Wenn Sie sich mit dem Thema Vertrieb beschäftigen, werden Sie schnell merken, dass es für Hersteller zahlreiche Möglichkeiten gibt, ihre Produkte an die Kunden zu bringen. Dabei sollten Sie sich immer von den W-Fragen leiten lassen. Eine Zusammenfassung könnte also lauten: „Wem verkaufen wir was, wie, wo und zu welchen Konditionen?“
Bei einem selektiven Vertriebsansatz ist es insbesondere die Frage nach dem „Wem“, die genauer unter die Lupe genommen wird.
Was ist „selektiver Vertrieb“?
Selektiver Vertrieb ist ein Bestandteil des Vertriebssystems. Er beinhaltet, dass Anbieter ihre Produkte nur über ausgewählte Händler vertreiben.
Wie ordnet sich der Selektivvertrieb in das Vertriebssystem ein?
Das Vertriebssystem ist – vereinfacht gesagt – die Art und Weise, unter welchen Bedingungen Hersteller ihre Produkte oder Waren an Händler weitergeben. Dabei werden folgende Ansätze unterschieden:
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Bei einem Universalvertrieb akzeptiert Ihr Unternehmen jeden Händler, der Ihr Produkt vertreiben möchte.
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Beim Selektivvertrieb wählen Sie die Händler nach gewissen Kriterien aus.
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Schränken Sie die Auswahl beim selektiven Vertrieb quantitativ stark ein, spricht man von Exklusivvertrieb.
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Gibt es in einem Gebiet nur einen Händler für Ihr Produkt, handelt es sich um einen Alleinvertrieb.
Wie läuft der selektive Vertrieb ab?
Wie es der Name besagt, wählen Sie die Händler aus, die Ihr Produkt verkaufen dürfen. Das geschieht, indem Sie
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auf ausgewählte Händler zugehen und ihnen Ihre Produkte anbieten oder
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von Ihnen nicht gewünschte Händler ausschließen beziehungsweise einen Weitervertrieb untersagen.
Ihre Entscheidung kann dabei auf verschiedenen Kriterien basieren. So könne ein Absatzvermittler beispielsweise nicht bedient werden, wenn er
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nicht Ihren Qualitätsstandards entspricht oder nicht die erforderlichen Supportmöglichkeiten bieten kann.
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nicht die gleiche Markenqualität wie Ihr Unternehmen oder die entsprechende Produktmarke besitzt.
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nicht über die erforderliche Unternehmensgröße, Vertriebsstruktur oder notwendigen Ladenflächen verfügt.
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die erforderlichen Zielgruppen nicht ansprechen kann.
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nicht in der Lage ist, gewisse Mengen abzunehmen oder zu vertreiben.
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strenge rechtliche Vorgaben nicht erfüllen kann, etwa beim Verkauf von Pharmazeutika.
Auswahl der Wiederverkäufer: Was ist der Sinn des selektiven Vertriebs?
Wenn Sie als Hersteller eine Auslese betreiben, steckt dahinter mindestens ein Grund:
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Sie möchten Ihre Marke in einem gewissen Segment positionieren beziehungsweise sie dort gerade nicht platzieren. In der Regel betrifft das hochpreisige Güter und Luxusprodukte. Durch die gezielte Auswahl der Verkäufer und die künstliche Verknappung der Distributionswege werten können Sie Ihre Produkte entsprechend positionieren und in den Augen der Kunden aufwerten.
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Sie möchten Ihren Vertriebsaufwand in einem gewissen Rahmen halten. Vertriebspartner, die nur kleine Mengen absetzen können oder mit denen eine Zusammenarbeit aus anderen Gründen schwierig ist, schließen Sie daher aus.
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Sie bevorzugen bestimmte Wiederverkäufer, da Sie in ihnen gute Partner beziehungsweise Vermittler sehen. Diesen Vertragshändlern sichern Sie eine Exklusivität zu, wodurch diese ihre Verkaufsanstrengungen erhöhen.
Selektives Vertriebssystem: Ein Beispiel
Ein Hersteller von Luxushandtaschen möchte das Premium-Image seiner hochpreisigen Produkte unterstreichen. Dementsprechend gibt er seine Produkte nur an Einzelhändler weiter, deren Ladengeschäfte in Bestlagen stehen und von gut betuchter Kundschaft frequentiert werden.
Zudem untersagt er den Weiterverkauf an andere Händler und den Vertrieb über Plattformen wie eBay und Amazon, da diese nicht den Qualitätsansprüchen der Premium-Marke entsprechen.
Was ist mit kartellrechtlichen Verstößen?
Beim selektiven Vertrieb gilt es jedoch, achtsam zu sein. Bei falscher Anwendung könnten Sie gegen das Kartellverbot und das Diskriminierungsverbot (GWB: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) verstoßen. Zu der qualifizierten und quantitativen Fachhandelsbindung gibt es beispielsweise Urteile des EuGH im Rahmen des AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) sowie mehrerer OLG (Oberlandesgerichte).
Häufig erlaubt die Rechtsprechung nur einen selektiven Vertrieb, wenn dadurch das Image einer Marke geschützt werden soll. Andere Kriterien können je nach Gericht unzulässig sein.
Tipp: Ziehen Sie ein selektives Vertriebssystem in Betracht, sollten Sie sich unbedingt juristischen Beistand holen. Nur so können Sie auf der sicheren Seite sein.
Vor- und Nachteile beim selektiven Vertrieb
Vorteile:
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Sie betreiben eine gezielte Markenpflege, um beispielsweise ein Premium-Image zu fördern.
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Sie treffen Vereinbarungen mit zuverlässigen Absatzvermittlern, welche auch bei Kundenanfragen kompetent zur Seite stehen.
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Sie fördern Vertriebsstrukturen (beispielsweise Einzelhandel oder Onlinehandel), die am besten zu Ihrem Marketing- und Vertriebskonzept passen.
Nachteile:
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Sie verknappen die Vertriebskanäle, was sich unter Umständen negativ auf Ihre Absatzzahlen auswirken kann.
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Wenn es aufgrund der Beschränkungen für Ihre potenziellen Kunden schwierig ist, Ihre Produkte zu erwerben, kann sich das negativ auf das Image Ihrer Marke, Ihrer Produkte oder des gesamten Unternehmens auswirken.
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Der Selektivvertrieb ist aus der Sicht der Gesetzgeber ein Tanz auf Messers Schneide. Um unter anderem beim Kartellrecht auf der sicheren Seite zu sein, sollten Sie sich juristischen Beistand holen.
Wann ist ein selektives Vertriebssystem sinnvoll?
Möchten Sie den Massenmarkt ansprechen und/oder sind Sie ein Hersteller von niedrigpreisigen Produkten? Dann ist es in der Regel nicht sehr sinnvoll, den Vertrieb auf bestimmte Kanäle zu beschränken. Stattdessen sollten Sie einen Universalvertrieb aufbauen, damit möglichst viele Absatzmittler zu Ihrem Umsatz beitragen.
Haben Sie schlechte Erfahrungen mit dem Universalvertrieb gemacht? Oder möchten Sie das exklusive Image Ihrer Premium-Marke unterstreichen? Dann empfiehlt sich der Selektivvertrieb als Vertriebssystem. Unter Umständen könnten Sie sogar auf einen Exklusivvertrieb setzen, wenn das Ihre Markenbildung positiv unterstützt.
Beachten Sie allerdings, dass selektive wie auch exklusive Vertriebssysteme umstritten sind. Verfolgen Sie die Rechtsprechung, bei denen es zunehmend positive Einzelentscheidungen gab und gibt. Zum Beispiel entschied das OLG Hamburg, dass ein selektives Vertriebssystem auch für Nicht-Luxusprodukte zulässig sein kann.