Ob in Selbsthilfe-Ratgebern, auf Cornflakes-Packungen oder in der Populärwissenschaft: Die Maslowsche Bedürfnispyramide ist seit Jahrzehnten weit über die Grenzen der humanistischen Psychologie hinaus bekannt. Was genau die Bedürfnispyramide nach Maslow ist und wie sie sich zusammensetzt, erfahren Sie in diesem Artikel.

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Wer hat die Bedürfnispyramide erfunden?

Die Bedürfnispyramide oder Bedürfnishierarchie als sozialpsychologisches Modell stammt von Abraham Maslow, einem amerikanischen Psychologen, der von 1908 bis 1970 lebte. Seine Theorie über die Motivation und die Bedürfnisse der Menschen goss er in ein hierarchisches Modell, wodurch die namensgebende Maslowsche Bedürfnispyramide entstand.

Menschliche Schwächen: Zur Entstehung der Bedürfnispyramide nach Maslow

Die Geschichte der Bedürfnispyramide geht bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zurück. Damalige Psychologen bescheinigten den Menschen eine grundsätzlich pessimistische, teilweise seelenlose Einstellung. Die Liste menschlicher Schwächen und deren Zusammenstellung hing wahrscheinlich auch mit dem Ersten Weltkrieg und später dem Zweiten Weltkrieg zusammen.

Abraham Maslow sah das grundsätzlich anders und bezeichnete die Menschen vom Grundsatz her eher als gut. Er meinte, das Schlechte sei nicht in der Natur des Menschen verankert.

Vor diesem Hintergrund entwickelte Maslow sein Modell, das menschliche Bedürfnisse widerspiegeln soll. Erste Ideen veröffentlichte er bereits 1943 in seiner Publikation A Theory of Human Motivation” und verfeinerte diese in den folgenden Jahren immer weiter.

Wie ist die Bedürfnispyramide aufgebaut?

Maslow hielt in seinem Modell fest, dass es bestimmte Bedürfnisse gibt, die einen höheren Stellenwert als andere haben. Dadurch entwickelte sich das Bild mit den Bedürfnisstufen mit ihrer hierarchischen Struktur und damit die weltbekannte Maslow-Pyramide. Sie bestand in der ersten Fassung aus fünf Stufen, die erweiterte Variante umfasst sogar acht Stufen.

Die Stufen der klassischen Bedürfnispyramide

Die Pyramiden-Form entstand, da Maslow eine Bedürfnishierarchie bei Menschen zu entdecken meinte. Wird ein Bereich erfüllt, gibt dieser den Antrieb für den nächsten Bereich – nach diesem Prinzip der Bedürfnisbefriedigung baut sich die Bedürfnispyramide nach Maslow auf.

Existent sind dabei, zumindest was das Grundmodell betrifft, fünf Bedürfnisebenen:

Grafik Maslowsche Bedürfnispyramide

Grundbedürfnisse

Die Grundbedürfnisse, gerne als physiologische Bedürfnisse bezeichnet, sind zum Überleben unbedingt notwendig. Ohne ihre Erfüllung kann kein Mensch lange existieren. Dementsprechend nehmen diese die unterste Stufe der Maslowschen Bedürfnispyramide ein. Sie bilden quasi das Fundament.

Zu den Grundbedürfnissen gehören beispielsweise:

  • Essen
  • Trinken
  • Schlafen
  • Wärme

Sicherheitsbedürfnisse

Die Sicherheitsbedürfnisse sind die nächste Ebene der Bedürfnishierarchie. Es geht dabei um materielle und berufliche Sicherheit, aber auch um den Schutz der eigenen Person.

Beispiele für Sicherheitsbedürfnisse sind unter anderem:

  • Sicherer Arbeitsplatz
  • Finanzielle Absicherung
  • Sicheres Zuhause

Soziale Bedürfnisse

Das Streben nach Zugehörigkeit und Zuneigung sind die nächsthöhere Ebene der Maslow-Pyramide. Hier geht es um soziale Beziehungen, ohne die kaum ein Homo Sapiens richtig leben kann.

Zu den sozialen Bedürfnissen zählen zum Beispiel:

  • Familie
  • Freundschaften
  • Gruppenzugehörigkeit

Individualbedürfnisse

Die vierte Stufe der Pyramide beschreibt die Individualbedürfnisse der Menschen, welche auf die sozialen Bedürfnisse folgen. Bei diesen möchten Menschen ihre eigenen Potenziale und Interessen mehr in den Fokus rücken.

Die Individualbedürfnisse umfassen beispielsweise:

  • Geltung
  • Freiheit
  • Status

Selbstverwirklichung

In der fünften Stufe der Bedürfnishierarchie will jeder seine eigenen Ideen in die Tat umsetzen und seine Persönlichkeit entwickeln. Man möchte, salopp ausgedrückt, „sein Ding machen“.

Maslow ging beim Ausarbeiten seiner Theorie davon aus, dass nur wenige Menschen die Spitze seiner Bedürfnispyramide erreichen. Dementsprechend stehen derartige psychologischen Bedürfnisse ganz oben in der Darstellung seiner Bedürfnishierarchie.

Die ersten drei Bedürfnisse bezeichnet Maslow als sogenannte Defizitbedürfnisse. Die Individualbedürfnisse und die Selbstverwirklichung dagegen sind Wachstumsbedürfnisse.

Während die Defizitbedürfnisse erfüllt werden sollten, da eine Nichterfüllung ansonsten zu körperlichen und geistigen Störungen führen kann, sind die Wachstumsbedürfnisse nahezu nie gänzlich erfüllbar.

Erweiterung der Maslowschen Bedürfnispyramide um drei Stufen

Die Darstellung der Bedürfnispyramide in fünf Bedürfnisstufen hat sich bis heute gehalten. Und das, obwohl Maslow seinem Modell im Jahr 1970 noch weitere Stufen hinzufügte, welche wir im Folgenden genauer betrachten.

Kognitive Bedürfnisse

Zu der Kognition gehören Geistesprozesse, zum Beispiel Gedanken, Wünsche und Absichten. Sie sind mit den Emotionen verbunden. Das Streben nach Wissen und Verstehen gehören beispielsweise zu den kognitiven Bedürfnissen, die Maslow in seine Bedürfnispyramide kurz vor seinem Tod noch einbaute.

Ästhetische Bedürfnisse

Sauberkeit, Ordnung und Schönheit: Auch die ästhetischen Bedürfnisse zählen zu den neuen Elementen der erweiterten Bedürfnishierarchie. Sie sind nach Maslow durchaus ein wichtiger Bestandteil eines Menschenlebens.

Transzendenz

Zuletzt fügte Maslow seinen Bedürfnisstufen noch die Transzendenz hinzu. Sie steht bei der neueren Bedürfnispyramide ganz oben. Diese Stufe beinhaltet das Streben danach, Teil von etwas Größerem zu werden und ist ebenfalls ein Wachstumsbedürfnis.

Durch das „Update“ veränderte sich ein wenig das Bild der Maslowschen Bedürfnispyramide. Sie besteht seitdem nicht mehr aus den viel zitierten fünf, sondern aus acht Stufen. Und die Anordnung veränderte sich im oberen Bereich etwas. So stehen die kognitiven und ästhetischen Bedürfnisse zwischen den Individualbedürfnissen und der Selbstverwirklichung. Die Transzendenz besitzt am Ende einen höheren Stellenwert als die Selbstverwirklichung.

Grafik Erweiterung der Maslowschen Bedürfnispyramide

Kritik: Ist die Maslowsche Bedürfnispyramide noch zeitgemäß?

In bestimmten Bereichen des Lebens oder Kulturen sind die Formen des Antriebs und der Motivation nach der ursprünglichen Ansicht von Maslow sicherlich noch anwendbar. Das Bedürfnis zu (über-)leben, existiert nach wie vor. Ebenso verhält es sich mit den Sicherheitsbedürfnissen und dem Wunsch nach Zugehörigkeit und Selbstverwirklichung. Nur geschieht dies zuweilen auf einer anderen Basis, da sich im Laufe der Jahre die Wertvorstellungen geändert haben.

Aus diesem Grund sind heutzutage Werte relevant, die es zu Maslows Zeit kaum oder teilweise noch gar nicht gegeben hat. Darunter fallen in etwa die Akzeptanz auf Social-Media-Kanälen, eine nahezu komplette Vernetzung sowie eine sich verändernde Arbeitswelt.

Eine gewisse Kritik an der Bedürfnispyramide nach Maslow ist berechtigt, denn gewisse Annahmen und Ansichten sind nur noch bedingt übertragbar auf die aktuelle Zeit. Weitere Kritikpunkte an Maslows Ansichten über menschliche Motivation sind, dass der US-amerikanische Psychologe eine sehr westliche Sicht einnahm und weniger privilegierte bzw. arme Bevölkerungsschichten zu wenig mit einbezog. Seine hierarchische Einteilung eignet sich zur Anwendung in anderen, nicht-westlichen Kulturen nur bedingt.

Die ERG-Theorie als Weiterentwicklung der Maslowschen Bedürfnispyramide

Über die Jahrzehnte gab es Abwandlungen und Weiterentwicklungen zur Maslowschen Bedürfnishierarchie. So etablierte sich die ERG-Theorie. Sie wurde von Clayton Alderfer erfunden und besteht aus nur drei Bedürfnissen. Diese nennen sich:

Existence needs / Existenzbedürfnisse

Das sind wie bei Maslow die Grundbedürfnisse, die jeder Mensch hat, um gut (über-)leben zu können. Dazu zählen nicht nur materielle, sondern auch psychologische Elemente wie Belohnungen und Arbeitsbedingungen.

Relatedness needs / Beziehungsbedürfnisse

Als Beziehungsbedürfnisse gelten typische soziale Bedürfnisse wie Zugehörigkeit, Zuneigung, Wertschätzung und Achtung. Dieses Element fasst somit mehrere Stufen der Maslow-Pyramide zusammen.

Growth needs / Wachstumsbedürfnisse

Menschen möchten in ihrem Leben nicht still stehen, sondern ihre Lebensumstände verändern – beispielsweise durch Wachstum. Zu diesem Wachstum gehören unter anderem eine höhere Produktivität und das Streben nach Selbstverwirklichung.

Anwendung: Die Maslowsche Bedürfnispyramide in der Praxis

In der heutigen Zeit stellt sich nun die Frage: Wie lässt sich die Bedürfnispyramide auf das geschäftliche Leben generell übertragen? Welche Bedürfnisse haben beispielsweise Kunden und Kundinnen, Führungskräfte oder Mitarbeitende?

  • Bezogen auf den Vertrieb spielt die erste Stufe, die Grundbedürfnisse bzw. die physiologischen Bedürfnisse eigentlich eine recht geringe bzw. überhaupt keine Rolle.
  • Die zweite Stufe, die Sicherheitseisbedürfnisse, ist dagegen interessant: Sicherheit kann sich beispielsweise auf das Investment eines Kunden beziehen.
  • Die dritte Stufe der sozialen Bedürfnisse lässt sich ebenfalls auf die heutige Geschäftswelt adaptieren. Beziehungen der Mitarbeitenden untereinander und zu den Führungskräften sowie eventuell stattfindende Firmen-Events stellen Beispiele für diese Stufe dar.
  • Stufe vier mit den Individualbedürfnissen der Menschen kann sich in der Anerkennung von beruflichen Leistungen wie nach einem positiven Verkaufsgespräch oder einer Verbesserung des Umsatzes widerspiegeln. Aber auch ein Verkäufer oder eine Verkäuferin kann seiner Kundschaften Anerkennung entgegenbringen.
  • Die kognitiven Bedürfnisse, die neue Stufe fünf, zeigen sich unter anderem im Streben nach Wissen und Verständnis. Unternehmen können diese Motivation nach Maslow befriedigen, indem Sie Ratgeber und Produktinformationen bereitstellen.
  • Auch die ästhetischen Bedürfnisse, die Stufe sechs der erweiterten Maslowschen Pyramide, lassen sich von Firmen bestens bedienen: Mitarbeitende möchten in schönen Büros arbeiten und Ästhetik von Produkten spielt bei der Kundschaft eine große Rolle.
  • Die ehemalige Spitze der Maslow-Pyramide, die Selbstverwirklichung und somit nun Stufe sieben, ist ein wichtiger Bestandteil der New-Work-Bewegung. Unternehmen sollten Ihren Angestellen entsprechend die Möglichkeit geben, sich besser zu entfalten.
  • Die Transzendenz, die achte und letzte Stufe der Maslowschen Bedürfnishierarchie, lässt sich durch spirituelle, esoterische oder religiöse Erlebnisse befriedigen. Stufe fünf stellt bei Mitarbeitern zum Beispiel die Möglichkeit dar, sich weiterzubilden oder mehr Verantwortung zu erhalten.

Fazit: Die Maslowsche Bedürfnispyramide im Alltag anwenden

Maslow ging ursprünglich davon aus, dass sich im privaten als auch im geschäftlichen Umfeld die nächsthöhere Stufe der Bedürfnispyramide nur dann erreichen lässt, wenn die vorherige Stufe erfolgreich absolviert wurde. Alle Stufen der Bedürfnispyramide hängen voneinander ab und bauen aufeinander auf.

Das macht die Anwendung der Bedürfnispyramide nach Maslow etwas schwer. Zumindest, wenn man nur den mittlerweile überholten Ansichten glaubt. Deshalb kann es zunächst leichter sein, die ERG-Theorie anzuwenden. Sie ist einfacher zu verstehen und weniger hierarchisch. Doch ein genauer Blick auf die ursprüngliche Maslowsche Pyramide kann sich immer lohnen, um Selbstreflexion zu betreiben oder die Bedürfnisse der Mitmenschen besser zu verstehen.

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Titelbild: masterzphotois / iStock / Getty Images Plus

Ursprünglich veröffentlicht am 10. Mai 2023, aktualisiert am Mai 10 2023

Themen:

Motivation