Missverständnisse tragen dazu bei, dass einfache Situationen an Komplexität gewinnen und mitunter schwer zu lösende Konflikte entstehen. Um sich der Wirkung von Sprache bewusst zu werden und Missverständnisse zu vermeiden, hilft es, Gesagtes und Absichten der Gesprächsbeteiligten genauer unter die Lupe zu nehmen.
Das Organon-Kommunikationsmodell nach Karl Bühler betrachtet Sprache als Werkzeug – wie schon der griechische Philosoph Platon – und fördert das Verständnis für ihre Funktionsweise.
Was ist das Organon-Modell?
Das von Karl Bühler entwickelte Organon-Modell der Sprache unterscheidet zwischen einer sendenden und empfangenden Instanz. Sprache dient zur Kommunikation zwischen beiden und bildet somit die Basis der Kommunikationssituation. Jeder Aussage wird dabei eine Darstellungs-, eine Ausdrucks- und eine Appellfunktion zugeschrieben.
Wie funktioniert das Organon-Modell?
Kommunikationsmodelle wie Karl Bühlers Organon-Modell sind Versuche, die Wirkung und die Funktionen von Kommunikation greifbar zu machen. Sprache ist dabei das Werkzeug, mit dem es möglich ist, einem Gegenüber etwas mitzuteilen.
Das Modell besteht grundlegend aus drei Bestandteilen: der sendenden Instanz, der empfangenden Instanz und eines sprachlichen Zeichens, also einem Wort oder einem Satz. Diese drei Bestandteile stellen anschaulich eine Kommunikationssituation dar.
Das Modell hilft dabei, das tatsächlich Gesagte, seine Intentionen und seine Wirkung in einem objektiven Rahmen zu analysieren. Im Laufe der Zeit wurde Karl Bühlers Organon-Modell auch weiterentwickelt und durch weitere Zeichenfunktionen erweitert, ohne die drei Kernbestandteile des Grundmodells zu verändern.
Es gibt im Organon-Modell einen Unterschied zwischen Schallphänomen und sprachlichen Zeichen. Schallphänomene werden im Modell durch die mittige Kreisform dargestellt und repräsentieren physikalische Eigenschaften der Sprache – beispielsweise ihre Lautstärke und Schallwellen, welche sie verursacht.
Die Sprachzeichen hingegen werden durch das Dreieck repräsentiert. Dabei handelt es sich um den wahrnehmbaren Teil der Sprache, wie der gesprochene Satz, die Mimik und die Stimmlage.
Das Organon-Modell verdeutlicht durch diese Unterscheidung, dass Zeichen immer auch mehr sind als reine physikalische Schallphänomene. Es ist also möglich, das Organon-Modell für alle Zeichenarten zu verwenden.
Die drei Funktionen der Sprache nach Karl Bühlers Organon-Modell
Das Organon-Modell der Sprache ist für die objektive Analyse von Kommunikation besonders deshalb so weit verbreitet, da es die Funktionen von sprachlichen Äußerungen präzise und kompakt in drei Hauptfunktionen einteilt. Was diese genau ausmacht, erfahren Sie im Folgenden.
Darstellungsfunktion: Sprache als Symbol
Das sprachliche Zeichen ist ein Symbol für Sachverhalte und Gegenstände, um die sich das Thema der Kommunikation dreht. Karl Bühler stellt die Beziehung zwischen Zeichen und Objekt sowie deren Darstellung in den Fokus – das heißt die reine Information, die der Sender oder die Senderin dem Gegenüber mitteilen möchte.
Ausdrucksfunktion: Sprache als Symptom
Nach Karl Bühler bringt das sprachliche Zeichen in seiner zweiten Funktion persönliche Befindlichkeiten des Senders beziehungsweise der Senderin zum Ausdruck. Ein Zeichen ist für ihn ein Symptom für die sprechende Person, die zum Beispiel ein Gefühl oder eine Meinung offenbart, welche implizit in der Aussage enthalten sind.
Appellfunktion: Sprache als Signal
Das an die empfangende Instanz gerichtete sprachliche Zeichen besitzt eine Signalwirkung, also eine Appellfunktion. Es zielt darauf ab, beim Gegenüber eine Reaktion auszulösen und zu einer bestimmten Handlung zu verleiten.
Ein Kommunikationsakt kann nach Karl Bühler nur dann richtig und vollständig verstanden werden, wenn alle drei Funktionen der Sprache – Darstellungsfunktion, Ausdrucksfunktion und Appellfunktion – betrachtet und analysiert werden.
Das Organon-Modell: Beispiele in konkreten Situationen
Gespräche mit Kundschaft sind ein fester Bestandteil im Alltag von Vertriebsteams und enden leider nicht selten in Missverständnissen. Werden Gegenstände oder Sachverhalte nicht konkret angesprochen, sondern umschrieben, interpretiert der Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin das Gesagte schnell falsch. Wie das Organon-Modell zum Beispiel in konkreten Situationen aus dem Arbeitsalltag helfen kann, erfahren Sie hier.
Aussagen in unternehmensinternen Gesprächen wie „Ich würde mich gerne beruflich weiterentwickeln“, sagen beispielsweise nicht konkret aus, wie sich die Mitarbeiterin beziehungsweise der Mitarbeiter weiterbilden will. Die Appellfunktion – also wie die Person dabei gerne von der empfangenden Instanz unterstützt werden würde – bleibt dabei entsprechend vage.
Je nach Situation ist hier also weitere Klärung dieser Ebene notwendig. Haben die Mitarbeitenden bereits eine konkrete Fortbildung im Kopf, sollten sie diese nennen. Erhoffen sich die Sender beziehungsweise Senderinnen Unterstützung beim Finden von Weiterbildungsmöglichkeiten, sollten sie das auch klar aussprechen.
Auch in Verkaufsgesprächen mit potenzieller Kundschaft können Sie das Organon-Modell nutzen. Die Kommunikation mit Kundinnen und Kunden kann deren Bindung zum Unternehmen stärken oder schwächen und ihre Kaufentscheidung bedeutend beeinflussen.
Beispielsweise können Vertriebsmitarbeitende die Aussage „Der Service war in Ordnung“ als positive Zustimmung empfangen. Der Satz kann aber auch hellhörig machen und auf Verbesserungspotenziale seitens der Empfangenden hindeuten.
Gute Vertriebsmitarbeitende werden an dieser Stelle aufmerksam und versuchen die Befindlichkeiten der Kundschaft in Erfahrung zu bringen und sich so auf die Ausdrucksfunktion, statt auf die Darstellungsfunktion zu fokussieren. Steht die Ausdrucksfunktion im Vordergrund, fühlt sich die Kundschaft oft erst wirklich ernst genommen.
Was kann das Organon-Modell leisten?
Sich die einzelnen Funktionen des Gesprochenen in einer Gesprächssituation vor Augen zu halten, hilft dabei, Missverständnisse zu erklären und ihrer Entstehung aktiv vorzubeugen. Karl Bühlers Organon-Modell ermöglicht es Ihnen, sich selbst und andere besser zu verstehen, denn es dient dazu, die Implikationen eigener Äußerungen sowie der Äußerungen der Gegenüber offenzulegen.
Besonders in schwierigen Gesprächssituationen innerhalb eines Unternehmens lohnt es sich sowohl als Sender oder Senderin, als auch als Empfänger oder Empfängerin, gedanklich zwischen den einzelnen Funktionen des sprachlichen Zeichens hin- und herzuspringen. So können Sie ergründen, welche versteckten Appelle und Selbstauskünfte in den Äußerungen des jeweiligen Senders oder der Senderin stecken.
Ist der Sachverhalt unklar oder ist eine Interpretation des Gegenstands nicht möglich, ist es sinnvoll, zeitnah nachzufragen, beziehungsweise das Gespräch so zu lenken, dass alle Intentionen klar werden.
Fazit: Das Organon-Modell der Sprache als Analyseinstrument
Ob Organon-Modell, 4-Ohren-Modell oder Eisbergmodell: Es lohnt sich besonders für Führungskräfte und Vertriebsmitarbeitende, Kommunikationsmodelle vor Augen zu haben, um Gespräche besser analysieren und meistern zu können.
Karl Bühler fördert mit seinem Organon-Modell besonders das Verständnis für Sprache und ihre Bedeutung im Rahmen konkreter Kommunikation zwischen Gesprächsbeteiligten. Die Kombination aus objektiver Analyse nach dem Organon-Modell und psychologischen Kenntnissen bildet so eine optimale Grundlage für effiziente und erfolgreiche Vertriebsprozesse.
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