Der E-Commerce boomt unaufhaltsam, das Marketing und der Vertrieb werden digitaler. Sollte Ihr Unternehmen deshalb nur noch auf Online-Kanäle setzen, um Produkte zu vertreiben? Nein. Auch klassische Vertriebswege funktionieren heutzutage noch. Zum Beispiel der Direktvertrieb – und damit das Multi-Level-Marketing, das trotz seines schlechten Rufs eine Daseinsberechtigung hat.

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Network Marketing, Strukturvertrieb, Direktvertrieb, MLM: Was sind die Unterschiede?

Beim Direktvertrieb verkaufen Sie Ihre Produkte direkt an den Endkunden bzw. die Endkundin, ohne Zwischenhändler wie Handelsketten oder Ladengeschäfte. Für den Vertrieb setzt Ihr Unternehmen auf Verkäufer und Verkäuferinnen, die einen direkten Draht zur Kundschaft haben. Die persönliche Beratung und der Austausch bei Problemen stehen hier im Fokus.

Der Direktvertrieb ist ein alter Vertriebsweg, der auch heute noch Bestand hat – unter anderem wegen des Empfehlungsmarketings. Denn Menschen kaufen am liebsten von Menschen. Sie vertrauen den Worten einer menschlichen Beratung mehr als den Werbebotschaften einer Anzeige.

Beim Direktvertrieb gibt es verschiedene Modelle, wie ein Unternehmen mit dem Endkunden oder der Endkundin eine Beziehung aufbauen kann. Eines ist das Multi-Level-Marketing, das im Englischen auch als Network Marketing bezeichnet wird. Im Deutschen ist es als Strukturvertrieb oder Pyramidensystem bekannt und gerät auch oft als Schneeballsystem in Verruf.

Wie funktioniert Network Marketing?

Beim Network Marketing suchen Unternehmen Vertriebspartner, die ihnen dabei helfen, ihre Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen. Die Vertriebspartner kaufen die Produkte zum Einkaufspreis ein und suchen dann potenzielle Kunden und Kundinnen. Sie erhalten hierbei eine Provision für jedes Produkt, das sie verkaufen. Entsprechend haben sie ein großes Interesse daran, möglichst viele Kunden und Kundinnen zu finden.

Gleichzeitig suchen die Vertriebspartner für das Unternehmen weitere Verkäufer und Verkäuferinnen. Für jedes Produkt, das diese verkaufen, erhalten die Vertriebspartner, die sie angeworben haben, ebenfalls eine Provision. Somit steigen sie in der Unternehmenshierarchie auf. Nach und nach entstehen dadurch verschiedene Ebenen, bei denen Mitglieder der hohen Ebenen Provisionen aus ganz unterschiedlichen Quellen generieren.

So entsteht ein hierarchisches System, das unten sehr breit und oben sehr spitz ausfällt – eben eine Pyramide.

Das folgende Schaubild zeigt, wie ein Multi-Level-Marketing-System vereinfacht aussieht. Hinweis: Die angegebenen Provisionen sind nur Beispiele.

Funktionsweise von Network Marketing bzw. Multi-Level-Marketing

Woran erkennt man ein seriöses MLM-Unternehmen?

Leider gibt es unter MLM-Unternehmen viele unseriöse Unternehmen. Diese nutzen ein Schneeballsystem für die Vermarktung ihrer Produkte. Bevor Sie Ihr Unternehmen als Vertriebspartnerin bzw. Vertriebspartner anbieten, müssen Sie daher genau prüfen, dass es sich bei dem jeweiligen Betrieb um einen legalen und seriösen Anbieter handelt. Hierbei sollte man unterschiedliche Aspekte in den Blick nehmen.

Für ein Schneeballsystem spricht, wenn die Produkte nicht vom Anbietenden selbst, sondern von einem Geschäftspartner stammen. Dann versuchen die Unternehmen, ihre Gewinne auf Kosten der Vertriebspartner und Partnerinnen zu erhöhen. Ebenfalls verdächtig ist es, wenn Rabatte für die Produkte nur unter bestimmten Vorbehalten gewährt werden. Seriöse Unternehmen stellen Rabatte bedingungslos zur Verfügung.

Ebenfalls verdächtig ist es, wenn Prämien nicht bei Verkäufen, sondern lediglich beim Anwerben neuer Vertriebspartner ausgeschüttet werden. Eine solche Kopfprämie ist nahezu immer unzulässig. Ebenso spricht es für einen unseriösen Betrieb, wenn Umsätze nicht über die Produkte selbst, sondern durch Zusatzangebote generiert werden.

Eine verpflichtende Anwerbung neuer Vertriebspartnerschaften ist ebenfalls ein Anzeichen für ein unseriöses Unternehmen. Allen Vertriebspartnerinnen bzw. -partnern muss es erlaubt sein, ihre Umsätze ausschließlich über den Verkauf der Produkte zu generieren.

Seriöse Firmen nutzen einen klaren und transparenten Vergütungsplan. Ihre Provisionen sind nachvollziehbar aufgeschlüsselt, sodass die Vertriebspartner und Vertriebspartnerinnen genau wissen, unter welchen Umständen sie welche Gelder bekommen. Ebenso zeichnen sich die Produkte und Dienstleistungen solcher Firmen durch eine hohe Qualität aus. Haben die jeweiligen Waren keinen Mehrwert für die Kunden und Kundinnen, ist dies ein absolutes Warnsignal.

MLM-System: Bekannte Beispiele

Der Strukturvertrieb kommt häufig im Beautybereich, bei Haushaltswaren und Finanzdienstleistungen zum Einsatz. Beispielsweise setzen diese Unternehmen auf das Multi-Level-Marketing:

Vertriebspartner und Vertriebspartnerinnen erwerben Produkte von ENERGETIX, AVON oder Tupperware und versuchen, diese an potenzielle Kunden und Kundinnen zu verkaufen. Bei einem erfolgreichen Verkauf erhalten sie eine Provision. Zudem haben die Kunden und Kundinnen selbst die Möglichkeit, zu Vertriebspartnern und Vertriebspartnerinnen zu werden.

Die Unternehmen können auf diese Weise mit einem überschaubaren Marketingbudget große Erfolge erzielen. Die Vertriebspartner bzw. Vertriebspartnerinnen haben die Option, ein eigenes Geschäft aufzubauen und hierbei auf den Namen und die Infrastruktur der großen Unternehmen zurückzugreifen.

Das MLM-System als Schneeballsystem

Der Strukturvertrieb wird von Kritikern und Kritikerinnen häufig als Schneeballsystem bezeichnet. Der Grund: Ein Schneeball wächst, wenn er den Hang hinunterrollt.

In diesem Kontext bedeutet das: Wer beim Multi-Level-Marketing oben in der Hierarchie steht, profitiert automatisch von den unteren Ebenen – sein oder ihr Einkommen wächst durch Boni bzw. Provisionen, je größer die Pyramide wird.

Der Begriff „Schneeballsystem“ hat eine negative Bedeutung. Damit bezeichnet man MLM-Systeme, bei denen das Anwerben von neuen Partnern und Partnerinnen wichtiger als der Verkauf der (oft überteuerten) Produkte ist. Zudem wird bei den meist im Graubereich befindlichen oder gar illegalen Schneeballsystemen erwartet, dass alle neu angeworbenen Mitarbeitenden eigenes Kapital in das Vertriebssystem einbringen.

Ein MLM-System arbeitet anders. Die Vertriebspartner und Vertriebspartnerinnen sind frei und können ihr Einkommen auf Wunsch ausschließlich aus dem Verkauf von Produkten generieren. Das Anwerben neuer Vertriebspartner und Vertriebspartnerinnen ist bei dieser Vertriebsstruktur keine Pflicht.

Es unterscheidet sich auch vom Empfehlungsmarketing. Hier sollen Kunden und Kundinnen, die Produkte gekauft haben, Kontakte angeben, an die sich die Vertriebspartner und Vertriebspartnerinnen dann wenden können. Die Hoffnung besteht darin, dass solche Empfehlungen einen Vertrauensvorschuss bedeuten und die Freunde und Freundinnen bzw. Familienmitglieder grundsätzlich bereit sind, die Produkte und Dienstleistungen ebenfalls in Anspruch zu nehmen.

Warum Network Marketing?

Betreiben Sie das MLM-System ehrlich, bietet es einige Pluspunkte und Vorteile für Ihr Unternehmen. Zum Beispiel:

  • Sie müssen keine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einstellen, da die Vertriebspartner und Vertriebspartnerinnen selbstständig agieren.
  • Die Vertriebspartner bzw. -partnerinnen können ihre Tätigkeit als Neben- oder Teilzeiterwerb starten.
  • Die Partner und Partnerinnen sind motiviert, da ihr Einkommen von ihren Leistungen abhängt.
  • Durch den direkten Draht zum Endverbraucher bzw. zur Endverbraucherin entsteht eine bessere Beratungsleistung.
  • Die Vertriebspartner und Vertriebspartnerinnen fungieren als Markenbotschaftende bzw. Influencende für die Produkte bzw. das Unternehmen.
  • Das Vertriebsnetz aus Vertriebspartnern und Vertriebspartnerinnen sorgt für einen verstärkenden Netzwerkeffekt (mehr Partnerschaften heißt weitere Partner und Partnerinnen und bedeutet wiederum mehr Umsatz).
  • Network-Marketing-Firmen benötigen nur ein geringes Marketingbudget, da die besten Marketingeffekte durch ihre Vertriebspartnerschaften erzielt werden.
  • Die Vertriebspartner und Vertriebspartnerinnen müssen kein Unternehmen grundlegend aufbauen, sondern können auf den Namen, den Ruf und die Infrastruktur eines Unternehmens zurückgreifen.

Die Nachteile des Multi-Level-Marketings

Das Network Marketing hat jedoch auch einige Nachteile, die wir im Folgenden vorstellen:

  • Viele Verkäufer und Verkäuferinnen sind Quereinsteigende, oft fehlt ihnen eine entsprechende kaufmännische Ausbildung.
  • Ihr Network-Marketing-Unternehmen muss die Partner und Partnerinnen regelmäßig schulen und mit Informationen versorgen, was einen hohen administrativen Aufwand bedeutet.
  • Es gibt eine hohe Fluktuation bei den Vertriebspartnern und Vertriebspartnerinnen.
  • Die Struktur und Hierarchie werden im Laufe der Zeit undurchsichtig.
  • Ein MLM-System kann in die Illegalität abrutschen.

Was beim Aufbau eines Strukturvertriebs wichtig ist

Was sollten Sie beim Aufbau von Multi-Level-Marketing beachten?

  • Unterschätzen Sie nicht den Aufwand, die Struktur des Pyramidensystems zu managen.
  • Versorgen Sie alle Vertriebsmitarbeitende regelmäßig mit neuen und wichtigen Informationen zu Ihren Produkten.
  • Bieten Sie Schulungen und Fortbildungen an, damit Ihre Partner und Partnerinnen die Endkundschaft bestens beraten können.
  • Bieten Sie hochwertige Produkte zu seriösen Preisen an.
  • Führen Sie eine faire und transparente Provisionsgestaltung bzw. Verdienstmöglichkeit ein, sodass auch die Partner und Partnerinnen auf den unteren Ebenen ein gutes Einkommen erzielen können.
  • Fokussieren Sie sich nicht zu stark auf das Anwerbesystem, ansonsten könnte ein Schneeballsystem entstehen.
  • Achten Sie auch sonst penibel auf die Gesetzgebung, zum Beispiel auf den § 16 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb).

Ist Network Marketing illegal?

Network Marketing ist legal, solange man mit offiziellen und seriösen Partnern und Partnerinnen zusammenarbeitet. Diese dürfen kein Schneeballsystem nutzen, sondern müssen den Nutzen der Käufer und Käuferinnen immer als oberstes Ziel haben. Außerdem dürfen keine rechtlich unzulässigen Methoden wie eine Kopfprämie zum Einsatz kommen. Halten sich Unternehmen an diese Vorgaben, ist das Multi-Level-Marketing absolut zulässig und ein effizienter Vertriebsweg für die eigenen Produkte und Dienstleistungen.

Fazit: Ist Multi-Level-Marketing für Unternehmen noch zeitgemäß?

Die Antwort darauf ist abhängig von Ihren Produkten, dem Markt und der Wettbewerbssituation. Das MLM-System kann zum Beispiel eine gute Idee sein, wenn Sie als Start-up eine Nische suchen oder wenn Sie ein erklärungsbedürftiges Produkt anbieten.

Betreiben Sie diese Vertriebsform gesetzeskonform und fair, ist es trotz Digitalisierung ein gutes Konzept, um zu wachsen. Und um über die Influencer und Influencerinnen – Ihre Vertriebspartnerschaften – nachhaltig eine Marke aufzubauen.

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Titelbild: Christiann Koepke / Unsplash

Ursprünglich veröffentlicht am 12. Mai 2023, aktualisiert am Mai 12 2023

Themen:

Vertriebsstrategie