Unternehmen, die handels- und steuerrechtlich zur Führung von Büchern verpflichtet sind, müssen bei der Erstellung der Buchhaltung die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) beachten. Einer dieser Grundsätze ist das Niederstwertprinzip, wobei das HGB das gemilderte Niederstwertprinzip vom strengen Niederstwertprinzip abgrenzt.

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Wann gilt das Niederstwertprinzip?

Das strenge und gemilderte Niederstwertprinzip sind im § 253 HGB (Handelsgesetzbuch) gesetzlich geregelt. Es handelt sich um eine außerplanmäßige Abschreibung auf alle betrieblichen Wirtschaftsgüter, die dem Anlagevermögen und dem Umlaufvermögen zuzuordnen sind. Dabei müssen Sie Folgendes beachten:

Ergibt sich bei einem Vermögensgegenstand des Anlagevermögens (zum Beispiel Pkw) oder des Umlaufvermögens (zum Beispiel Forderungen oder Vorräte) eine voraussichtlich dauernde Wertminderung, setzt das Unternehmen den sich ergebenden Wert an, wenn dieser geringer ist als die Anschaffungskosten. Der Wert nach der Abschreibung entspricht dem Teilwert des Vermögensgenstandes.

Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung liegt nach dem HGB vor, wenn der geminderte Wert bis zum Tag der Bilanzerstellung besteht. Auf die Posten der Passivseite (Kapital, Verbindlichkeiten und Rückstellungen) findet die handelsrechtliche Vorschrift zum Niederstwertprinzip keine Anwendung.

Beispiel für das Niederstwertprinzip

  • Ein Pkw hat bei seiner Anschaffung 25.000 Euro gekostet.
  • Durch Abschreibungen hat sich der Wert auf 20.000 Euro gemindert.
  • Nach einem Unfall stellt ein Gutachter eine voraussichtlich dauernde Wertminderung fest. Der Marktwert beträgt 11.000 Euro.
  • Nach dem im HGB verankerten Niederstwertprinzip setzt das Unternehmen diesen Wert an.

Welche Bedeutung hat das Niederstwertprinzip für die Buchhaltung?

Das Niederstwertprinzip ist für die Buchhaltung von Bedeutung, weil es zu den GoB gehört. Diese muss jedes Unternehmen beachten, das zur Aufstellung einer Buchführung und einer Bilanz verpflichtet ist. Das Niederstwertprinzip leitet sich aus dem Vorsichtsprinzip, dem Imparitätsprinzip und dem Realisationsprinzip ab.

Das Vorsichtsprinzip hat der Gesetzgeber eingeführt, damit ein Unternehmen seine wirtschaftliche Lage nicht besser darstellt, als sie tatsächlich ist. Deshalb muss das Unternehmen auf der Aktivseite alle Risiken und Verluste, die sich bis zum Tag der Bilanzaufstellung ergeben, in der Bilanz ausweisen. Der Tag der Bilanzaufstellung ist nicht identisch mit dem Bilanzstichtag. Dies ist in der Regel der 31. Dezember eines Jahres. Der Tag der Bilanzaufstellung folgt in der Regel ein oder zwei Monate später.

Auf der Passivseite gilt dagegen das Höchstwertprinzip. Das bedeutet, dass ein Unternehmen seine Schulden immer mit dem höchsten Wert ansetzen muss.

Das Imparitätsprinzip und das Realisationsprinzip stellen das Vorsichtsprinzip in konkreter Form für die Aktiva und die Passiva einer Bilanz dar. Handelt ein Unternehmen nach dem Imparitätsprinzip, weist es nur die Verluste in der Bilanz aus, die es zum Bilanzstichtag vorhersehen konnte.

Das Realisationsprinzip setzt voraus, dass ein Unternehmen nur die Gewinne bilanziert, die es tatsächlich erwirtschaftet hat. Realisiert es einen Gewinn erst nach dem Bilanzstichtag, darf das Unternehmen diesen erst in der Bilanz des folgenden Jahres ausweisen.

Warum ist das Niederstwertprinzip sinnvoll?

Das Niederstwertprinzip übt in der Buchhaltung eine Doppelfunktion aus. Auf der einen Seite trägt es den Anforderungen des Gläubigerschutzes Rechnung. Auf der anderen Seite hilft es den Unternehmen, ihre Liquidität zu stabilisieren.

Als Gläubiger eines Unternehmens kommen in etwa Banken, Lieferanten und externe Dienstleister in Betracht. Die Forderungen dieser Gläubiger sollen durch das Niederstwertprinzip abgesichert werden. Dies spielt besonders eine tragende Rolle, wenn das Unternehmen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt hat.

Damit ein Unternehmen die Insolvenz vermeidet, muss es seine Liquidität sichern. Das geschieht zum Beispiel dadurch, dass das Unternehmen in der Bilanz nur die Gewinne ausweist, die es tatsächlich realisiert hat. Das Bilanzergebnis, das sich nach Anwendung des Niederstwertprinzips ergibt, trägt dazu bei, dass das Unternehmen zukünftige Zahlungsverpflichtungen erfüllen kann.

Was ist der Unterschied zwischen dem Niederstwertprinzip und dem Höchstwertprinzip?

Im Gegensatz zum Niederstwertprinzip kennt das Handelsrecht für die Passivseite einer Bilanz das Höchstwertprinzip.

Das Höchstwertprinzip kommt bei der Bewertung der Unternehmensschulden, zum Beispiel Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen oder Verbindlichkeiten gegen Kreditinstitute, zur Anwendung. Es besagt, dass ein Unternehmen die Schulden immer mit dem höchstmöglichen Wert ausweist.

Ein Unternehmen steht in etwa bei der Bewertung von Verbindlichkeiten in anderen Währungen aufgrund von Währungsschwankungen vor der Alternative, mehrere Werte ansetzen zu können.

Hier ein Beispiel zum besseren Verständnis:

  • Ihr Unternehmen bezieht Waren aus den USA.
  • Bei der Vereinbarung des Kaufpreises ergab sich eine Zahllast von umgerechnet 20.000 Euro.
  • Als Zahlungsziel vereinbarte Ihr Unternehmen mit dem amerikanischen Händler einen Zeitraum von vier Wochen.
  • Zu diesem Zeitpunkt beträgt die Zahllast aufgrund von Währungsschwankungen 25.000 Euro.

In der Bilanz setzt Ihr Unternehmen den höheren Wert von 25.000 Euro an. Damit folgen Sie dem (ebenfalls im HGB geregelten) Höchstwertprinzip.

Die Arten des Niederstwertprinzips

Das Niederstwertprinzip kommt in drei verschiedenen Varianten vor:

  • dem gemilderten Niederstwertprinzip
  • dem strengen Niederstwertprinzip
  • dem erweiterten Niederstwertprinzip

Gemildertes Niederstwertprinzip

Das gemilderte Niederstwertprinzip findet nur Anwendung bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens. Dabei prüft Ihr Unternehmen zunächst, ob es sich um eine dauerhafte oder nur vorübergehende Wertminderung handelt.

Beispiel:

  • Eine Maschine ist defekt. Ihr Unternehmen kann sie deshalb nicht für die Produktion einsetzen.
  • Nach der Reparatur ist die Maschine wieder einsatzfähig.
  • Ist die Wertminderung von Dauer, weil in etwa eine Ware verdorben ist, besteht für Ihr Unternehmen die Verpflichtung, auf den niedrigeren Marktpreis abzuschreiben.
  • Handelt es sich dagegen um eine vorübergehende Wertminderung, darf Ihr Unternehmen keine Abschreibungen vornehmen.

Strenges Niederstwertprinzip

Das strenge Niederstwertprinzip bezieht sich ausschließlich auf die Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens. Hier müssen Sie das Niederstwertprinzip auch dann anwenden, wenn es sich nur um eine vorübergehende Wertminderung handelt.

Beispiel:

  • Infolge eines Diebstahls ist der Bestand der Vorräte kleiner geworden.
  • Nach der Entschädigungszahlung durch die Versicherung kauft Ihr Unternehmen die Waren erneut ein.
  • Obwohl die Wertminderung nicht von Dauer ist, wendet Ihr Unternehmen das Niederstwertprinzip an.

Erweitertes Niederstwertprinzip

Das erweiterte Niederstwertprinzip darf ein Unternehmen nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz von 2009 nicht mehr anwenden. Es besagte, dass Unternehmen Wertschwankungen im Umlaufvermögen ausgleichen konnten.

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Titelbild: lemono / iStock / Getty Images Plus

Ursprünglich veröffentlicht am 19. Mai 2022, aktualisiert am Januar 20 2023

Themen:

Buchhaltung