Seit mehr als drei Jahren betreut Ralf Zmölnig mit seiner Agentur “Rockit-Internet” Kunden im YouTube-Marketing. Er zählt zu den Pionieren der Branche. Denn die meisten Werbeagenturen und Online-Marketer haben sich bisher nicht tiefgehend mit dem Kanal beschäftigt oder ihn noch gar nicht für sich entdeckt.

Das macht YouTube zu einer potenziellen Goldgrube für wertvollen und günstigen Traffic. Im Interview lesen Sie, warum jedes Unternehmen einen Kanal auf YouTube betreiben sollte, was das bringt und wie der Einstieg klappt.

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YouTube-Marketing-Tipps: Interview mit Ralf Zmölnig

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Kann jedes Unternehmen gute YouTube-Videos produzieren? Gibt es Branchen oder Unternehmen, die eher nicht in Frage kommen?

Ralf Zmölnig: Wir haben das Jahr 2016, da kommt ein werbetreibendes Unternehmen um diesen Kanal nicht herum. Unser Kunde Siemens verkauft zum Beispiel Züge für den Nahverkehr. Zur Zielgruppe zählen Städte und Länder, beziehungsweise deren Verwaltung. Da könnte man natürlich zweifeln, ob das sinnvoll ist, sie über YouTube anzusprechen. Aber es wurde schnell klar, dass eher veraltete Präsentationsformen unsinnig wären. Lieber ein 360-Grad-Video von einer Trambahn, als nur Bilder und etwas Text auf einer Website.

Es gibt aus unserer Sicht keine Firmen oder Branchen, die nicht prinzipiell gute Videos für YouTube produzieren könnten. Seit wir Unternehmen auf YouTube begleiten, ist uns aber aufgefallen, dass Videos oft zur Chefsache erklärt werden. Unter der Beteiligung aller möglichen Stakeholder heben die Ansprüche dann aber schnell ab und zielen auf Hochglanz-Produktionen. Dazu kommt, dass sich die Planungsphase dann unheimlich in die Länge zieht und nichts verwirklicht wird. Es fehlt die praktische Herangehensweise, nach der man in kurzer Zeit einfach startet. Das tun viele Unternehmen aber eben nicht, sondern warten erst mal auf Drehbuch, Filmteam und Lichttechnik.

Und dann kommt der Inhalt zu kurz.

Ralf Zmölnig: Ja, auf YouTube kann ich nicht mit klassischer Werbung punkten. Solche Videos schauen sich die User nicht an. Sie verlangen Authentizität. Wir raten davon ab, Agenturen anzuheuern, die dann Imagevideos voller Marketing-Botschaften produzieren. Das führt nur zu wenig Views und hohen Abbruchraten. Stattdessen sollten die Firmen einfach beständig dran bleiben und üben, also die Videos selber produzieren. Einfach mal die Kamera anwerfen und aus dem Unternehmensalltag heraus filmen. Auch wenn es am Anfang mit der Qualität nicht klappt, die Hauptsache ist, authentisch zu sein. Die Qualität steigt dann schrittweise, von Video zu Video. Das sehe ich auch an den Videos auf unserem eigenen Kanal.

Eine Website sollte Inhalte bieten, mit denen die richtigen Besucher angezogen  werden, die daraufhin zu Leads und letztlich Kunden konvertiert werden – lesen  Sie jetzt unsere Einführung ins Thema.

Was gehört für Sie alles zu einer runden Strategie für Marketing auf YouTube?

Ralf Zmölnig: An erster Stelle kommen Authentizität und Zielgruppen-Analyse. Man sollte sich selbst fragen: Was ist mein konkretes Ziel? Es reicht nicht, ‘irgendwie präsent sein’ zu wollen. Mit der Zielgruppe auf YouTube muss man sich beschäftigen. Was sind deren Interessen und Probleme?

Nicht abschrecken lassen, wenn ein Thema schon besetzt scheint. Aktuell haben wir bei windeln.de das Thema Tragetücher – YouTube ist voll von privaten, eher kryptischen Videos von Müttern dazu. Wir setzen dagegen auf ein Video mit einem Vater, der sich zu dem Thema äußert.

Wichtig ist auch ein Redaktionsplan. Der sollte aber immer Raum für flexibel eingeschobene Themen lassen. An erster Stelle bei YouTube sollte das Thema 'How-To' stehen. Making-ofs oder Personen-Portraits gehen auch gut. Produktvorstellungen müssen in erster Linie authentisch und hilfreich sein.

Jeder Betreiber sollte sich mit Kanaloptimierung beschäftigen. Das wäre jetzt etwas langatmig zu erklären. Ich empfehle deshalb unser hauseigenes Tool Youtube Channel Analyzer. Damit bekommt man einen guten Eindruck, worauf es bei der Optimierung ankommt.

Zu guter Letzt kommt die Bewerbung der eigenen Inhalte: Views kommen nicht von alleine. Deswegen bewerben wir die Kanalinhalte, damit die Klicks steigen und damit dann auch die Relevanz und das Ranking. Im Moment profitieren wir in YouTube noch von verhältnismäßig günstigen Klickpreisen, der Wettbewerb ist viel niedriger als etwa bei Google.

Wie helfen Sie Unternehmen, die selber keine Videos erstellen können? Wie führen Sie Kunden an das Thema YouTube heran?

Ralf Zmölnig: Zuerst sollte man herausfinden, warum möchte ich als Firma Videos produzieren? Viele Unternehmen wollen zum Beispiel unter dem Gesichtspunkt SEO mit der Videoproduktion beginnen: Höhere Verweildauer, verbesserte User Signals, Textwüsten auflockern.

Kleine Produktionen setzen wir mit einem Partner selber um. Aber wir zeigen den Unternehmen auch, wie YouTube Creator Studio funktioniert. Damit kann man selber schneiden und Effekte einfügen, YouTube optimiert die Ton- und Bildqualität. Es ist ein bisschen wie Photoshop.

Wir geben den Kunden am Anfang auch erste Konzepte (Storyboards) an die Hand. Zum Beispiel: Ein Geschäftsführer oder Mitarbeiter soll sich vor der Kamera vorstellen und über seine Tätigkeit sprechen. Die Firma weiß nicht, wie man so etwas inszeniert. Wir geben hierfür den passenden Input. Zwei Beispiele:

  • Eine Firma wollte ein Vorstellungsvideo produzieren. Die Frage ‘Wieviel verdienen Sie?’ wollten die Verantwortlichen aber nicht im Interview mit dem Vorstand drin haben – wir haben gesagt: Doch! Selbst, wenn man dann nur lächelt und sagt ‘Ich glaube, genug’, ist das ein schöner Moment. Besser als ein beliebiges Standard-Imagevideo.
  • Unser Kunde windeln.de hat bisher hauptsächlich TV-Spots von irgendwelchen Produkten im Kanal. Das funktioniert nicht. Eine Umfrage hat ergeben, dass sich 60 Prozent der Mütter auf YouTube dort über Produkte informieren, bevor sie kaufen. Sie suchen demnach authentische Infos. Nicht nach Herstellervideos in denen kostümierte Frauen in High Heels den leeren Kinderwagen durch ein Studio schieben. Lieber eine echte Mutter, die daheim die Kamera anwirft und vorführt, wie sie ihr Kind in den Kinderwagen legt, ihre Tasche an den Wagen hängt, raus geht, den Wagen zusammenklappt und ins Auto packt.

YouTube gehört zu Google – wie unterscheidet sich Marketing mit und für YouTube von Marketing mit Google?

Ralf Zmölnig: Es greift ineinander. Man kann ja auch mit Videos in der Universal Search auftauchen.

Algorithmisch ist YouTube auf dem Stand von Google vor ein paar Jahren. Gute Metas, gute Tags und eine gute Beschreibung reichen oft für starke Rankings. Wir nennen es intern 'SEO Lite'.

Wie recherchieren Sie zum Beispiel Keywords für YouTube und inwiefern unterscheidet sich das zur Keyword Research für Google?

Ralf Zmölnig: Wir haben über die API des Keyword Planners ein eigenes Recherchetool gebaut. Die Anfragen auf YouTube sind im Vergleich aber marginal. Wir ziehen deshalb immer auch Daten aus dem Keyword Planner heran um zu vergleichen und zu schauen, ob ein Video für die Universal Search relevant sein könnte. Für YouTube betreiben wir weniger Keyword-Optimierung (vor allem kein Stuffing). Aber die Recherche gehört immer dazu und natürlich tauchen Keywords in den Meta-Daten und der Beschreibung jedes Videos auf.

Wie wichtig ist die Community auf YouTube? Wie sollte man mit seinen Followern interagieren?

Ralf Zmölnig: Im YouTube-Algorithmus ist die Like-Dislike-Ratio sehr entscheidend. Deshalb ist es sehr wichtig, die User zu verstehen und Videos zu produzieren, die bei der Community ankommen. Man kann sich als Kanalbetreiber dazu einen Abonnentenbericht anschauen. Wir fordern die Zuschauer auch auf, ihre Wünsche und Fragen mitzuteilen. Viele Unternehmen machen den Fehler, die Kommentarfunktion zu deaktivieren. Ein großer Fehler, denn die ist Gold wert. Auf Kommentare lohnt es sich immer, kompetent und möglichst schnell zu reagieren. Viele Kommentare sind auch ein Rankingfaktor.

Außerdem setzen wir auf direkte Ansprache. Dafür nutzen wir In-Video-Features wie Infocards und Untertitel. Die eignen sich für direkte Handlungsaufforderungen, zum Beispiel Hinweise auf Kanal-Abos und weitere Videos. Sehr wichtig sind auch weiterführende Links in der Beschreibung.

Wieso haben Sie Ihre Agentur um den Geschäftsbereich YouTube erweitert?

Ralf Zmölnig: Unser Kerngeschäft SEO wird nicht einfacher und hängt außerdem mit YouTube zusammen. Viele Werbeagenturen produzieren nur Werbevideos und haben kein großes Know-How, was YouTube-Strategien anbelangt. Die sind einfach noch nicht so weit. Aus diesem Grunde kommen viele Kunden dieser Agenturen zu uns.

Wie holt man von YouTube am effektivsten viel Traffic auf die eigene Website?

Ralf Zmölnig: Besonders gut funktionieren Links in der Video-Beschreibung. Ein gutes Beispiel ist wieder unser Kunde windeln.de. In deren Kanal erschien ein Video zum Thema 'Wie binde ich ein Tragetuch richtig?'. In der Video-Beschreibung haben wie entsprechende Links zu Tragetüchern und Zubehör eingefügt. So kommen die Zuschauer direkt auf die passenden Unterseiten von windeln.de.

Wie bewerben Sie YouTube-Kanäle außerhalb von YouTube?

Ralf Zmölnig: Wir nutzen dazu Google-Adwords-Kampagnen auf nicht kommerzielle Begriffe. Da sind die Klickpreise niedrig und der Wettbewerb ebenfalls. Ansonsten posten wir Ankündigungen auf Facebook und anderen Social-Media-Plattformen à la “neues Video online, Kanal besuchen, Abo nicht vergessen”.

Gibt es Konzepte und Möglichkeiten, einen guten Channel ohne eigenen Video-Content aufzubauen?

Ralf Zmölnig: Playlists sind dafür eine gute Möglichkeit. Ich selbst fliege zum Beispiel gerne Gleitschirm und kuratiere eine Playlist mit relevanten Videos dazu. An den Klickzahlen kann ich gut ablesen, wie sehr die Community diesen Nutzen schätzt. Das kann auch für eine Firma eine gute Alternative sein.

Fazit: Jetzt YouTube-Strategie entwickeln

Sowohl werbende Unternehmen, als auch die meisten Agenturen betreten mit YouTube neues Terrain. Es lohnt sich deshalb, jetzt frühzeitig auf den Zug aufzuspringen. YouTube kann zu einer der wichtigsten Quellen für Reichweite und Traffic werden. Im Moment ist der Wettbewerb aber noch nicht so groß. Ralf Zmölnig empfiehlt deswegen auch, vorab nicht zu viel Aufwand in Konzeption und Strategie zu stecken. Lieber erstmal mit einfachen Mitteln starten. Die Strategie entwickelt sich hinterher fast wie von alleine – auf konkrete Erfahrungen und Learnings gestützt.

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Ursprünglich veröffentlicht am 7. November 2016, aktualisiert am Januar 18 2023

Themen:

YouTube-Marketing