungen gemacht zu haben, sondern sieht den Fehler auf der Seite des Projektleiters.

Die Sachlage ist nun wie folgt: Der Kunde möchte das Haus schnellstmöglich fertigstellen lassen, da die Apartments schon vermietet sind und der Einzugstermin der Mieter feststeht. Er möchte aber keine Mehrkosten übernehmen, da er sich dafür nicht verantwortlich sieht.

Der Projektleiter möchte die Mehrkosten auch nicht tragen, da der Auftrag sonst ein Verlustgeschäft wäre. Gleichzeitig möchte er aber den Kunden zufriedenstellen, um Folgeaufträge zu erhalten.

Hier kommt es nun zum Claim Management zwischen dem Lieferanten der Küchenzeilen und dem Bauunternehmen, um zu klären, wer die Mehrkosten zu tragen hat.

Claim Management kann auf verschiedene Arten durchgeführt werden. Im nächsten Abschnitt erfahren Sie zwei gängige Methoden.

Aktives Claim Management

Im aktiven Claim Management geht es um die Vorbereitung und Durchführung von Verhandlungen mit Auftraggebern und Auftragnehmern, um festzustellen, ob Ansprüche (Claims) geltend gemacht werden können.

Dies beginnt mit einer genauen Analyse des bestehenden Vertrages. Es geht dabei beispielsweise um folgende Fragen: Wie ist der Leistungsumfang definiert und welche Formalien müssen eingehalten werden? Der Vertrag bildet hier die rechtliche Grundlage für mögliche Claims, die geltend gemacht werden können.

Passives Claim Management

Beim passiven Claim Management werden eigene Claims nicht durchgesetzt, sondern alle Forderungen des Vertragspartners akzeptiert, um Konflikte oder die Beendigung der Geschäftsbeziehung zu vermeiden.

Damit es gar nicht so weit kommt, ist es ratsam, bereits vor Vertragsabschluss Claim Management zu betreiben. Folgende Schritte können Ihnen dabei helfen, Mehraufwände vorherzusehen und mögliche Ansprüche vertraglich zu regeln.

So entwickeln Sie eine Claiming-Strategie

Da es in komplexen Projekten leicht zu Änderungen des ursprünglichen Projektauftrages kommen kann, ist es ratsam, sich mit einer Strategie auf mögliche Claims vorzubereiten.

1) Eine gute Projektbasis festlegen

Sie sollten sich schon vor Vertragsabschluss bewusst auf mögliche Nachforderungen vorbereiten. Dazu können Sie beispielsweise gemeinsam mit Ihrem Projektteam und anderen Experten aus Ihrem Unternehmen mögliche Worst-Case-Szenarien durchspielen.

Überlegen Sie gemeinsam, welche Risiken das Projekt mit sich bringt und welche nachträglichen Ansprüche Ihr Kunde bei der Projektabnahme geltend machen könnte.

Wenn Sie die wesentlichen Risiken vor Vertragsabschluss erkennen, können Sie den daraus entstehenden Mehraufwand noch mit Ihrem Kunden besprechen und verhandeln, sodass mögliche Mehrkosten von ihm übernommen werden.

Wenn Sie dies vertraglich festhalten und in das Projektbudget mit einkalkulieren, haben Sie mehr Sicherheit, dass die Gesamtkosten im Rahmen bleiben. So können Sie bereits vor Projektbeginn die Weichen für einen erfolgreichen Ablauf stellen.

2) Alle Leistungen genau definieren

Alle zu erbringenden Leistungen sollten genau im Projektvertrag dargestellt werden. Denn diese Beschreibungen sind die Grundlage, auf die sich mögliche Nachforderungen beziehen können. Ein Pflichtenheft mit einem detaillierten Konzept über die Projektumsetzung ist hierbei hilfreich. So lassen sich Mehraufwände vorab eindeutig definieren.

3) Wichtige Learnings aus vorangegangen Projekten sammeln

Bei jedem abgeschlossenen Projekt ist eine Schlussbesprechung mit dem gesamten Projektteam sinnvoll. Dabei können Sie sich beispielsweise über folgende Punkte austauschen:

Gab es unklare Anforderungen? Welche Aufgaben waren aufwendiger als gedacht? Welche Nachforderungen gab es? Diese Learnings liefern wichtige Hinweise, die Ihnen helfen werden, Ihre Projekte in Zukunft noch rentabler zu gestalten.

Mit einer guten Claiming-Strategie können Projektleiter Forderungen, die nach dem Vertragsabschluss gestellt werden, begrenzen. So bleiben Projekte profitabel, auch wenn es während der Umsetzung zu Abweichungen und Änderungen kommt.

Für ein optimales Claim Management ist ein sorgfältig ausgearbeiteter Vertrag die beste Grundlage. Als Projektleiter sollten Sie daher vor jedem Vertragsabschluss mögliche Risiken in der Projektplanung durchspielen und entsprechende Mehrkosten mit einkalkulieren sowie die Bedingungen der Projektabnahme genau im Vertrag festlegen.

Denn Claim Management beginnt schon, bevor konkrete Ansprüche gestellt werden.

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Titelbild: sorn340 / Getty Images

Ursprünglich veröffentlicht am 24. November 2020, aktualisiert am Januar 19 2023

Themen:

Projekt-Management