Flexibilität statt starrer Regeln: Was nach einer pädagogischen Maßnahme im Stil des Laissez-faire klingt, ist in Wahrheit eine Vorgehensweise aus dem Projektmanagement. Ihr Name: Scrum.
Wir zeigen Ihnen, wie Scrum funktioniert, was Sie bei der Anwendung beachten sollten und wer der sagenumwobene Scrum-Master ist.
Was bedeutet Scrum?
Scrum ist eine agile Form des Projektmanagements, die auf Flexibilität und Selbstorganisation des Teams setzt. Statt ein Projekt vorab von vorne bis hinten durchzuplanen und alles genau zu dokumentieren, soll sich das Team bei diesem Modell täglich abstimmen und auf Basis der Kenntnisse und Erfahrungen der Mitglieder spontan agieren können.
Scrum-Methode: Flexibilität über alles
Der Begriff „Scrum“ bezeichnet ursprünglich eine Ansammlung von Spielern beim Rugby, die sich dicht um den Ball drängen. Dieses Bild wird bei der Scrum-Methode auf das Projektmanagement übertragen.
Bei Scrum wird davon ausgegangen, dass ein erfahrenes Team sich selbst regulieren und die Erreichung der Projektziele forcieren kann. Es gelten nur wenige feste Regeln. Wichtiger ist, dass sich die Projektmitglieder regelmäßig, schnell und dynamisch miteinander abstimmen, um auf jegliche Situation flexibel reagieren zu können.
Zuerst wurde Scrum in der Softwareentwicklung genutzt. Später wurde das Konzept für andere Entwicklungsprojekte allgemein und damit auch für das Projektmanagement übernommen.
Ein Scrum-Team besteht im besten Fall aus fünf bis zehn Mitgliedern. Sie stehen hierarchisch alle auf derselben Ebene und haben dieselben Rechte und Pflichten. Damit die Projektziele erreicht werden können, müssen im Team alle relevanten Fertigkeiten vorhanden sein. Deshalb sollte es interdisziplinär zusammengesetzt werden. Wichtig ist auch, dass die Mitglieder aus eigenem Antrieb bei dem Projekt dabei sind. Im Bestfall können sie sich ihr Projekt selbst aussuchen.
Bei aller Flexibilität muss nach außen natürlich trotzdem jemand für das Projekt zuständig sein. Diese Person wird als Scrum-Master bezeichnet.
Was ist ein Scrum-Master?
Der Scrum-Master fungiert als eine Art Moderator im Team und achtet darauf, dass die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert. Er beschafft Ressourcen, hilft dem Team bei Problemen, achtet auf die Einhaltung der Regeln und ist Ansprechpartner für Außenstehende – auch für den Produkteigner, bei dem es sich um einen Vertreter des Kunden oder um einen Produktmanager handelt.
So läuft ein Scrum-Projekt typischerweise ab
Ein Scrum-Projekt entsteht meist aus einer groben Produkt-Idee heraus. Der Auftraggeber will seinen Ansatz vom Projektteam weiterentwickeln und umsetzen lassen. Er setzt damit eine Kette von Aufgaben in Gang:
1. Erstellung von Story Cards
Das Team leitet aus den losen Ideen des Auftraggebers konkrete Merkmale und Funktionalitäten des Produktes ab. Diese werden in den Worten der Anwender auf sogenannten Story Cards festgehalten.
Am Ende dieses Schrittes wird klar, welche Ressourcen, Tools, Kapazitäten und Qualifikationen das Projekt erfordern wird.
2. Erfassung im Produkt-Backlog
Das Scrum-Team trägt sämtliche Eigenschaften und Funktionen, die das Produkt haben soll, in einem Produkt-Backlog zusammen. Zuerst ist diese Aufführung noch grob und allgemein. Im weiteren Verlauf des Projektes wird sie Schritt für Schritt konkreter.
3. Festlegen von Prioritäten
Anschließend entscheidet das Team über Prioritäten: Welche Funktionen und Merkmale des Produkts sind für die späteren Anwender am wichtigsten?
Was brauchen sie, um zufrieden zu sein?
Alle Elemente, denen keine Priorität eingeräumt wird, werden aussortiert, zusammengefasst oder verschoben. Sie können bei einer späteren Überarbeitung oder Erweiterung des Projektes bearbeitet werden.
4. Planung von Teilabläufen
Nun beginnt das Team, die genauere Umsetzung zu planen. Es klärt unter anderem, wie das Produkt aufgebaut sein soll, welche Meilensteine auf dem Weg zum Ziel erreicht werden müssen und welche Teilaufgaben – sogenannte Sprints – erledigt werden müssen.
Auch ein paar grundlegende Regeln werden festgelegt: Wann und wo treffen sich die Projektmitglieder jeden Tag? Welche Konventionen sind einzuhalten, auf welche Besonderheiten zu achten? Diese Absprachen dienen als Rahmenwerk für den weiteren Ablauf des Projektes.
5. Separierung im Sprint-Backlog
In einem Sprint-Backlog werden alle einzelnen Aufgaben gesammelt, die zu erledigen sind. Diese sogenannten Tickets schaffen einen Überblick über die nächsten Arbeitsschritte.
Jedes Team-Mitglied wählt eigenverantwortlich Tickets aus, die seinen Qualifikationen entsprechen und bearbeitet sie.
6. Aufgabenlösung
Das Arbeiten an den einzelnen Aufgaben wird Sprint genannt. Am Ende eines Sprints stehen Teillösungen für das große Gesamtprojekt.
7. Arbeit mit Sprint Burndown Chart
Täglich versammelt sich das Team für etwa 15 Minuten. In dieser als Scrum bezeichneten Besprechung erklärt jeder Mitarbeiter, was er seit dem letzten Treffen getan hat, was als nächstes ansteht und welche Hindernisse ihm bei seiner Arbeit im Weg stehen.
Der Scrum-Master hilft dabei, diese Hindernisse zu beseitigen. In einer sogenannten Sprint Burndown Chart wird festgehalten, wie sich das Projekt entwickelt.
8. Abnahme von Etappenzielen
Einzelne Sprints werden durch ein Sprint Review Meeting beendet. Das Team stellt dem Auftraggeber die Zwischenergebnisse vor. Er muss sie abnehmen.
In separaten Treffen können die Team-Mitglieder zudem über ihre Zusammenarbeit reflektieren und, falls nötig, über Verbesserungen im Arbeitsprozess nachdenken.
9. Erfolgreiches Projektende
Wenn alle Sprints abgeschlossen sind, wird das fertige Produkt geliefert und das Projekt beendet.
Ein Scrum-Board sorgt für Übersichtlichkeit
Damit kein Mitarbeiter den Überblick verliert, werden alle Tickets auf einem Scrum-Board gesammelt. Auf einen Blick wird dort deutlich, welche Aufgaben schon erledigt sind und welche noch ausstehen.
Das Scrum-Board hilft dem Team auch dabei, die Verteilung der Tickets zu steuern und frühzeitig zu erkennen, wenn es in einem Aufgabenbereich nur schleppend vorangeht. Auch können Aufgaben mit hoher Priorität gesondert ausgezeichnet werden. Das Scrum-Board sollte zu jeder Zeit für alle Team-Mitglieder einsehbar sein.
Probleme der Scrum-Methode
Scrum-Projekte zeichnen sich durch eine hohe Dynamik aus. Kein Mitarbeiter kann sich verstecken. Erledigt ein Mitarbeiter seine Aufgabe nicht oder nur ungenügend, bremst er die anderen aus.
Das wird in den täglichen Treffen schnell offensichtlich und kann zu Diskussionen und Spannungen im Team führen und auch der allgemeinen Motivation schaden. Auch wenn sich einzelne Mitarbeiter in den Vordergrund spielen, unbedingt ihre eigene Meinung durchsetzen wollen und versuchen, eine Hierarchie zu etablieren, besteht Konfliktpotential.
Im schlimmsten Fall sieht sich das Team nicht in der Lage, weiter miteinander zu arbeiten und löst sich auf. Es ist deshalb wichtig, dass Mitarbeiter Anliegen sachlich formulieren und professionell mit Kritik umgehen können.
Schwierig kann auch die Rolle des Scrum-Masters sein. Wenn er aus dem klassischen Projektmanagement eine klare Führungsrolle gewöhnt ist, muss er sich möglicherweise erst an die neue Situation gewöhnen. Im Scrum-Projekt fällt ihm lediglich eine moderative Funktion zu. Er sollte die eigenen Ansichten zurückstellen und auf die Kompetenz des Teams vertrauen.
Scrum eignet sich vor allem für eigenverantwortliche Teams
Scrum glänzt durch Flexibilität, Agilität und eine hohe Eigenmotivation des Teams. Auftraggeber schätzen die regelmäßige Kommunikation und die damit einhergehende Transparenz. Die Methode kann allerdings nur funktionieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu zählt auch die Unterstützung des Top-Managements: Das Unternehmen muss seinen Mitarbeitern einen Vertrauensvorschuss gewähren und ein hohes Maß an Eigenständigkeit zusprechen.
Titelbild: fizkes / iStock / Getty Images Plus