Kleine Fehlhandlungen, verheerende Auswirkungen – ein Ablauf, den wohl jedes Unternehmen verhindern will. Die japanische Praxis des Poka Yoke kann dabei behilflich sein. Als Methode zur Fehlervermeidung sorgt sie in kleinen wie auch großen Unternehmen dafür, dass alles nach Plan läuft.

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Poka Yoke: Entstehung des Prinzips

Der japanische Autobauer Toyota musste nach dem Zweiten Weltkrieg viele Probleme meistern. Deshalb entwickelten mehrere leitende Angestellte verschiedene Methoden, um die zahlreichen Herausforderungen zu schultern. So entstand unter anderem das TPS (Toyota Production System), woraus sich zuerst die Lean-Production- und dann die Lean-Management-Methode ableitete. Sowohl das TPS wie auch Lean Production basieren auf verschiedenen Ideen und Konzepten – eines davon ist Poka Yoke.

Erfunden wurde Poka Yoke vom Toyota-Ingenieur Shigeo Shingō. Der erkannte, dass Menschen wie auch Maschinen „dumme“, also eigentlich unnötige Fehler machen. Um solche Fehlhandlungen in sämtlichen Prozessen zu vermeiden, braucht es eine „idiotensichere“ Lösung.

Davon inspiriert entstand ursprünglich der Begriff Baka Yoke – „Baka“ bedeutet im japanischen Sprachgebrauch etwa das gleiche wie das deutsche „Idiot“, während „Yoke“ für das Verb „yokeru“ – „vermeiden“ – steht.

Da Baka jedoch als Schimpfwort gilt und der Ausdruck Baka Yoke daher beleidigend wirkte, kam Poka Yoke auf. Poka steht in den Brettspielen Shōgi und Go für einen falschen Zug, der weitreichende Folgen haben kann. Poka Yoke bedeutet also so viel wie das Vermeiden einer unklugen Handlung, oder auch „Narrensicherung”.

Wie funktioniert Poka Yoke?

Um mithilfe von Poka Yoke kostspielige Fehler und Arbeitsausfälle zu vermeiden, unterstützt Sie die Methode dabei, von Anfang an und durch den gesamten Arbeitsprozess hindurch potenzielle Fehler zu bedenken und vorzubeugen.

Eine entsprechende Maßnahme ist beispielsweise das Vier-Augen-Prinzip: Wichtige Texte – Mails, Stellenausschreibungen, Webseitentexte, etc. werden erst dann final verwendet, wenn sie von mindestens zwei Menschen gelesen wurden. Das Prinzip lässt sich einfach als Automatismus etablieren und verringert die Wahrscheinlichkeit von Fehlern im Text maßgeblich.

Nach wie vor fokussieren sich jedoch viele auf Poka Yoke in der Produktion und Fertigung sowie die damit verbundene Fehlervermeidung. Doch Shigeo Shingō hatte stets das Gesamtbild im Blick.

Nach seiner Lehre muss Poka Yoke nicht nur in der Produktion, sondern bei allen Arbeits- und Prozessschritten zum Einsatz kommen: bei der Entwicklung von Produkten, der Produktionsplanung und Bereitstellung der Produktionsmaterialien bis hin zum Fertigungsprozess und zur Auslieferung. Und auch die Kundschaft ist ein Teil des Gesamten, bei der Probleme beziehungsweise unbeabsichtigte Fehler auftreten können, für die es eine Lösung geben muss.

Die Implementierung des Poka-Yoke-Prinzips in Ihren Unternehmensalltag kann in sechs Schritte aufgeteilt werden – eine Art Poka-Yoke-Checkliste für Sie.

1. Auswahl des zu verbessernden Prozesses

Wählen Sie einen bestimmten Vorgang oder Prozessschritt, den Sie verbessern möchten und führen Sie gegebenenfalls eine Prozessanalyse durch. Fokussieren Sie sich dabei vor allem auf die potenziellen Fehlerquellen und deren Auswirkungen auf den Gesamtprozess.

2. Identifikation von Fehlerquellen und Möglichkeiten des Scheiterns

Verwenden Sie beispielsweise die 5-Why-Methode oder führen Sie eine klassische Problemanalyse durch, um die Fehlerursachen zu ergründen. Identifizieren Sie kritische Punkte, an denen der Prozess scheitern kann.

3. Wahl des Poka-Yoke-Ansatzes

Entscheiden Sie, ob Sie einen Ausschluss-Ansatz, mit welchem Fehler komplett verhindert werden, oder einen Warnungs-Ansatz, welcher vor potenziellen Fehlern warnt, verwenden möchten. Stellen Sie sicher, dass der gewählte Ansatz den spezifischen Anforderungen des Prozesses gerecht wird.

Sehen Sie Poka Yoke dabei jedoch nicht nur als automatische Abschaltung oder Warnsystem. Erweitern Sie Ihren Blick und suchen Sie nach Möglichkeiten, um Fehler frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.

4. Wahl der geeigneten Methode

Wählen Sie zwischen einem Kontaktansatz (Erkennung durch physische Merkmale), konstanter Anzahl (Fehler bei Nichtausführung einer bestimmten Anzahl von Maßnahmen) oder Sequenzierungsmethode (Verwendung einer Prüfliste zur Sicherstellung des Abschlusses aller Prozessschritte) für die Fehlervermeidung.

5. Testen der Methode

Führen Sie Tests durch, um sicherzustellen, dass die implementierte Poka-Yoke-Methode effektiv funktioniert. Überwachen Sie kontinuierlich die Leistung und passen Sie die Maßnahmen gegebenenfalls an.

6. Nachhaltiges Trainieren und Prüfen der Leistung

Schulen Sie Ihre Mitarbeitenden im Umgang mit dem Poka-Yoke-Prinzip und sensibilisieren Sie sie für die Bedeutung fehlerfreier Prozesse. Messen Sie den Erfolg des Prinzips anhand von Leistungsindikatoren wie reduzierten Fehlerraten und gesteigerter Effizienz.

Arten von Poka Yoke

Um die passende Anwendung von Poka Yoke für Ihre individuellen Fehlerquellen zu finden, können Sie sich auch von den vier verschiedenen Poka-Yoke-Arten inspirieren lassen.

Sequenzielle Poka-Yoke-Methoden

Sequenzielle Poka-Yoke-Methoden bezeichnen die Verwendung einer präzisen Schritt-für-Schritt-Sequenzierung, um sicherzustellen, dass alle erforderlichen Aufgaben in der richtigen Reihenfolge abgeschlossen werden. Dies kann durch den Einsatz von Checklisten oder Arbeitsanweisungen erreicht werden. Wichtig ist dabei, dass das Erledigen eines Schrittes Voraussetzung für den nächsten Schritt ist, sodass die Reihenfolge sicherlich eingehalten wird.

Informative Poka-Yoke-Methoden

Hierbei werden Informationen so weit vereinfacht wie möglich, um Verständnisprobleme auszuschließen. Dazu werden häufig visuelle oder auditive Signale verwendet, um auf mögliche Fehler oder Probleme hinzuweisen. Beispiele sind Warnlampen, akustische Signale oder auch Bedienungsanleitungen, welche einzelne Schritte mithilfe von Illustrationen leichter verständlich machen.

Gruppierende Poka-Yoke-Methoden

Diese Methode bezieht sich auf die physische Anordnung von Werkzeugen, Teilen oder Materialien in Gruppen, um Verwechslungen und fehlerhafte Montagen zu vermeiden. Durch klare Trennung und Markierungen wird die korrekte Handhabung und Verwendung sichergestellt. Zudem haben Ihre Mitarbeitenden dann immer sicher das richtige Werkzeug für jeweilige Geräte dabei.

Physische Poka-Yoke-Methoden

Bei physischen Methoden werden mechanische oder physische Vorrichtungen eingesetzt, um Fehler zu verhindern. Das können beispielsweise spezielle Halterungen, Schlüssel oder Sensoren sein, die eine falsche Montage oder Handhabung verhindern, indem sie nur bestimmte Bewegungen oder Positionen zulassen.

Auch Alltagsgeräte wie Spülmaschinen oder Mikrowellen, welche sich erst anschalten lassen, wenn ihre Türen geschlossen sind oder Waschmaschinen, die die Tür verriegeln, bis der gesamte Waschvorgang abgeschlossen ist, bedienen sich solch physischer Maßnahmen.

Was zeichnet eine gute Poka-Yoke-Lösung aus?

Damit die Verbesserungen nicht selbst neue Fehler provozieren, folgt Poka Yoke der Simplizität: Die Lösungen müssen einfach zu handhaben, schnell umsetzbar und im Idealfall auch kostengünstig sein.

Es steht natürlich auch das Null-Fehler-Prinzip im Mittelpunkt. Eine effektive Poka-Yoke-Lösung ermöglicht es, potenzielle Fehlerquellen frühzeitig zu erkennen und zu eliminieren. Dies minimiert Kosten, spart Zeit und Material und erhöht die Zufriedenheit der Kundschaft.

Um das zu erreichen, auch bei der späteren Nutzung der Produkte durch die Kundschaft, integrieren viele Poka-Yoke-Lösungen das Schlüssel-Schloss-Prinzip. Dieses besagt, dass Sie einen Schritt oder Prozess nur dann fehlerfrei ausführen können, wenn alle erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Ähnlich wie ein Schlüssel nur in das richtige Schloss passt, muss jeder Schritt oder jede Handlung die richtigen Bedingungen erfüllen, um erfolgreich abgeschlossen zu werden. Das kennen Sie auch aus dem Alltag: Schuko-Stecker lassen sich nur so verwenden, dass niemand einen Stromschlag bekommt.

Poka Yoke: Beispiele aus dem Alltag

Wie mit Mikrowellen, Waschmaschinen und Schuko-Steckern im bisherigen Text bereits gezeigt: Das Poka-Yoke-Prinzip umgibt Sie bereits überall. Weitere Beispiele für Poka Yoke aus dem Alltag sind unter anderem Benzinstutzen, aus denen Super-Benzin fließt, die sich nicht für ein Dieselfahrzeug nutzen lassen, Autos, die erst dann losfahren, wenn der Fahrer oder die Fahrerin angeschnallt ist oder auch Bankautomaten, die zuerst die EC-Karte zurück und dann erst das Geld ausgeben, damit Sie die Karte nicht vergessen.

Es geht darum, solche Probleme und Fehler zu vermeiden, bevor sie auftreten. Bei einer Fehlervermeidung nach der Poka-Yoke-Methode gilt es, vorauszudenken und alle Eventualitäten auszuschließen – oder zumindest deutlich zu reduzieren.

Warum ist Poka Yoke wichtig?

Poka Yoke ist von großer Bedeutung, da es dazu beiträgt, eine fehlerfreie und effiziente Produktionsumgebung zu schaffen. Es ermöglicht die Vermeidung einer Vielzahl von Fehlern und trägt so zur Steigerung der Produktqualität, zur Reduzierung von Ausschuss und Verschwendung sowie zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit bei. Poka Yoke hilft dabei, Prozesssicherheit, Effizienz und Qualitätsstandards in Unternehmen zu gewährleisten.

Bei folgenden Arten von Fehlern hilft Poka Yoke besonders gut:

  • Verarbeitungsfehler: Durch Poka Yoke können Arbeitsschritte in einem Prozess nicht übersprungen oder falsch durchgeführt werden, da Mechanismen implementiert werden, die die korrekte Ausführung sicherstellen.
  • Einrichtungsfehler: Poka Yoke verhindert falsche Einstellungen von Werkzeugen oder Maschinen, indem beispielsweise nur bestimmte Einstellungen zulässig sind oder visuelle Hinweise den korrekten SetupProzess unterstützen.
  • Fehlende Teile: Durch den Einsatz von Poka-Yoke-Maßnahmen wird sichergestellt, dass alle erforderlichen Teile für entsprechende Prozesse vorhanden sind, um Fehler aufgrund fehlender Teile zu vermeiden.
  • Falsche Teile oder Artikel: Poka-Yoke-Methoden stellen sicher, dass nur die richtigen Teile oder Artikel im Prozess verwendet werden, indem sie visuelle oder physische Kontrollen integrieren, um Fehlgriffe oder Verwechslungen zu verhindern.
  • Bedienungsfehler: Durch klare Anweisungen, visuelle Anleitungen oder Warnhinweise wird sichergestellt, dass Prozesse gemäß den richtigen Spezifikationen und Vorgaben ausgeführt werden, um Bedienungsfehler zu minimieren.
  • Messfehler: Poka-Yoke-Mechanismen helfen dabei, Messfehler zu reduzieren, indem sie sicherstellen, dass Maschinen korrekt eingestellt sind, Testmessungen ordnungsgemäß durchgeführt werden und die Abmessungen von Teilen von Lieferanten den Anforderungen entsprechen.

Fazit: Vom TPS zum Customer-Experience-Management

Die ursprüngliche Idee des Toyota Produktionssystems war es, mit den knappen Ressourcen möglichst effizient umzugehen. So konnten Autos schnell, kostengünstig und mit wenigen Fehlern produziert werden, was die Marktposition des Pkw-Herstellers verbesserte.

Doch Poka Yoke wirkt auch langfristig: Wenn ein Endprodukt bestens funktioniert und die Kundschaft zufriedenstellt oder gar ihre Erwartungen übertrifft, zahlt das positiv auf die Customer Experience und damit auf das Markenerlebnis ein. Deshalb ist die Poka-Yoke-Methode eine gute Basis für zahlreiche Maßnahmen im Marketing und Vertrieb. Denn am Ende kommt es vorrangig auf die Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden an.

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Titelbild: oatawa / iStock / Getty Images Plus

Ursprünglich veröffentlicht am 6. Juli 2023, aktualisiert am Juli 06 2023

Themen:

Change Management