Wenn Sie ein Unternehmen gründen und Mitarbeitende einstellen, müssen Sie sich mit wichtigen Fragen beschäftigen: Wie sollen die Strukturen aussehen? Wollen Sie eher eine klassische Organisation mit klaren Strukturen und Verantwortlichkeiten haben? Oder möchten Sie (wie viele Start-ups) flache Hierarchien erschaffen, bei denen alle ihre Entscheidungen tendenziell frei treffen können?

Wenn Sie zu der letzteren Variante tendieren, sollten Sie sich mit dem Holacracy-Modell beschäftigen.

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Was hat Holokratie mit Soziokratie zu tun?

Der Begriff „Holacracy“ leitet sich aus den griechischen Wörtern „holos“ für „vollständig“ oder „ganz“ und „kratia“ für „Herrschaft“ ab. Das heißt, die Holokratie ist die „Herrschaft des Ganzen“.

Übersetzt bedeutet das: Ein Unternehmen besteht aus vielen Einzelteilen (den Holos), zum Beispiel aus Teams und Abteilungen, und diese ergeben zusammen eine große Struktur. Jeder Teil arbeitet eigenständig, trägt aber etwas zum großen Ganzen bei — also zur Erfüllung der Unternehmensziele.

Das Konzept dazu basiert auf der Soziokratie, was übersetzt „Gemeinschaftsherrschaft“ bedeutet. Bei beiden geht es um Formen der Selbstorganisation, bei der Entscheidungsprozesse neu gedacht und gelebt werden. Daraus resultiert ein Bottom-up-Ansatz, bei dem (vermeintlich) rangniedrigere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wichtige Entscheidungen mitbestimmen können.

Warum gibt es Holacracy?

Die Arbeitswelt verändert sich seit ein paar Jahren enorm. Starre Strukturen mit klaren Hierarchien passen nicht ins Bild des 21. Jahrhunderts, bei dem Sie Entscheidungen schnell treffen und Veränderungen in kurzer Zeit anstoßen müssen.

Zudem steht nicht mehr die effizientere Massenproduktion, sondern die Kreativität und Schaffenskraft einzelner Menschen im Fokus. Brian J. Robertson ließ sich deshalb von der Soziokratie inspirieren und entwickelte darauf basierend die Holokratie.

Um das Konzept der Holokratie festzuhalten, schrieb Robertson die Holacracy Constitution, welche seitdem fortwährend Updates erhält. Zudem gründete er mit HolacracyOne eine Organisation, die Unternehmen dabei unterstützt, das Holacracy-Modell zu implementieren. Und er veröffentlichte das Buch „Holacracy: The New Management System for a Rapidly Changing World“.

Zentrale Elemente der holokratischen Organisation sind die Rollen und Kreise. Jeder Mitarbeitende nimmt mindestens eine selbstgewählte Rolle ein, die sich aber nicht mit der Rolle eines anderen überschneiden darf. Kommen mehrere Rollen zusammen, bilden sie einen sogenannten Holokratie-Kreis. Diese sind mit Arbeitsgruppen oder Abteilungen vergleichbar.

Dabei entsteht eine Art Evolution: Sind Vorhaben erledigt, können die Rollen schrumpfen und aufgelöst werden. Das bedeutet aber nicht, dass die entsprechenden Angestellten ihre Jobs verlieren. Stattdessen suchen oder erschaffen sie sich neue Rollen, die zu ihnen passen.

holokratie-hierarchie

Beispiel: Wie funktioniert Holokratie?

In klassisch strukturierten Unternehmen haben alle Mitarbeitenden eine klar definierte Position in der Hierarchie, die Sie mit einem Titel versehen. So ist jedem klar, dass zum Beispiel der Texter für den Firmenblog zuständig ist und er der Marketingmanagerin untersteht.

Bei einer holokratischen Organisation schaffen Sie die starren Strukturen und Verantwortlichkeiten ab. Vielmehr geht es darum, Rollen zu bilden, um Aufgaben und Projekte zu meistern. In unserem Fall wäre das: Der Mitarbeiter, der als Texter eingestellt wurde, hat nicht die Position „Texter“, sondern die Rolle „Blog-Verantwortlicher“. Dadurch wächst seine Tätigkeit über die eines reinen Texters hinaus, da er sich beispielsweise auch um Technik und Design kümmert.

Bei der Holokratie werden zwar hierarchische Strukturen geebnet, trotzdem endet die Organisation nicht in einem Chaos. Dafür sorgen klare Regeln und die Abstimmungen in verschiedenen Arten von Holacracy-Meetings. In diesen besprechen alle Teilnehmenden unter anderem die übergeordneten Ziele der Woche („Tacticals“ genannt) und spezifische Probleme („Issue-specific Meetings“). Zudem gibt es die sogenannten „Governance Meetings“, bei denen Sie alle ein bis drei Monate die Rollen und die Kreise besprechen und überdenken.

Die Vorteile der Holokratie

Ihr Unternehmen befindet sich in ständiger Bewegung. Die Mitarbeitenden bestimmen die „Marschrichtung“ und verteilen eigenständig die Aufgaben. Eine derartige Vorgehensweise kennen Sie vielleicht auch aus agilen Methoden wie Scrum.

Das hat den Vorteil, dass Sie schnell auf Herausforderungen und Probleme reagieren können — zum Beispiel, wenn es interne Spannungen oder externe Einflüsse gibt. Sämtliche Vorgänge sind für alle Mitarbeitenden transparent, was zu mehr Eigenverantwortung führt und für mehr Motivation sorgt.

Zudem fördern Sie Personen mit einer Entrepreneurship-DNA, die gern Verantwortung übernehmen oder eigenständig arbeiten. Sie können in einem Holacracy-Unternehmen besser ihre Stärken ausspielen: Sie haben die Freiheit, sich „auszutoben“ und fortwährend besser zu werden.

Kritik: Die Nachteile der Holokratie

Das Holacracy-Modell dürfen Sie nicht mit Anarchie verwechseln. Denn es bestehen zahlreiche Regeln und Vorgaben, an die sich jede beteiligte Person zu halten hat.

Genau das ist ein Punkt, weswegen Holakratie in der Kritik steht: Das Regelwerk, die Holacracy Constitution beziehungsweise Verfassung, fällt mit ihren über 10.000 Wörtern sehr umfangreich aus. Das bedeutet, die Anwendung ist am Ende sehr kompliziert, was den Freiheitsgrad und die Flexibilität mindert.

Wenn Sie eine holokratische Organisation in Ihrem Unternehmen einführen, müssen zum Beispiel alle leitenden Angestellten damit einverstanden sein, ihre „Macht“ abzugeben. Das dürfte teilweise schwer umsetzbar sein. Zudem benötigen Sie Mitarbeitende, die selbstbestimmt arbeiten möchten und auch können. In den Meetings müssen sie gut kommunizieren und Verantwortung übernehmen, was nicht jedem Menschen liegt.

Wenn Sie alle Vor- und Nachteile betrachten, müssen Sie ganz individuell für sich entscheiden: Passt Holacracy zu Ihrem Unternehmen?

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Titelbild: Johner Images / iStock / Getty Images Plus

Ursprünglich veröffentlicht am 20. April 2022, aktualisiert am August 25 2023

Themen:

Entrepreneurship