Er ist der Albtraum jeder Projektleitung und wird dennoch viel zu häufig viel zu spät bemerkt: der Scope Creep. Lesen Sie, was sich hinter diesem Begriff verbirgt, welche Ursachen dahinterstecken und wie Sie dieses Phänomen in zukünftigen Projekten verhindern können.

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Was ist Scope Creep? Eine Definition

Scope Creep bezeichnet die schleichende Ausweitung des Projektumfangs (engl. „scope“ heißt Umfang, „to creep“ bedeutet schleichen). Meist beginnt er mit kleinen, scheinbar harmlosen Änderungen wie einer zusätzlichen Anforderung, die dann zu kritischen Größenordnungen heranwachsen. Wird ein Scope Creep zu spät erkannt, kann dies das Projekt erheblich gefährden – und schlimmstenfalls sogar zum Scheitern bringen. Synonyme Begriffe sind „Feature Creep“ und „Requirement Creep”.

Häufige Ursachen von Scope Creep im Projektmanagement

Ein Scope Creep kommt nicht von ungefähr, sondern ist immer auf einen oder mehrere spezifische Fehler im Projektmanagement zurückzuführen. Zu den häufigsten Ursachen zählen:

1. Der genaue Projektumfang wurde nicht definiert

So offensichtlich dieser Punkt klingen mag: Ohne klaren Projektumfang ist der Scope Creep fast schon programmiert. Die Zielformulierung ist wesentlicher Bestandteil des Projektplans und dokumentiert, welche Arbeiten im Projekt enthalten sind und was nicht, zum Beispiel bestimmte Funktionen und Spezifikationen.

Wenn Ihr Projekt keinen festgelegten Umfang hat, fehlt die Grundlage für spätere Projektentscheidungen. Sorgen Sie deshalb dafür, dass der Projektumfang direkt zu Beginn eines Projekts definiert und den Projektunterlagen hinzugefügt wird.

2. Die Kommunikation ist mangelhaft

Viele Projekte scheitern oder verfehlen ihre Ziele aufgrund schlechter Kommunikation. So hilft es beispielsweise nur wenig, einen Projektumfang zu erstellen, wenn er nicht geteilt wird. Bevor Sie sich an die Umsetzung eines Projekts machen, stellen Sie unbedingt sicher, dass alle Projektbeteiligten über den Umfang und die Ziele im Bilde sind. Unklarheiten oder Missverständnisse sind ein Zeichen mangelnder Kommunikation und eine häufige Ursache für Scope Creeps.

3. Die Projektziele sind unklar oder unrealistisch

Eine weitere Fehlerquelle lauert in den Projektzielen selbst. Schließlich möchten Sie mit dem Projekt etwas Konkretes, Messbares erreichen – und dafür braucht es klare sowie realistische Ziele. Wenn Sie keine definierten Ziele haben, weiß das Team auch nicht, welche Aufgaben es priorisieren soll. Umgekehrt hilft ein Ziel herzlich wenig, wenn es unrealistisch und damit unmöglich zu erreichen ist.

Achten Sie beim Festlegen Ihrer Projektziele darauf, ob die Ziele innerhalb des gesetzten Zeitrahmens und mit den verfügbaren Ressourcen erreicht werden können oder nicht – hier helfen SMART-Ziele (spezifisch, messbar, erreichbar, sinnvoll, zeitgebunden). Nehmen Sie dafür auch den Projektumfang zur Hand und vergessen Sie nicht, die Ziele im Anschluss zu kommunizieren.

4. Es gibt zu viele Projektverantwortliche

Die eine Person gibt dies vor, die andere Person sagt das – unter solchen Umständen ist ein Scope Creep nur eine Frage der Zeit. Stellen Sie sicher, dass alle Rollen und Zuständigkeiten klar verteilt sind und dass alle Projektbeteiligten wissen, an wen sie sich bei Fragen wenden können.

Die RACI-Matrix kann Ihnen dabei helfen, Projektrollen schneller und einfacher zuzuweisen. Sie teilt die Projektbeteiligten in vier Gruppen: die Verantwortlichen (Responsible), die Genehmigenden (Approver), diejenigen, die zur Beratung herangezogen wurden (Consulted), und diejenigen, die „nur“ über das Projekt informiert werden müssen (Informed).

5. Das Change-Management ist ineffizient

Änderungen in einem Projekt sind nichts Außergewöhnliches, sondern fast schon alltäglich. Die Frage ist eher: Wie gehen Sie damit um? Angenommen, Sie präsentieren Ihrer Kundin ein Zwischenergebnis und sie wünscht eine Änderung – was machen Sie dann?

In diesem Fall ist es wichtig, dass Sie einen effektiven Change-Management-Prozess haben, mit dem Sie solche Änderungen steuern können. Ein Scope Creep kommt oft deshalb zustande, weil Projektverantwortliche nicht wissen, wie sie Änderungen behandeln sollen, besonders die kleinen und scheinbar harmlosen.

Ein solcher Prozess kann zum Beispiel so aussehen, dass Änderungen zuerst vom Projektmanagement geprüft werden müssen und dann über ein System freigegeben oder abgelehnt werden, ehe sie in die Projektbeschreibung aufgenommen werden. Sorgen Sie dafür, dass jede Änderung kommuniziert und der Projektumfang entsprechend angepasst wird.

Typische Auswirkungen von Scope Creep mit Beispiel

Besonders gefährlich ist ein Scope Creep für Projekte, die mit einem Festpreis arbeiten oder in relativ kurzer Zeit abgeschlossen werden müssen. Zusätzliche Anforderungen zum bereits festgelegten Projektumfang können hier schnell zu Aufwänden führen, die mit den gegebenen Ressourcen nicht mehr kompensierbar sind. Die Folge:

  • Überschreitung des Budgets, Margen müssen reduziert werden
  • Erhöhter Kommunikationsaufwand
  • Nicht mehr haltbare Deadlines
  • Qualitätseinbußen, da zu viel in kurzer Zeit umgesetzt werden muss
  • Überstunden und Stress, Verschlechterung des Arbeitsklimas
  • Scheitern des Projekts

Aber wie kann es überhaupt so weit kommen? Müsste das Team nicht merken, wenn bestimmte Anforderungen zu aufwändig für den Projektumfang sind? Ja und nein. Das folgende Beispiel verdeutlicht, wie schnell ein Scope Creep Fahrt aufnehmen kann, wenn er erst einmal in Gang gesetzt wurde:

Eine Marketingagentur wurde mit der Erstellung eines Onlineauftritts beauftragt. Entwürfe, Anforderungen und Features wurden mit dem Kunden abgesprochen. Während der Implementierung wünscht sich der Kunde jedoch ein zusätzliches Newsletter-Formular. Eine Kleinigkeit, denkt sich die Projektleiterin – und sagt dem Wunsch zu. Dabei stellt sich heraus, dass für das Formular auch eine Datenvalidierung benötigt wird.

Die zuständige Programmiererin schiebt also Überstunden, um das System so schnell wie möglich zu liefern. Kaum ist dies erledigt, meldet sich ein Teamkollege zum Thema Datenschutz zu Wort – die Nutzenden müssten schließlich über die Verwendung ihrer E-Mail-Adressen informiert werden.

Wie Sie sehen, kann eine solche Spirale sehr schnell und nahezu unbemerkt vonstattengehen. Aus einem kleinen Formular wächst ein vollständiges Teilprojekt, für das jedoch weder Zeit noch Budget vorhanden ist.

So können Sie einen Scope Creep verhindern

Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Projektumfang auszuufern droht? Die folgenden Tipps helfen Ihnen, einem Scope Creep entgegenzuwirken und sich auf die eigentlichen Projektziele zu besinnen:

  • Beziehen Sie sich bei Änderungswünschen oder neuen Ergebnissen immer auf den Projektumfang und erinnern Sie an die Kernanforderungen.
  • Anforderungen, die nicht im Projektumfang enthalten sind, sollten zuerst durch den Prozess des Change-Managements laufen und von mehreren Projektbeteiligten geprüft werden.
  • Entscheiden Sie sich für eine Umfangsänderung, sollten Sie gleichzeitig überlegen, wie der Mehraufwand kompensiert werden kann. Gibt es etwas, das Sie aufschieben oder sogar ganz auslassen können?
  • Prüfen Sie Ihre Projektressourcen. Nehmen Sie neue Anforderungen nur an, wenn es noch Luft genug gibt, um die Projektziele zu erreichen.
  • Nutzen Sie Work-Management-Tools, um die Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten zu vereinfachen und Zuständigkeiten besser zu verteilen.

Fazit: Nehmen Sie Scope Creep nicht auf die leichte Schulter

Änderungen und Anpassungen sind ein unvermeidbarer Bestandteil im Projektmanagement. Wenn solche Änderungen jedoch den Projektumfang sprengen und nicht ausreichend geprüft und abgesprochen werden, droht ein Scope Creep der Superlative.

Das Gefährliche an einem Scope Creep ist, dass er am Anfang vollkommen harmlos wirkt und oft erst dann erkannt wird, wenn das Projekt längst ausgeufert ist. Daher unser Tipp: Fokussieren Sie sich strikt auf Ihren Projektumfang, nutzen Sie SMART-Ziele und etablieren Sie effiziente Workflows, um das Änderungsmanagement und die Kommunikation zwischen den Beteiligten zu vereinfachen.

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Titelbild: Louise Viallesoubranne / Unsplash

Ursprünglich veröffentlicht am 18. April 2023, aktualisiert am April 18 2023

Themen:

Projekt-Management