Jedes bilanzierungspflichtige Unternehmen ist zur Aufstellung einer Bilanz verpflichtet. Die Zusammenstellung von Vermögen und Schulden ist nicht nur eine leidige Pflicht, sondern hilft den Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen, um sich einen detaillierten Überblick über die aktuelle Ertragslage im Unternehmen zu verschaffen. Hierfür wenden Unternehmer und Unternehmerinnen Bilanzkennzahlen an.
In dem folgenden Beitrag erfahren Sie, was sich hinter den einzelnen Bilanzkennzahlen verbirgt und welchen Zweck sie erfüllen. Außerdem lernen Sie die Vor- und Nachteile kennen, die mit der Anwendung der Kennzahlen verbunden sind und erhalten anhand einiger Beispiele Einblicke in die praktische Umsetzung der Bilanzkennzahlen.
Was sind Bilanzkennzahlen?
Die Bilanzkennzahlen vermitteln ein detailliertes Bild über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Sie lassen sich im Zuge einer Bilanzanalyse ableiten und über die Geschäftsjahre hinaus miteinander vergleichen. Die Grundlage bildet § 266 HGB (Handelsgesetzbuch). Hier ist aufgelistet, welche Posten in einer Bilanz enthalten sind.
Welchen Zweck erfüllen Bilanzkennzahlen?
Die Anwendung der Bilanzkennzahlen ist hilfreich, wenn Sie die Ertragslage Ihres Unternehmens genauer unter die Lupe nehmen wollen. Dabei kommt einigen Bilanzkennzahlen – wie z. B. der Eigenkapitalquote oder dem statistischen Verschuldungsgrad – eine höhere Bedeutung zu als dem Working Capital oder der Umlaufintensität.
Mit der Ermittlung des Verhältnisses, das die unterschiedlichen Posten Ihrer Unternehmensbilanz zueinander haben, können Sie diverse Aspekte besser beleuchten. So wissen Sie z. B. mit der Anwendung der Liquiditätsgrade, wie hoch der Anteil der liquiden Mittel ist und welches gebundene Kapital Sie in flüssiges Geld umwandeln müssen, wenn Sie die Liquidität Ihres Betriebs stabilisieren wollen.
Überdies verfolgen Sie mit dem Einsatz der Bilanzkennzahlen noch einen weiteren Zweck. Dieser betrifft die Einhaltung der handelsrechtlichen Vorschriften. So analysieren Sie z. B. mithilfe der Eigenkapitalquote das bilanzielle Eigenkapital. Betreiben Sie Ihr Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH, sind Sie nach § 272 HGB zu einem gesonderten Ausweis des Eigenkapitals verpflichtet. Die Ermittlung der Eigenkapitalquote unterstützt Sie hierbei.
Welche Bilanzkennzahlen gibt es?
Die Kennzahlen lassen sich in die zwei folgenden Gruppen einteilen: die vertikalen und die horizontalen Bilanzkennzahlen. Die vertikalen Bilanzkennzahlen lassen sich nochmals in die vertikalen Bilanzkennzahlen der Kapitalstruktur und die vertikalen Bilanzkennzahlen der Vermögensstruktur unteteilen.
Übersicht über die wichtigsten vertikalen Bilanzkennzahlen der Kapitalstruktur
Bei der Anwendung der vertikalen Kennzahlen setzen Sie die entweder die Posten der Aktivseite oder die Posten der Passivposten ins Verhältnis zueinander. Zu den vertikalen Bilanzkennzahlen der Kapitalstruktur gehören z. B. die Eigenkapitalquote, die Fremdkapitalquote und der statische Verschuldungsgrad.
Eigenkapitalquote
Die Eigenkapitalquote stellt das Verhältnis Ihrer eigenen Mittel zum gesamten Unternehmenskapital dar. Je höher der Wert dieser Bilanzkennzahl ist, desto höher ist die Stabilität Ihres Unternehmens. Sie ermitteln die Eigenkapitalquote mit der folgenden Bilanzkennzahlen-Formel:
Fremdkapitalquote
Die Fremdkapitalquote gibt das Verhältnis des fremden Kapitals zum Gesamtkapital an. Hier kommt es darauf an, dass das Ergebnis möglichst niedrig sein sollte. Denn mit einer höheren Fremdkapitalquote sind auch höhere Fremdkapitalzinsen verbunden. Die Fremdkapitalquote ermittelt sich mit der folgenden Formel:
Statischer Verschuldungsgrad
Mit dem statischen Verschuldungsgrad ermitteln Sie das Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital. Der statische Verschuldungsgrad wird üblicherweise in einem Prozentwert festgestellt. Für die Berechnung des Verschuldungsgrads wenden Sie die folgende Formel an:
Beispiel für die Bilanzkennzahl des statischen Verschuldungsgrades in der Praxis
In Ihrer Bilanz weisen Sie ein Eigenkapital von 30.000 Euro aus. Das Fremdkapital ermitteln Sie einem Betrag von 20.000 Euro. Ihr statischer Verschuldungsgrad berechnet sich wie folgt:
Statischer Verschuldungsgrad = (20.000 / 30.000) x 100 = 66,67 %
Übersicht über die wichtigsten vertikalen Bilanzkennzahlen der Vermögensstruktur
Wollen Sie die Vermögensstruktur Ihres Unternehmens analysieren, so lohnt sich der Einsatz vertikaler Bilanzkennzahlen der Vermögensstruktur. Dazu zählt beispielsweise die Anlagenintensität und die Umlaufintensität.
Anlagenintensität
Bei der Anlagenintensität handelt es sich um eine vertikale Bilanzkennzahl. Dabei setzen Sie das Anlagevermögen in Verhältnis zum Gesamtvermögen Ihres Betriebes. Je niedriger das Gesamtvermögen, desto liquider ist Ihre Firma derzeit. Ideal ist eine Anlagenintensität von etwa 40 - 70 %. Die Bilanzkennzahl der Anlagenintensität bestimmen Sie mithilfe dieser Formel:
Umlaufintensität
Bei der Berechnung dieser Kennzahl setzen Sie das Umlaufvermögen in Verhältnis zum Gesamtvermögen Ihres Unternehmens. Je höher die Kennzahl, desto geringer sind Ihre Fixkosten. Dadurch gilt: Je höher die Umlaufintensität ausfällt, desto schneller ist Ihr Betrieb fähig, auf sich wandelnde Bedingungen des Marktes zu reagieren. Folgende Formel wenden Sie bei der Berechnung an:
Übersicht über die wichtigsten horizontalen Bilanzkennzahlen
Die horizontalen Bilanzkennzahlen beschreiben das Verhältnis der einzelnen Aktiv- und Passivposten Ihrer Bilanz untereinander. Sie setzen sich aus den Deckungsgraden, den Liquiditätsgraden und der Analyse des Working Capitals zusammen.
Liquiditätsgrade
Die Liquiditätsgrade setzen Sie ein, um Erkenntnisse über die Liquidität Ihres Unternehmens zu gewinnen. Unterschieden wird nach der Liquidität 1. Grades, der Liquidität 2. Grades und der Liquidität 3. Grades.
Liquidität 1. Grades
Die Liquidität 1. Grades liefert Ihnen Informationen über die flüssigen Mittel, die Ihnen unmittelbar zur Verfügung stehen. Für die Analyse der Liquidität 1. Grades wenden Sie die folgende Formel an:
Liquidität 2. Grades
Möchten Sie die Analyse verfeinern, beziehen Sie die kurzfristigen Forderungen (Liquidität 2. Grades) und schließlich das gesamte Umlaufvermögen in Ihre Analyse ein. Damit erhöht sich automatisch der Anteil des gebundenen Kapitals, das Sie z. B. durch einen Verkauf in liquides Geld umwandeln müssen. Die Bilanzkennzahlen-Formel lautet:
Liquidität 3. Grades
Bei der Berechnung der Liquidität des 3. Grades wird nicht nur die monetären Mittel, sondern das vollständige Umlaufvermögen eines Unternehmens mit in die Kalkulation einbezogen. Nutzen Sie dafür folgendes Berechnungsschema:
Working Capital
Das Working Capital ist eine weitere horizontale Bilanzkennzahl, die Sie kennen sollten. Sie ähnelt dem der Kennzahl der Liquidität des 3. Grades und betrachtet die Differenz aus Umlaufvermögen und den kurzfristigen Verbindlichkeiten eines Unternehmens. Je höher der Wert, desto geringer ist das finanzielle Risiko, welchem Ihr Unternehmen ausgesetzt ist. Die Formel lautet:
Vor- und Nachteile bei der Anwendung von Bilanzkennzahlen
Die Anwendung der eben vorgestellten Bilanzkennzahlen geht mit einigen Vorteilen einher, die Sie nicht außer Acht lassen sollten. Doch es ist auch wichtig, nicht alle Entscheidungen allein auf Basis der Kennzahlen zu treffen – denn die Anwendung birgt auch einige Risiken und Herausforderungen.
Vorteile
- Bilanzkennzahlen machen Abweichungen im Unternehmen sichtbar.
- Sie lassen sich einfach entwickeln und anwenden.
- Mithilfe der Kennzahlen können Schwachstellen schneller identifiziert werden.
Nachteile
- Die Ergebnisse können durch Anwendungen verschiedener Bilanzkennzahlen verfälscht werden.
- Bei der Anwendung der Bilanzkennzahlen hat das Unternehmen nur den kurzfristigen Erfolg im Fokus. Die langfristigen Bilanzziele bleiben außerhalb der Betrachtung.
- Verwenden Sie in Ihrem Unternehmen die Kennzahlen, steigt das Risiko, dass Sie sich auf bestimmte Informationen fokussieren und andere Bereiche bei der Analyse Ihrer Bilanz nicht einbeziehen.
Fazit: Liquide durch das neue Geschäftsjahr mit den Bilanzkennzahlen
Bilanzkennzahlen werden im Rahmen der Bilanzanalyse angewendet, um das Unternehmen und andere Interessenten – z. B. Investoren und Investorinnen – über die aktuelle Ertragslage zu informieren. Sie dienen zur Feststellung der Liquidität und der internen Unternehmensbewertung. Sie können die Kennzahlen einfach anhand Ihres Jahresabschlusses ermitteln und so nicht nur die Liquidität Ihres Unternehmens bestimmen, sondern diese auch in Zukunft weiter verbessern.
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