Haben Sie schon einmal versucht, eine für Ihr Unternehmen eher schädliche Information bewusst zu unterdrücken und vor der Öffentlichkeit geheim zu halten? Oftmals passiert dann genau das Gegenteil, was Sie eigentlich zu verhindern versucht haben: Die News werden öffentlich und verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Kurz gesagt: Sie sind Opfer des Streisand-Effekts geworden. Was Sie darüber wissen müssen, lesen Sie hier.

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Wer ist Barbra Streisand und warum gibt sie dem Effekt seinen Namen?

Sagt Ihnen die der Name Barbra Streisand etwas? Die US-amerikanische Sängerin und Schauspielerin ist nicht nur durch ihre Kunst weltberühmt geworden, sondern auch Namensgeberin des beschriebenen psychologischen Effekts.

Der Reihe nach: Anfang der 2000er-Jahre fotografiert Kenneth Adelmann für das „California Coastal Records Project“ die kalifornische Küste und die dort auftretenden Erderosionen. Insgesamt entstehen so rund 12.000 Bilder. Unter den tausenden Bildern ist auch eines, das Barbra Streisand übel aufstößt, was dem Fotografen im ersten Moment gar nicht bewusst ist.

Warum sich die Schauspielerin aufregt? Das Bild zeigt das private Anwesen von Streisand, die dadurch ihre Persönlichkeitsrechte verletzt sieht und Adelmann auf Schadensersatz verklagt – der Fotograf soll 50 Millionen Dollar bezahlen und das entsprechende Foto löschen.

Was dann passiert, können Sie sich sicherlich bereits denken: Das Bild verbreitet sich lawinenartig im Internet, plötzlich wissen alle, wo Barbra Streisand wohnt und wie ihr Anwesen aussieht. Das Skurrile daran: Diese Informationen waren vor der Klage kaum jemandem bekannt. Der „Streisand-Effekt“ ist geboren.

Wie funktioniert der psychologische Kniff?

Barbra Streisand ist dem Grundprinzip der umgekehrten Psychologie zum Opfer gefallen. Dinge, die geheim sind und nicht weiter bekannt sein sollen, erscheinen dadurch besonders spannend und interessant. Das lässt sich bereits bei Kindern beobachten, die durch das Hüten eines Geheimnisses im Freundeskreis plötzlich Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit werden.

Mit dem Internet und dem Aufkeimen der sozialen Medien hat der Effekt auch Einzug ins digitale Leben erhalten. Twitter, Facebook & Co. tragen zur rasanten Verbreitung von Informationen bei – sind die News erst publiziert, lassen sie sich nur schwer wieder einfangen, besonders wenn es sich um Informationen handelt, die jemand eigentlich geheim halten wollte.

Wie kann der Streisand-Effekt vermieden werden?

Für Unternehmen bedeutet das: Ist eine unliebsame Information nach außen getreten, hilft es meist nicht, diese verbissen wieder einzufangen oder gar zu vergraben. Je mehr Unternehmen versuchen, etwas zu vertuschen oder unter anderen Veröffentlichungen zu verbergen, desto größer ist die Chance, dass die Öffentlichkeit erst recht aufmerksam wird – und schlimmstenfalls ein ausgewachsener Shitstorm folgt.

Im Umkehrschluss führt die Existenz der umgekehrten Psychologie und des Streisand-Effekts dazu, dass Organisationen ihre Unternehmenskommunikation überdenken sollten. Meist ist es sinnvoller, offensiv und transparent mit eigenen Fehlern umzugehen als sie einfach und scheinbar unbemerkt unter den Teppich zu kehren.

In der Fachsprache und im Online-Marketing wird in diesem Zusammenhang auch von Reputation Management gesprochen. Das bezeichnet das gezielte Steuern der öffentlichen Wahrnehmung von Unternehmen – in die positive Richtung.

Streisand-Effekt: Beispiele aus der Praxis

Der Streisand-Effekt ist aus der Praxis dennoch beinahe immer aufgrund negativer Beispiele bekannt – so kam der Effekt auch zu seinem Namen. In der jüngeren Vergangenheit gibt es zahlreiche Beispiele, die eindrucksvoll die Dynamik des Streisand-Effekts zeigen.

Der ungewollt berühmte Hashtag

Einer der frühesten Streisand-Effekte auf Twitter zeigte sich 2012, als die Plattform mit ihrem Hashtag-Einsatz immer bedeutender wurde. Die Essener Verkehrs-AG – kurz EVAG – wollte aufgrund unliebsamer Publicity den Hashtag #EVAG auf Twitter offiziell verbieten lassen.

Der Streisand-Effekt schlug daraufhin mit voller Härte zu: Die Community begann, den Hashtag so intensiv zu nutzen, dass er zeitweise sogar auf Platz eins der meistverwendeten Hashtags in Deutschland landete. Der Plan der EVAG ging also nach hinten los.

Lego: Kein Stein bleibt auf dem anderen

Der YouTuber „Held der Steine”, bürgerlich Thomas Panke, veröffentlicht seit Jahren Videos über verschiedene Bausets, allen voran die des dänischen Unternehmens Lego.

Anfang 2021 unterläuft ihm ein Fauxpas, der aus objektiver Sicht wenig schlimm wirkt. Panke bezeichnet das Set eines konkurrierenden Herstellers ohne böse Absicht und aus Versehen als Lego-Produkt.

Das gefällt dem ikonischen Großkonzern nicht, er verlangt eine Löschung des Videos über ein Anwaltsschreiben. Der YouTuber kommt der Aufforderung nach, veröffentlicht aber das Schreiben ebenfalls in seiner Community. Die Folge: Negative Social-Media-PR für Lego und eine erhöhte Aufmerksamkeit für das Konkurrenzprodukt.

Atze Schröder und sein wahres Ich

Nicht nur im Marketing, auch darüber hinaus zeigt sich der Streisand-Effekt in seiner ganzen Pracht. Das bekommt auch Atze Schröder, Komiker mit Künstlernamen, auffälliger Lockenperücke und getönter Fliegerbrille, zu spüren.

Der Künstler verklagte 2005 erfolgreich die BILD-Zeitung, die ein Foto von ihm ohne Perücke veröffentlichte. Ähnliche Klagen gegen verschiedene Institutionen folgten, die entweder Bilder ohne seine künstliche Haarpracht oder seinen echten Namen veröffentlichten.

Die Vorkommnisse ziehen sich bis 2018 – und mittlerweile wissen alle, der es wissen wollen, wie Atze Schröder mit bürgerlichem Namen heißt und ohne seine Perücke aussieht.

Fazit: Beugen Sie dem Streisand-Effekt im Marketing vor

Alle drei Beispiele, allen voran die ersten beiden aus der Marketing- und Unternehmenswelt, zeigen: Der Streisand-Effekt lässt sich nur dann vermeiden, wenn Sie mit Informationen offensiv und transparent umgehen. Das Verschleiern von schlechter PR oder unliebsamen News führt in Zeiten schneller Informationsübertragung und Social Media sonst schnell und unaufhaltsam zum Gegenteil – Shitstorms lassen grüßen.

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Titelbild: PM Images / iStock / Getty Images Plus

Ursprünglich veröffentlicht am 10. Juni 2022, aktualisiert am Januar 20 2023

Themen:

Public Relations