Lange war die Informationsverbreitung im Gesundheitsbereich ausschließlich Experten im mehr oder weniger persönlichen Gespräch vorbehalten. Das hat sich mit der Digitalisierung maßgeblich verändert und Healthcare-Marketing bekommt zunehmend Relevanz. Nicht nur führt „Dr. Google“ dazu, dass sich Patienten Informationen und vermeintliche Diagnosen selbst beschaffen können, zusätzlich dominieren auch Gadgets wie Fitness-Armbänder und Apps das Feld der Prävention zusehends.
Damit Unternehmen hier mithalten können, müssen sie ebenfalls digital kommunizieren – und zwar ansprechend, verständlich und dennoch seriös. Wie effektives Healthcare-Marketing gelingen kann, erläutern die folgenden 17 Tipps.
Was ist „Healthcare-Marketing“?
Als Healthcare- oder Gesundheitsmarketing werden Marketingaktivitäten bezeichnet, die von Unternehmen im Gesundheitswesen betrieben werden. Neben Krankenversicherungen und Krankenhäusern kann es sich dabei auch um Apotheken, Ärzte, Pharmaunternehmen oder Anbieter von Medizintechnik handeln.
Die Besonderheit dieses branchenspezifischen Marketing liegt vor allem in der starken Regulation des Marktes sowie in rechtlichen Einschränkungen der Marketingkommunikation.
Tipps für gelungenes digitales Healthcare-Marketing
Damit entsprechende Marketingmaßnahmen greifen und ihr erwünschtes Ziel erreichen, gilt es einige Dinge zu beachten:
1. Exakte Ziele definieren und messen
Messbare Ziele festzulegen, ist ein eher allgemeiner Hinweis, aber von enormer Wichtigkeit. Bevor Sie eine Strategie für Ihr Marketing ausgestalten, sollten Sie genau definieren, was Sie mit den entsprechenden Maßnahmen erreichen wollen:
- Mehr Leads generieren?
- Mehr Traffic auf Ihrer Website?
- Mehr Likes auf Facebook?
Aus diesen konkret formulierten Zielen lassen sich dann entsprechende Kennzahlen ableiten, die Sie erfassen können. Diese gilt es auszuwerten, damit Sie auf Basis der Analyse Rückschlüsse für mögliche Optimierungen ziehen und so Ihr Marketing stetig verbessern können.
2. Suchmaschinenoptimiert schreiben
Zu einer optimierten Webpräsenz gehören viele verschieden Aspekte, unter anderem die richtigen Keywords (siehe Punkt 3) und deren optimale Platzierung. Inzwischen hat sich außerdem die sogenannte „Position 0“ als das ultimative Ziel bei der Suchmaschinenoptimierung herauskristallisiert.
Dabei handelt es sich um Content-Elemente, die noch vor dem ersten regulären Suchergebnis angezeigt werden. Häufig werden hier (Beispiel für die Suche nach „Vitamin B“) Links zu Shops, Featured Snippets mit einer Kurzerläuterung oder häufig gestellte Fragen präsentiert.
Bild: Google-Suche
Gerade im Gesundheits- und Wellnessbereich, wo Nutzer nach schnell verfügbaren und vertrauenswürdigen Tipps und Informationen suchen, haben Websites, die auf Position 0 präsentiert werden, einen eindeutigen Vorsprung. Es lohnt sich also, auf Backlinks, Keywords, Optimierung für Mobilgeräte und weitere Ranking-Faktoren zu achten, um an dieser Stelle in den SERPs positioniert zu werden.
3. Auf Longtail-Keywords setzen
Longtail-Keywords bedeuten in der Regel, dass Nutzer eine sehr spezifische Suchintention haben. Wer nach „Vitamin B“ sucht, will sich vielleicht nur allgemein über das Thema informieren. Wer allerdings „Vitamin B wann supplementieren“ oder „Vitamin B wo günstig kaufen“ bei Google eingibt, hat ein ganz spezielles Bedürfnis, das die Suche befriedigen soll.
Dementsprechend ist es sinnvoll, Ihre Beiträge auf die spezifischen Longtail-Keywords hin zu optimieren, die das jeweilige Inhaltselement adressiert. So gehen Sie sicher, dass genau die richtigen Nutzer auf Ihrer Website oder Ihrem Blog landen und dort finden, was sie suchen. Das wiederum erhöht die Chancen auf Conversions.
4. Einen Redaktionsplan pflegen
Ein Redaktionsplan hilft, regelmäßig und konstant Inhalte zu veröffentlichen. Außerdem erleichtert er die Erstellung aufwändigerer Beiträge (z. B. einer Podcast-Folge), da Sie vom geplanten Veröffentlichungszeitpunkt aus rückwärts planen und so genügend Zeit einkalkulieren können.
Gerade für den Gesundheitsbereich, in dem Expertise, Professionalität und Zuverlässigkeit geschätzt werden, ist eine durchdachte Planung sinnvoll. Darüber hinaus belohnt Google regelmäßige Website-Updates, was wiederum auf Ihr Ranking einzahlt.
5. Rechtliche Rahmenbedingungen im Blick behalten
Die größte Besonderheit im Healthcare-Marketing liegt sicherlich in den strengen rechtlichen Vorgaben und Beschränkungen.
So dürfen etwa verschreibungspflichtige Medikamente (insbesondere Mittel gegen Schlaflosigkeit und Psychopharmaka) überhaupt nicht gegenüber den Endverbrauchern beworben werden!
Zusätzlich legen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) sowie §27 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) fest, dass bei Produkten, die mittelbar Gesundheit, Wohlbefinden oder Umwelt betreffen, jegliche Wirkversprechen wissenschaftlich zu belegen sind.
Das gilt übrigens auch für typische Werbeformulierungen wie „Anti-Falten“, „Anti-Aging“ oder die Aussicht auf schnellere Gewichtsabnahme!
Werden diese Vorgaben missachtet, drohen Konsequenzen: 2007 wurde beispielsweise Ratiopharm ein Werbeverbot erteilt, weil das Unternehmen behauptet hatte, dass das einem Schmerzmittel beigefügte Vitamin C das Immunsystem unterstütze – ein Effekt, der in der Zulassung des Mittels nicht erfasst ist.
6. Eine umfassende Multi-Channel-Strategie entwickeln
Im Marketing gilt es grundsätzlich, ganzheitlich zu denken. Betrachten Sie die verschiedenen Kanäle und Instrumente nicht separat, sondern verstehen Sie Social Media, SEO und PR sowie Ihre Online- und Offline-Präsenz als Puzzlestücke eines Kommunikationsangebots.
Dementsprechend sollten Sie darauf achten, dass Inhalte und Design über alle Kanäle hinweg konsistent und widerspruchsfrei sind sowie sich gegenseitig ergänzen – das zementiert Ihren Expertenstatus. Außerdem profitieren Sie so von Multiplikationseffekten.
Die Techniker Krankenkasse verfährt beispielsweise nach diesem Prinzip. Neben den Niederlassungen wird eine Website mit umfangreichen Informationen und Service-Leistungen unterhalten, zusätzlich zu einer eigenen App, über die Versicherte an einem Bonusprogramm teilnehmen. Gleichzeitig können sie online Kurse (z. B. „Meditation und Achtsamkeit“) buchen, die sich in Präsenzkurse und Webinare gliedern.
7. Multimedial kommunizieren
Fachartikel sind zwar vollgepackt mit seriösen Informationen, aber für ein Laienpublikum oft nicht zugänglich, zu kompliziert und zu trocken. Wesentlich ansprechender dagegen wirken Podcasts und Videos, die auf unterhaltsame und leicht verdauliche Art Aufklärung betreiben.
Gleichzeitig lassen sich auf diese Weise einfacher Emotionen bei den Zuschauern und -hörern erzeugen, die dafür sorgen, dass entsprechende Inhalte häufiger geteilt und weiterverbreitet werden. So unterhält inzwischen sogar die alteingesessene Apothekenumschau neben dem klassischen Heft einen eigenen YouTube-Kanal.
8. Einen Blog oder ein Online-Magazin veröffentlichen
Eigene Blogs oder Magazine dienen als Sammelpunkt für jeglichen Content und unterstützen den eigenen Expertenstatus. Gleichzeitig fördern sie die Markenbildung.
Als gutes Beispiel dient das Online-Magazin der Gesundheits- und Pharmazie-Division der Bayer AG. Hier finden sich neben Ratgeber- und Interviewartikeln auch aufschlussreiche Reportagen und Gewinnspiele.
9. Informationen strukturiert und leicht verständlich vermitteln
Bei der Planung Ihres Marketing sollten Sie sich stets vor Augen halten, dass Sie (zumindest im B2C-Bereich) nicht mit Fachleuten, sondern mit Laien kommunizieren. Dementsprechend einfach (und dennoch korrekt) müssen Informationen vermittelt werden.
Dazu sollten Sie nicht nur Formulierung und die Komplexität der Beiträge anpassen, sondern auch auf eine klare Struktur der Inhalte und eine intuitive Navigation auf der Website selbst achten.
10. Nicht zu werblich wirken
Gerade bei essenziellen Themen wie Gesundheit und Wohlergehen ist das Gros der Menschen sehr sensibel, wenn es um Werbung geht. Denn niemand möchte das Gefühl haben, dass statt seines Wohlempfindens Gewinninteressen im Vordergrund stehen. Zu werblich dargestellte Inhalte können deshalb wenig glaubwürdig und sogar abschreckend wirken.
Um das Vertrauen Ihrer potenziellen Kunden nicht zu verspielen, sollten Sie daher einerseits mit offenen Karten spielen und Branded Content transparent kennzeichnen, andererseits aber auf typisch werbliche Formulierungen und offensive Werbemaßnahmen verzichten.
11. Infografiken nutzen
Infografiken sind – ähnlich wie Podcasts und Videos – eine sinnvolle Möglichkeit, komplexe Wirk- und Anwendungsinformationen kompakt und anschaulich zu vermitteln.
Auf eine solche Illustration greift beispielsweise die Klosterfrau-Group auf der Website ihres Nasensprays zur Erläuterung der Phasen einer Erkältung zurück:
Bild: Nasic
12. Seriöse Influencer einbeziehen
Influencer sind als Werbepartner deshalb so attraktiv, weil ihre Community ihren Urteilen und Empfehlungen vertraut. Nach den Empfehlungen von Freunden und Bekannten sowie Produktbewertungen landen Influencer auf Platz drei der glaubwürdigsten Quellen für Produktinformationen.
Gerade im Gesundheitsbereich, wo Fehlentscheidungen gravierend sein können und deshalb auf vertrauenswürdige Informationen Wert gelegt wird, ist das eine wertvolle Ressource.
Allerdings ist die Auswahl der richtigen Influencer hier gleichzeitig besonders kritisch: Es sollte sich um Experten handeln, denen ein kompetentes Urteil zugetraut wird und die die jeweiligen Inhalte professionell vermitteln können. Andernfalls riskieren Sie Falschdarstellungen, die rechtliche Konsequenzen haben können, sowie ein beschädigtes Image.
Der international wohl bekannteste Influencer in diesem Bereich ist der US-amerikanische Arzt Doctor Mike, der auf Instagram und YouTube jeweils mehrere Millionen Follower über Gesundheits- und Lifestyle-Themen aufklärt.
Im deutschsprachigen Raum informiert beispielsweise der Gynäkologe Konstantin Wagner zu Themen rund um die Schwangerschaft.
13. Referenzen sammeln
Eine gute Möglichkeit, Reichweite und Autorität zu generieren, sind Inhalte, die von anderen Medien (z. B. Zeitschriften oder Blogs) aufgegriffen werden. Prädestiniert dafür sind insbesondere Studien oder Whitepaper mit Nachrichtenwert und einer hohen Informationsdichte.
So werden beispielsweise regelmäßig die Ergebnisse der von Krankenkassen durchgeführten Studien in klassischen Medienpublikationen präsentiert.
14. Hilfreiche Tools anbieten
Idealerweise enthält ein Beitrag nicht nur abstrakte Informationen, sondern gleichzeitig auch praktische Tools, die Nutzern einen individuellen Mehrwert bieten: Dabei kann es sich um Rechner zur Medikamentendosierung, den eigenen Kalorienbedarf oder einen Praxisfinder handeln.
Das Pharmaunternehmen Ratiopharm bietet beispielsweise einen Test zur Vitaminversorgung an.
15. Rezensionen & Bewertungen managen
63 Prozent der Konsumenten vertrauen auf die Empfehlungen von Freunden und Bekannten, knapp die Hälfte allerdings auch Kundenbewertungen aus dem Internet. Entsprechend mächtig sind solche Kundenmeinungen. Im Gesundheitsbereich, wo es um wichtige Entscheidungen für das eigene Wohlbefinden geht, sind sie potenziell sogar noch relevanter.
Dementsprechend sollten Sie Bewertungsplattformen sowie Nutzerreaktionen auf Ihren Social-Media-Kanälen im Auge behalten und zu negativen Kommentaren respektvoll und ehrlich Stellung nehmen. Gleichzeitig ist es sinnvoll, Kunden gezielt zum Bewerten und Kommentieren aufzufordern, da gerade zufriedene Kunden hierauf oft verzichten.
16. Interaktionen fördern
Nutzer erwarten beim Thema Gesundheit seriöse Interaktionen und individualisierte Beratung. Einen entsprechend hohen Stellenwert nehmen engmaschig betreute Social-Media-Profile, aber auch Hotlines oder Chats in der Kommunikation ein.
Einen etwas anderen Ansatz wählt der Pharmakonzern Pfizer mit seinem „Ich beim Arzt“-Projekt im Rahmen des Pfizer-Patienten-Dialogs. Hier werden zwar nicht Interaktionen zwischen Unternehmen und Nutzern selbst gefördert, aber das Serviceangebot erleichtert die Interaktion mit dem Arzt und hilft Patienten auf diese Weise, sich besser umsorgt zu fühlen.
17. Sprachassistenten und Sprachsuche miteinbeziehen
32 Prozent der Deutschen nutzten im Jahr 2019 bereits Sprachassistenten wie Siri, Alexa und Co. – das sind 12 Prozent mehr als noch 2018. In der Gruppe der unter 40-Jährigen griffen sogar 48 Prozent auf die digitalen Helfer zurück. Gleichzeitig fördert Google nach der Bildersuche nun auch die Sprachsuche intensiv – Websites werden bald also entsprechend optimiert sein müssen.
Dementsprechend sollten sich auch Anbieter aus dem Gesundheitsbereich auf diesen Trend einstellen. Außerdem birgt er das Potenzial für die Erschließung neuer Zielgruppen, die online bis dato eher weniger aktiv sind. Hierzu zählen beispielsweise Senioren, denen das Lesen von Websites schwerfällt und die gerade im Gesundheitssektor eine relevante Zielgruppe darstellen.
Wie ein entsprechender Service aussehen kann, zeigt der sprechende Beipackzettel. Über eine Tastatur- oder Spracheingabe können hier per Smartphone, PC oder Sprachassistenten Fragen zu konkreten Medikamenten und deren Einnahme gestellt werden.
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